Sucht
Alkohol ist nur was für Männer? – Sucht und Gender
Haben Sie sich schon einmal gefragt, ob sich auch Suchterkrankungen an genderspezifischen Aspekten orientieren? Sehen Sie sich dieses Bild an.
Würden Sie das Bier nicht eher einem Mann zuordnen? Und die Pillen? Wirken diese nicht irgendwie "weiblicher"?
Um diese Frage zu beantworten, ist es wichtig hervorzuheben, dass die Suchtforschung damit begann, nur die Lebensbereiche des männlichen Geschlechts zu berücksichtigen. Erst in den 70er Jahren wurden auch weibliche Lebensbereiche in der Suchtforschung untersucht. Somit wurden Frauen zu Beginn nach männerspezifischen Aspekten untersucht und therapiert. Dies war ein großer Nachteil für die Frauen, da bis dahin nicht klar war, ob es vielleicht geschlechtsspezifische Unterschiede im Krankheitsbild gab. Erst im 21. Jahrhundert wurde der Genderaspekt in der Suchtforschung berücksichtigt und beeinflusste die Therapie und Untersuchung von Männern und Frauen.
Frauen zeigen tendenziell ein anderes Suchtverhalten als Männer, weil sie mit anderen Lebensweisen konfrontiert sind und ihnen andere Aufgaben zugewiesen werden. Allerdings ist den Einzelnen oftmals nicht bewusst, dass Genderaspekte die Denkweisen und Therapieansätze beeinflussen - sowohl der Betroffenen als auch der Behandelnden. So gab es von Beginn an die Annahme, dass Drogen-, Alkohol- und Nikotinkonsum bei Männern „normal" sei, da diese Drogen die „Männlichkeit" ausdrücken. Die erwartete Geschlechterrolle wird erfüllt und das Konsumverhalten erhält mehr soziale Akzeptanz. Bei Frauen allerdings werden diese Drogen als verwerflich betrachtet, da ihre Geschlechterrolle beinhaltet, dass sie sich um die Kinder und den Haushalt sorgen müssen. Dies wäre ihnen nicht einwandfrei möglich, wenn sie dabei unter Drogen stünden. Frauen erhielten somit weniger soziale Unterstützung in der Krankheitsbewältigung als Männer mit den gleichen Problemen.
Insgesamt wird davon ausgegangen, dass Männer ihre Probleme eher durch Externalisierung bewältigen, also durch ein nach außen tragen, Frauen hingegen diese eher durch Internalisierung zu bewältigen versuchen. Männer zeigen somit eher Aggression und Wut, Frauen weisen eher Angst-, Scham- und Schuldgefühle auf. Substanzabhängige Frauen werden somit häufig als abweichend empfunden; substanzabhängige Männer, die aggressives Verhalten zeigen, werden aber häufig nicht mit Sucht in Verbindung gebracht, sondern wirken nur besonders männlich.
Damit kommen wir auch schon zur oben genannten Frage: Ist das Bier nun männlicher und die Pillen weiblicher? Wenn man sich an den Studien orientiert, dann wird Alkohol oftmals mit Männern in Verbindung gebracht. Männer, die unter Alkoholeinfluss stehen, zeigen eine ‚wilde Art' und werden oftmals gewalttätig oder aggressiv. Die Männer bleiben dabei in ihrer aktiven Rolle und gelten als den Frauen überlegen. Sie unterstützen somit ihre Rollenerwartung. Frauen, die trinken, wirken, überspitzt formuliert, schwach und verfallen somit wieder in das ‚schwache Geschlecht', welches vom Mann vermeintlich beschützt werden muss. Dagegen werden Pillen als weiblicher empfunden. Statistisch hat sich gezeigt, dass Frauen häufiger zum Arzt gehen und sich Medikamente verschreiben lassen. Frauen gelten auch als anfälliger für psychische Störungen wie Angsterkrankungen und Depressionen.
Das Gender-Schema wird durch die Studien immer wieder unterstützt, in denen die Forschenden ihre Brille der stereotypen Zweigeschlechtlichkeit nicht absetzen, so dass Frauen als schwach gelten, Männer die starke und beschützende Rolle einnehmen. Es steht aber fest, dass diese Studien teilweise erneut durchgeführt werden und überdacht werden müssten. Die Umstände haben sich verändert. Es hat sich im Laufe der Zeit gezeigt, dass es auch immer mehr Männer gibt, die unter psychischen Störungen wie Depression und Angststörungen leiden. Somit ist dies nicht mehr nur eine „weibliche Krankheit“, sondern man muss sich bewusst werden, dass sich die Gender-Schemata verändern und verschieben und somit männliche Rollenattribute oftmals von Frauen übernommen werden und weibliche Rollenattribute von Männern gezeigt werden. Hier verändern sich die Geschlechter und es ist dringend notwendig, dass auch in der Suchtforschung die Gender-Schemata überdacht werden. Nur so können beide Geschlechter in ihrer Krankheitsbewältigung ausreichend unterstützt werden.
Literatur
Imgard Vogt, „Doing Gender: Zum Diskurs um Geschlecht und Sucht“,2007: http://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-531-90528-0_12?no-access=true
Gabriele Fischer, „Editorial Sucht und Gender“, 2010: https://psycontent.metapress.com/content/rnvh64744813g285/resource-secured/?target=fulltext.pdf&sid=mecbm4iwcwawp5kdmofeq255&sh=www.psycontent.com