Linguistisches Kolloquium Sommersemester 2016
Dienstags, 18-20 Uhr c.t.
Universität Duisburg-Essen, WST-C.02.12
03.05.2016
Jens Lanwer (Essen)
Appositionen im gesprochenen Deutsch: Methodologische Überlegungen zur Rekonstruktion eines
Konstruktionsnetzwerks
Abstract folgt
24.05.2015
Nikolay Hakimov (Freiburg)
Der Einfluss der Gebrauchsfrequenz auf die Struktur vom russisch-deutschen Code-Mixing
Abstract folgt
31.05.2016
Antje Dammel (Freiburg)
Früher war mehr Mut zur Lücke
Analepse von Determinantien bei NP-Koordination im Wandel
In diesem Vortrag geht es um die Auslassung von Determinantien in koordinierten Nominalphrasen
wie in der Tisch und _ Stuhl, also um einen Fall von Analepse.1 Untersucht wird, wie sich die
Möglichkeiten und Beschränkungen dieser Form der Analepse in der Diachronie des Deutschen
entwickelt haben. Im Gegenwartsdeutschen besteht hier eine klare formale Restriktion, die im
Vergleich mit Belegen aus früheren Phasen des Deutschen besonders deutlich wird, s. z.B. (1) aus
einer Leichenpredigt des 17. Jh.
(1) ein reissend Thier hat ihm seinen Leib und Seele getrennet
(GerManC, SERM_P1_NoD_1677_LeichSermon)
In (1) wurde das zweite Possessivpronomen auf der Basis des ersten weggelassen. Das wäre für
Sprecher_innen des Gegenwartsdeutschen nur dann unproblematisch, wenn die beiden Konjunkte in
ihren morphosyntaktischen Merkmalen übereinstimmten (z.B. seinen Tisch und Stuhl). Ist dies nicht
der Fall wie in (1), wo ein Genuskonflikt besteht, muss das Determinans wiederholt werden (vgl.
Plank 1991, Demske 2001, King & Dalrymple 2004). Zweifel treten auf, wenn Determinantien formal
übereinstimmen, aber divergente morphosyntaktische Merkmale haben wie in (2). Wie sich im
Vergleich von (2a) und (2b) zeigt, spielt dabei auch die Erwartbarkeit der Koordination eine Rolle,
also ein semantisch-pragmatischer Faktor, für den Wälchli (2007) den Terminus natürliche
Koordination geprägt hat.
(2) a. Was kann ich tun, um die Nase und Ohren frei zu bekommen?
(http://www.hno-forum.de/forum/schnupfen-weg-aber-nase-und-ohren-zu; 15.3.16)
b. Die Stadt Göttingen ist berühmt für ihre Würste und Universität
(Heine: Harzreise, Bsp. nach Wälchli 2007, 67)
Quantitative und qualitative Korpusanalysen am Bonner Fnhd.-Korpus (1350-1650) und an GerManC
(1650-1800) geben Aufschluss darüber, wie häufig Analepse trotz divergierender morphosyntaktischer
Merkmale in älteren Stufen des Deutschen war und welchen semantisch-pragmatischen
Bedingungen sie unterlag. Es zeichnet sich ein Hin-und-zurück-Wandel ab, für den abschließend
mögliche grammatikinterne und sprachsoziologische Auslöser diskutiert werden.
Literatur in Auswahl:
Blatz, F. 1896. Neuhochdeutsche Grammatik. Bd. 2. Satzlehre. 3. Aufl. Karlsruhe: Lang.
Hoffmann, L. 1998. Ellipse und Analepse. In: Redder/Rehbein (eds.) 1998: Grammatik und mentale Prozesse. Tübingen: Narr, 69-90.
Demske, U. 2001. Merkmale und Relationen. Berlin/New York: De Gruyter.
King, T. Holloway & M. Dalrymple. 2004. Determiner Agreement and Noun Conjunction. Journal of Linguistics 40(1), 69-104;
Plank, F. 1991. On determiners. 1. Ellipsis and Inflections. 2. Co-occurrence of possessives. Theme 7: Noun Phrase Structure. Eurotyp Working Paper No. 11. http://ling.unikonstanz.de/pages/home/plank/ for_download/publications/78_Plank_1991.pdf;
Wälchli, B. 2007. Co-compounds and natural coordination. Oxford.
1 In Abgrenzung zur Ellipse, die nicht durch den grammatischen Vorkontext bestimmt ist (vgl. Blatz 1896, 138f., Hoffmann 1998).
07.06.2016
Torsten Zesch (Duisburg)
Normalisieren oder adaptieren? – Vergleich der konkurrierenden Ansätze zur Verbesserung der Verarbeitungsqualität computerlinguistischer Verfahren aus Social Media Daten
Die Verarbeitung von Social Media Daten stellt computerlinguistische Verfahren vor große Herausforderungen, die vor allem in der Verwendung nicht-standardisierter Wortformen, Fehlschreibungen, oder Emojis begründet liegen.
Zur Lösung des Problems wurden zwei konkurrierende Ansätze vorgeschlagen: Normalisierung von Fehlschreibungen und besonderen der Kommunikationsplattform wie z.B. Hashtags auf einen (angenommenen) Standard hin. Anschließend werden dann Standardverfahren zur computerlinguistischen Verarbeitung eingesetzt. Als Alternative wurde die Adaptierung der Verarbeitungswerkzeuge direkt auf Social Media Daten vorgeschlagen.
Der Vortrag diskutiert Vor- und Nachteile beider Verfahren anhand von Fallbeispielen vor allem aus dem Bereich des Part-of-speech Tagging.
14.06.2016
Beate Weidner (Münster)
"Schmeckt's?" Multimodale Verfahren des Bewertens im Koch-TV
Wenn in einem TV-Kochstudio fünf Starköche vor laufender Kamera gegenseitig ihre live zubereiteten Gerichte bewerten, liegt eine Interaktionssituation vor, die bestimmte kommunikative Aufgaben an die Interagierenden stellt: Sie müssen eine nur subjektiv wahrnehmbare gustatorische Erfahrung so vermitteln, dass sie intersubjektiv nachvollziehbar wird und die Zuschauer möglichst viele Informationen über die Qualität des Gerichts erhalten. Zugleich sollte die Bewertung nicht langweilig sein, da sich die untersuchte TV-Sendung auch als Unterhaltungsformat versteht. Außerdem müssen die Köche Strategien entwickeln, um negative Bewertungen zu vermitteln und entgegenzunehmen. Im Vortrag werden kommunikative Verfahren des Bewertens in dem bislang gesprächsanalytisch nicht untersuchten professionellen massenmedialen Interaktionskontext einer Kochsendung herausgearbeitet. Da die Analysen auf Videodaten basieren, werden auch multimodale Kommunikationsressourcen in den Blick genommen, die für die Konstitution von Bewertungsverfahren eine zentrale Rolle spielen.
21.06.2016
Giorgio Antonioli (Turin)
Konnektintegrierbare Konnektoren an der Schnittstelle von Syntax und Prosodie. Zusammenhänge von topologischer Position und Informationsstruktur in Kontexten der Sprache-in-Interaktion
Gegenstand meines Vortrags ist eine empirische Untersuchung der Wortart Konnektoren und ihrer Verwendung im gesprochenen Deutsch. Genauer wird auf die sogenannten konnektintegrierbare Konnektoren eingegangen, d.h. auf diejenigen Konnektoren, die innerhalb ihrer Bezugsäußerung verschiedene topologische Positionen besetzen können (vgl. Pasch et al. 2003). Bei der Beobachtung des Vorkommens von einzelnen Konnektoren aus dieser besonderen Klasse im mündlichen Sprachgebrauch wird auf den Zusammenhang zwischen der jeweiligen topologischen Position des Konnektors und der Informationsstruktur der Äußerung, in der dieser erscheint, geachtet. In Anlehnung an die Vorgehensweise der Konstruktionsgrammatik (Deppermann 2011) und der Interaktionalen Linguistik (Imo 2007, 2014) erzielt die Untersuchung die Isolierung von wiederkehrenden syntaktisch-prosodischen Mustern, denen eindeutige unterschiedliche Funktionen zugeschrieben werden können. Somit soll nachgewiesen werden, wie die Freibeweglichkeit eines konnektintegrierbaren Konnektors die Gestaltung von verschiedenartigen Informationsstrukturen ermöglicht und wie sich die interaktionale Funktion des gegebenen Konnektors je nach seiner topologischen Position unterscheidet.
Literatur:
Deppermann A. (2011), Konstruktionsgrammatik und Interaktionale Linguistik: Affinitäten, Komplementaritäten und Diskrepanzen, in A. Lasch, A. Ziem (Hgg.), Konstruktionsgrammatik, Band 3: Aktuelle Fragen und Lösungsansätze, 205-238, Tübingen: Stauffenburg.
Imo W. (2007), Construction Grammar und Gesprochene-Sprache-Forschung. Konstruktionen mit zehn matrixsatzfähigen Verben im gesprochenen Deutsch, Tübingen: Niemeyer.
Imo W. (2014), Interaktionale Linguistik, in S. Staffeldt, J. Hagemann (Hgg.), Pragmatiktheorien. Analysen im Vergleich, 49-82, Tübingen: Stauffenburg.
Pasch R. et al. (2003), Handbuch der deutschen Konnektoren, Berlin: De Gruyter.
28.06.2016
Martin Edjabou (Paderborn)
Erzählstrategien über Afrika in ausgewählten bundesdeutschen Leitmedien: Interkulturelle Notizen zum medialen Diskurs über einen Kontinent
Im Zuge der wiederholten Versuche von Afrikanern durch gefährliche Überfahrten im Mittelmeer nach Europa zu gelangen, hat auch in deutschen Leitmedien die Berichterstattung über Afrika zugenommen. Im Rahmen dieses medialen Diskurses (verstanden als Fragment „Deutsch-afrikanische[r] Diskurse in Geschichte und Gegenwart“) wurde oft die Frage nach den Motiven der Auswanderung gestellt. Dabei entbrannten zum Teil emotionale Auseinandersetzungen. Auch die Möglichkeiten des Zusammenlebens wurden kontrovers diskutiert. In Zeiten globaler Migrationen sind sowohl Aufnahme- als auch Sendeländer in mehrfacher Hinsicht gefordert: Ein enormes Maß an gegenseitigem Verstehen wird hier vorausgesetzt. Eine zentrale Frage ist, ob man in diesem Diskurs bereit ist, auf „Homogenisierungen und Fixierungen“ (Michael Hofmann 2006, 9) des Kulturellen zu verzichten. Mit Blick auf den Diskurs in ausgewählten bundesdeutschen Leitmedien über „Bootsflüchtlinge“ aus Afrika möchte ich die Erzählstrategien in den Fokus stellen: Es soll mithin der Frage nachgegangen werden, auf welche narrativen Muster und damit Diskursfragmente bzw. -stränge, letztlich somit Diskurspositionen (im Sinne Foucaults) hier zurückgegriffen wird.
Kurzbiographie:
Foucault, Michel: 1981, Archäologie des Wissens. Aus dem Französischen von Ulrich Köppen. Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M. [Original: Archéologie du savoir, Editions Gallimard, Paris, 1969].
Haller, Michael: 1997, Die Reportage. Ein Handbuch für Journalisten. UVK Verlagsgesellschaft, 4. Aufl., Konstanz.
Hofmann, Michael/ Morrien, Rita (Hrsg.): 2012, Deutsch-afrikanische Diskurse in Geschichte und Gegenwart. Literatur- und kulturwissenschaftliche Perspektiven. Rodopi, Amsterdam/New York.
Hofmann, Michael: 2006, Interkulturelle Literaturwissenschaft. Eine Einführung. Wilhelm Fink Verlag, Basel et al..
Stanzel, Franz: 2008, Erzähltheorie. 8. Aufl., Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen.
05.07.2016
Irmi Wachendorff (Essen)
Soziale Positionierung durch typografische Variation in sprachlichen Landschaften (anhand der Daten aus dem Forschungsprojekt Metropolenzeichen – Visuelle Mehrsprachigkeit in der Metropole Ruhr)
Abstract folgt
12.07.2016
Larisa Kulpina (Chabarowsk)
Russlandbilder und ihre literarische Versprachlichung: Blick von innen – Blick von außen
Abstract folgt