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Relaxation heißer Ladungsträger: Über Mehr-Temperatur-Modelle hinausgehende Beschreibung entwickelt
Wie schon aus zahlreichen früheren Experimenten bekannt war, müssen bei der Relaxation heißer Ladungsträger in Metallen zwei Elementarprozesse zusammenwirken, die Elektron-Elektron- und die Elektron-Phonon-Wechselwirkung. Einerseits geht dem Elektronensystem, insgesamt betrachtet, nur durch die Streuung an den Atomen und durch die dadurch bedingte Anregung von Phononen Energie verloren; die Stöße zwischen Elektronen allein würden hingegen die gesamte elektronische Energie konstant halten. Andererseits stellt sich aber heraus, dass die Elektron-Elektron-Stöße einen starken Einfluss darauf haben, wie die angeregten Elektronen auf die Energiebänder verteilt sind. Davon hängt wiederum ab, wie effektiv sie Phononen produzieren können, da die Kopplung der Elektronen an die Schwingungen der Atome stark davon abhängt, in welchem Energieband sich das Elektron gerade befindet und mit welchem Typ von Phonon es koppeln kann.
Aus diesen Gründen benötigt man eine Theorie gekoppelter Ratengleichungen, die sowohl die Elektron-Elektron-Streuung als auch die Elektron-Phonon-Streuung in geeigneter Weise berücksichtigt, wenn man die Ergebnisse mit dem Experiment vergleichen will. Einen derartigen Vergleich haben wir kürzlich für ein bestimmtes Materialsystem durchgeführt, für eine dünne Bleischicht auf Silizium. Dieses Materialsystem bot sich an, weil es sehr kontrolliert hergestellt werden kann (der Film besteht aus genau 5 Atomlagen), und weil es sehr gut möglich ist, den allmählichen Energieverlust der Elektronen im Blei experimentell zu verfolgen. Da das Silizium eine Energielücke aufweist, die größer als das Energie-Quant des verwendeten Lichts war, konnten bei diesem Experiment weder Elektronen im Silizium angeregt werden, noch konnten die im Blei angeregten Elektronen in das Silizium entkommen.
Deshalb eignete sich dieses Materialsystem sehr gut dazu, Experiment und Theorie zu vergleichen. Sowohl die Stärke der Elektron-Elektron-Streuung als auch der Elektron-Phonon-Kopplung konnten aus einer parameterfreien Berechnung bestimmt werden.
Die Figur zeigt die gemessene Energiedichte im Experiment (grüne Kurve). Unsere neuartige Ratengleichungstheorie (blaue Kurve) gibt das Verhalten der Energiedichte insbesondere bei kurzen Zeiten (weniger als 300 Femtosekunden nach der Laseranregung) besser wieder als frühere, einfachere Theorien, die die heißen Elektronen einfach durch eine Fermiverteilung bei einer zeitlich veränderlichen Temperatur beschreiben (gestrichelte Kurve).
Mehr dazu:
Peter Kratzer, Laurenz Rettig, Irina Yu. Sklyadneva, Evgueni V. Chulkov and Uwe Bovensiepen: “Relaxation of Photoexcited Hot Carriers Beyond Multitemperature Models: General Theory Description Verified by Experiments on Pb/Si(111)”
Phys. Rev. Research 4, 033218 (2022)
Visualisierung der Wechselwirkung von magnetischen Defekten in Halbleitern
Ein strategisches, rationales Materialdesign für magnetische Halbleiter setzt ein grundlegendes Verständnis der magnetischen Wechselwirkungsprozesse in diesen Materialien auf der atomaren Skala voraus.Wir konnten auf der Basis modernster ab-initio-Computersimulationen zeigen, dass die Passivierung von Halbleiteroberflächen, beispielsweise mit Wasserstoff, es der spinpolarisierten Rastertunnelmikroskopie ermöglicht, diese Wechselwirkungsprozesse mit atomarer Ortsauflösung abzubilden und zu vermessen. Entscheidend hierbei ist, dass durch die Passivierung die Volumeneigenschaften der magnetischen Defekte auch nahe der Oberfläche erhalten bleiben, was beispielsweise in aktuellen Experimenten an Mn-dotiertem GaAs nicht der Fall ist. Im Gegensatz zu den üblichen spektroskopischen Verfahren wie der Elektronenspinresonanz oder dem zirkularen magnetischen Röntgendichroismus erlaubt es das von uns vorgeschlagene Verfahren, unmittelbar zu sehen, warum Ferromagnetismus in Si schwerer zu erreichen ist als in GaAs.
Mehr dazu: Phys. Rev. B 92, 100407(R) (2015)
Wachstumsabhängigkeit der thermisch induzierten Spinakkumulation in Aluminium/Heusler-Kontakten
Epitaktische Al/Heusler-Systeme können als thermisch betriebene Spininjektoren dienen. Wir haben die thermodynamische Stabilität möglicher Grenzflächen und die elektronischen Transporteigenschaften solcher Systeme mit ab-initio-Verfahren untersucht.
Es hat sich gezeigt, dass die Grenzfläche zwischen Al und epitaktisch aufgewachsenen Heuslerlegierungen des Typs Co2TiZ (Z=Si oder Ge) unter verschiedenen Wachstumsbedingungen stabil ist. Weiterhin haben wir herausgefunden, dass der spinabhängige Seebeck-Koeffizient in Al/Heusler/Al-Systemen stark von der verwendeten Heuslerlegierung und der atomaren Zusammensetzung der Grenzfläche abhängt. Es ist also grundsätzlich möglich, die spinkalorischen Eigenschaften solcher Systeme durch geeignete Wachstumsbedingungen gezielt zu beeinflussen.
Mehr dazu: Phys. Rev. B 89, 184422 (2014)
Große magnetische Anisotropie des Seebeck-Effekts in Cu/Co/Cu-Systemen
Die longitudinale Thermospannung in Cu/Co/Cu-Systemen hängt in oszillierender Weise von der Anzahl atomarer Co-Lagen ab, was eine Konsequenz der sich ausbildenden Quantum-Well-Zustände im Minoritätsspinkanal ist. Darüber hinaus wird sie stark von der Magnetisierungsrichtung der Probe beeinflusst (siehe Grafik).
Die resultierende Magnetothermospannung (MTP) ist viel größer, als man es vom gewöhnlichen anisotropen Magnetowiderstand (AMR) erwarten würde. Unsere Berechnungen im Rahmen der spinpolarisierten Korringa-Kohn-Rostoker-Greensfunktionsmethode, ergänzt um die Landauer-Büttiker-Formel für den elektronischen Transport, stellen einen direkten Zusammenhang zwischen der Größe des MTP-Signals und der Asymmetrie des AMR nahe der Fermi-Energie her. Eine Erhöhung der MTP auf dieser Basis bietet die Möglichkeit, effiziente thermoelektrische Leseköpfe mit nur einer ferromagnetischen Schicht herzustellen.
Mehr dazu: Phys. Rev. B 88, 104425 (2013)