Anthropomorphe Tutoren für Lernprozesse in mit Web 2.0-Technologie unterstützten Lehr-/Lernszenarien
Lösungsweg
Wie aus der Erforschung der Mechanismen der visuellen Eindrucksbildung hervorgeht, liegt die tiefere Ursache der aversiven Gefühlsreaktion, die von menschlich aussehenden Avataren regelmäßig ausgelöst wird, in einer Diskrepanz zwischen einem ansprechend gestalteten äußeren Erscheinungsbild und einem als "unnatürlich" empfundenen Bewegungsverhalten. Weit schwieriger allerdings als die Erzeugung eines photorealistisch menschlichen Aussehens ist nun aber die Gestaltung eines nonverbalen Verhaltens, das vom Betrachter als natürlich empfunden wird. Zumal bis heute ungeklärt ist, welches die spezifischen Merkmale sind, die menschliches Bewegungsverhalten als "natürlich" erscheinen lassen. Eine Beseitigung der Inkongruenz zwischen dem aus der Humankommunikation gewohnten nonverbalen Verhalten und dem von Avataren Dargebotenen ist folglich nur dadurch möglich, dass die Gestaltung des Bewegungsverhaltens von Avataren auf der Basis einer Methode erfolgt, die in der Lage ist, das hochkomplexe menschliche Bewegungsverhalten naturgetreu abzubilden und die für die Eindrucksbildung maßgeblichen Merkmale herauszuarbeiten.
Mit dem Berner System zur Kodierung nonverbaler Interaktion steht seit Ende des vergangenen Jahrhunderts erstmals eine Methode zur Verfügung, die es möglich macht, das nonverbale Kommunikationsverhaltens so hoch differenziert und zuverlässig zu beschreiben wie dies im Falle der Sprache mit Hilfe des Alphabets möglich ist. Durch die Einbeziehung neuerer Ergebnisse der Kommunikationsforschung, die zu erkennen geben, dass spezifische nonverbale Verhaltensmerkmale die Eindrucksbildung im Sinne von Schlüsselreizen prägen, wird die Bedeutung dieser methodologischen Innovation noch gesteigert. Und zwar indem diese ein neues Licht auf die soziale Beziehungsebene zwischen Interaktionspartnern werfen, die auch bei der Informationsvermittlung zwischen Tutor und Lernendem eine zentrale Rolle spielt. Ein Hauptgesichtspunkt ist dabei, wie Lehrer bzw. Tutoren von den Lernenden wahrgenommen werden und welche Auswirkungen dies auf die Lernbereitschaft ausübt. Durch die Herausfilterung derjenigen Verhaltensmerkmale, die zu bestimmten Eindrucksurteilen führen, können prinzipiell Avatare gestaltet werden, die das Verhalten von Lehrpersonen nachzubilden vermögen, die von den Lernenden als kompetent und sympathisch wahrgenommen werden und dadurch in der Lage sind, die hoch aversive Uncanny Valley-Reaktion zu unterbinden, an der die Nutzbarmachung anthropomorpher Avatare bisher immer wieder scheiterte.
Dieses Vorhaben wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und aus dem Europäischen Sozialfonds der Europäischen Union gefördert.