Perspektiven junger vietnamesischer Deutscher
Perspektiven junger vietnamesischer Deutscher
Beteiligte Forschende: Dr. Jessica Schwittek, Prof. Dr. Alexandra König
Laufzeit: fortlaufend seit 2021
Projektbeschreibung
Migrant*innen aus Vietnam werden oft als angepasste, bildungserfolgreiche „Model Minority“ cha-rakterisiert, deren Nachwuchs trotz ungünstiger Voraussetzungen hohe Bildungsabschlüsse und sozialen Aufstieg erreicht (Hoang 2020). Gleichzeitig werden die Gruppe und ihre Lebenswelten häufig als „unsichtbar“ beschrieben. Das spiegelt sich auch in der Wissenschaft, und die wenigen vorliegenden Studien zu jungen viet-deutschen fokussieren meist das Thema Bildung und Bildungserfolg. Das Projekt „Perspektiven junger vietnamesischer Deutscher“ leistet einen Beitrag dazu, junge Viet- Deutsche selbst zu Wort kommen zu lassen und die Vielfalt und Komplexität ihrer Lebenswelten zu verstehen.
Das Projekt ist eingebettet in einen größeren Forschungszusammenhang zum Aufwachsen in asiatischen Gesellschaften sowie in asiatischen Communities in Deutschland. Theoretischer Ausgangspunkt ist das heuristische Konzept generationaler Solidaritätsmuster, die – holzschnittartig gesprochen – in asiatischen Gesellschaften häufig interdependent angelegt sind und für in westlichen Gesellschaften meist independent. Die beiden Muster implizieren jeweils unterschiedliche Vorstellungen intergenerationaler Beziehungen und gegenseitiger Erwartungen und Verpflichtungen zwischen den Altersgruppen und unterschiedlichen normativen Bezugspunkten (bspw. der „filial piety“ im interdependenten Modell und der „guten Kindheit“ im independenten Modell, Bühler-Niederberger 2021).
Asiatisch-europäische Migrationskontexte, beispielsweise der vietnamesisch-deutsche, sind deswegen ein spannendes Forschungsfeld, weil in den Familien häufig beide Solidaritätsmuster und die entsprechenden kulturellen Vorstellungen relevant sind, die zwischen den Familienmitgliedern austariert und balanciert werden müssen. Das Projekt interessiert sich für die Aushandlungsprozesse in den Familien, und arbeitet die kreativen, individuellen und kulturell hybriden Lösungen heraus, die junge Menschen und ihre Angehörigen für diese (nicht nur) migrationsbedingte Herausforderung finden. Relevant sind hier insbesondere auch migrationsgesellschaftliche Bedingungen, die für diese Aushandlungsprozesse sowohl Hürden als auch Ermöglichungsräume enthalten. Bisher wurden sechs narrative Interviews mit jungen Viet-Deutschen geführt und ihre Perspektiven auf ihr Aufwachsen, familiale Beziehungen, Bezüge nach Vietnam sowie biographische Erfahrungen und Entscheidungen rekonstruiert.
In Planung ist eine Erweiterung der Studie, die sich stärker mit den (formalen) Strukturen vietnamesischer Communities in Deutschland beschäftigt, wie beispielsweise Vereine und Migrant*innenselbstorganisationen.
Publikationen aus dem Projekt
Schwittek, J.; Bühler-Niederberger, D. & Labuda, K. (forthcoming). “In this way my parents could really develop” – Individualized Interdependence in Viet-German families. In: D. Bühler-Niederberger, X. Gu, Schwittek, J. and E. Kim, (Ed.) The Emerald Handbook of Childhood and Youth in Asian Societies. Emerald Publishing.