Unterrichtswerkstatt Informatik
Ausgangslage und Zielsetzung
Wesentliches Ziel eines jeden Lehramtsstudiums ist es, Studierende mit den unterschiedlichen Kompetenzen auszustatten, derer es bedarf, um im jeweiligen Fach motivierenden und zielgruppengerechten Unterricht zu gestalten. Bei der konkreten Planung von Unterricht (im Vorhaben ausgeführt am Beispiel der Informatik) sind vielfältige Rahmenbedingungen zu berücksichtigen (z.B. externe wie Lehrpläne, Zentralabitur-Vorgaben etc. und interne, wie verfügbare IT-Infrastruktur (Hardware, Software), Zielgruppe (z.B. Alter, Anteile m/w, Lernbiographien u.a.)). Anschließend sind auf der Basis dieser und anderer Rahmenbedingungen und Ziele zahlreiche Entscheidungen zu treffen, z.B. bzgl. des zeitlichen und inhaltlichen Ablaufes oder der zu verwendenden Methoden und Medien. Unterrichtliche Geschehnisse erfordern zudem spontane Planungskorrekturen. Inwieweit eigene Planungen erfolgreich waren, zeigt sich häufig erst nach der Reflexion des Verlaufes einer Unterrichtseinheit und ggfs. einer Überprüfung des Lernerfolges.
Für Novizen im Lehramt kann der Prozess des Vorbereitens von Unterrichtsprozessen und des Reagierens auf unterrichtliche Ereignisse als Problemlösungsprozess charakterisiert werden, für den sie erst durch genügend eigene Unterrichts- und Vorbereitungspraxis entsprechendes Handlungswissen für immer mehr typische Unterrichtssituationen erwerben.
Dieses Projektvorhaben verfolgte das Ziel, das Erfahrungswissen von Lehramtsstudierenden in unterschiedlichen Studienphasen sowie von Referendarinnen, Referendaren und ausgebildeten Lehrkräften zur Unterrichtsvorbereitung zu explizieren, als E-Learning-Ressource aufzubereiten und mit dem Ausbildungsprozess in der ersten und ggfs. zweiten Phase zurückzukoppeln.
Ein wichtiges Ziel war an dieser Stelle das Sichtbarmachen der strategischen Entscheidungen für die Planung von Unterricht unter Berücksichtigung der entsprechend geltenden Rahmenbedingungen. Dies kann durch Feedback in fest angeleiteten Übungen, Peer Review in offen gestalteten Aufgaben oder durch Studium von professionell geplanten Entwürfen stattfinden.
Projektverlauf
Aufgrund der genannten Zielsetzungen wurde ein kleinschrittiges Vorgehen gewählt, welches vorsah, das Projektziel in mehreren Etappen zu erreichen. Um die Wiederverwendbarkeit des Projektes zu erhöhen, wurden alle Teilziele als plattformunabhängige SCORM-Module implementiert und in den Moodle-Kurs „Unterrichtswerkstatt Informatik“ integriert.
In einem ersten Schritt wurde eine Lerneinheit zum sinnvollen Ordnen möglicher Unterrichtsschritte entwickelt. Die Teilnehmer müssen hier für eine fiktive Unterrichtsstunde
zu einem festgelegten Thema aus einem vorgegebenen Pool möglicher Unterrichtsschritte eine sinnvolle Abfolge definieren. Für jede Aufgabe sind mindestens zwei alternative Lösungen möglich. Beim schlussendlichen Überprüfen der Schrittfolge wird den Teilnehmern durch farbige Umrandungen angezeigt, ob ihre Schrittfolge sinnvoll erscheint. Sollten Bausteine nicht zusammenpassen, wird ein entsprechendes Feedback gegeben (siehe Bild).
Um mechanisches Durchprobieren zu vermeiden, wurde ein Punktesystem eingeführt, welches bei falsch geordneten Sequenzen Punkte abzieht. Problematisch war an dieser Stelle die thematische Vielfalt. Einem Großteil der Studenten fehlt zum Zeitpunkt der ersten didaktischen Veranstaltung tiefergehendes Fachwissen über alle schulrelevanten Themen. Daher wurden nur zwei Inhaltsfelder aus dem aktuellen Kernlehrplan NRW ausgewählt (Daten und ihre Strukturierung und Algorithmen) und jeweils 4 Beispiele generiert. Für jedes bearbeitete Szenario werden die erreichten Punkte gespeichert und können von den Studenten in einer Tabelle eingesehen werden.
Aufbauend auf diesen Ergebnissen wurde eine Vorlage für eine detaillierte tabellarische Stundenplanung entworfen. Die Kursteilnehmer haben hier die Möglichkeit, ihr Wissen über Unterrichtsschritte in gröbere Phasen zu ordnen, mit einer Zeiteinteilung zu versehen, sowie Sozial- und Aktionsformen zu bestimmen. Aufgrund besserer Übersichtlichkeit geschieht dies unter Zuhilfenahme farbiger Bausteine, welche beliebig in der Tabelle verschoben werden können. Die fertigen Planungen werden lokal gespeichert und können von den Studenten für einen späteren Peer-Review-Prozess wiederverwendet werden. Im Gegensatz zum vorherigen Teilziel werden hier keine konkreten Unterrichtsschritte vorgegeben, die es zu sequenzieren gilt, sondern die Studenten erhalten die Möglichkeit diese selber mit Inhalten zu füllen. Diese Übung baut auf den erworbenen Kenntnissen im Bereich des Ordnens möglicher Unterrichtsschritte auf und wurde bewusst offener gestaltet, um den Studierenden entsprechende Planungsfreiheiten einzuräumen.
In einer letzten Phase wurde unter Zuhilfenahme einer externen Datenbankanbindung die Möglichkeit geschaffen, fertige Unterrichtsentwürfe abzuspeichern sowie unter Zuhilfenahme entsprechender Kriterien wie Raumszenario, sozialem Umfeld und Unterrichtsthema wieder abzurufen. Diese Unterrichtsentwürfe stammen sowohl von Lehramtsanwärtern des ZfsL Essen als auch aus Begleitveranstaltungen, in welchen sie entworfen und bewertet worden sind. Den Kursteilnehmern wird damit ein stetig wachsender Fundus an Unterrichtsentwürfen
für das Fach Informatik zur Verfügung gestellt. Sie erfahren, welchen Einfluss interne und externe Faktoren auf die schlussendliche Planung haben und wie Fortgeschrittene bzw. Experten anhand dieser Faktoren zu einer strukturierten und didaktisch-begründeten Planung gelangen. Zusätzlich fließt das Vorwissen über den tabellarischen Stundenablauf in die detaillierte Planung ein. Damit die Sammlung von Unterrichtsentwürfen auch in Zukunft einfach zu verwalten und erweitern ist, wurde eine Eingabemaske für die Datenbank erstellt.
Als Schwierigkeit hat sich hier die Anbindung der Eingabemaske an eine externe Datenbank ergeben, da hierzu auf ein von Moodle unabhängiges System zugegriffen werden muss.
Abgleich des fertigen Produkts mit der Zielsetzung
Beschriebenes Ziel des Projektes war die schrittweise Heranführung der Studierenden an die detaillierte Unterrichtsplanung im Fach Informatik. Dies sollte unter anderem durch die Zuhilfenahme professioneller Planungsstrategien geschehen und damit als Problemlösungsprozess charakterisiert werden. Durch die beschriebenen Übungen „Ordnen der Unterrichtsschritte“, „tabellarischer Stundenentwurf“ und „Entwurfssammlung“ werden die Lernenden schrittweise vom eng geführten und angeleiteten Lernen zum offenen Lernen mit Peer-Review und Reflexionsprozessen geführt. Besonders das Erstellen von Unterrichtsentwürfen für die Einheit „Entwurfssammlung“ bringt Studenten in die Lage, ihre Entwürfe sowohl fachlich als auch fachdidaktisch zu begründen und ermöglicht so ebenfalls eine Reflektion dieses Prozesses. Die anschließende Diskussion deckt Probleme und Fehlkonzepte bei der Unterrichtsplanung auf, die im Rahmen des Feedbacks erkannt und besprochen werden können. Die durch dieses Vorgehen erarbeiteten Unterrichtsentwürfe werden als „best-practice“ Beispiele in die „Entwurfssammlung“ eingepflegt und so den folgenden Kohorten zur Verfügung gestellt.
Fazit und Ausblick
Im Rahmen des geförderten Projektes wurde ein Werkzeug geschaffen, welches der Universität erlaubt, auf einen wichtigen Ausbildungsteil des Vorbereitungsdienstes gut vorzubereiten. Viele Anwärter stehen zum ersten Mal während des Referendariats vor der Notwendigkeit einer ersten detaillierten Unterrichtsplanung, die bis dahin nicht ausführlich eingeübt wurde. Vielfach wird ebendiese schlechte Vorbereitung auf die Anforderungen, die an Referendare in der Praxis gestellt werden, bemängelt. Das erstellte E-Learning-Werkzeug besitzt das Potential diesen Mangel in Teilen auszugleichen. Das Einarbeiten weiterer Unterrichtsentwürfe in die Datenbank wird ab sofort ständige Aufgabe sein, um somit einen hinreichenden Fundus für die Ausbildung zu schaffen. Dabei wird auch auf die Kooperation mit dem ZfsL Essen gebaut.
Durch die plattformunabhängige Implementierung kann die „Unterrichtswerkstatt Informatik“ nicht nur unabhängig von Moodle eingesetzt werden. Auch eine Übertragung der Module für andere Unterrichtsfächer scheint sinnvoll, da bestehende Strukturen übernommen werden können und „nur“ mit Inhalten gefüllt werden müssen. Als weiterführende Arbeit für das Projekt „Unterrichtswerkstatt Informatik“ steht die Einarbeitung weiterer Themenfelder aus dem Lehrplan sowie eines Moduls zur methodischen Gestaltung des Informatikunterrichts an.