Abteilung für die Neuere und Neueste Geschichte
Aktuelle Forschungsprojekte
Gina Beckmann
Große Gefühle in kleiner Form
Liebe und Sexualität in Berliner Zeitungen der Klassischen Moderne
Das Projekt untersucht die Darstellung der Lebensbereiche Liebe und Sexualität in Berliner Zeitungen der Klassischen Moderne, indem es die Zeiterfahrung der Akteur*innen in Abkehr von festen und sich voneinander abgrenzenden Liebessemantiken ideengeschichtlich nachvollzieht. Insbesondere wird das Wechselspiel von literarisch-künstlerischen Entwürfen und erlebten Alltagsrealitäten analysiert.
Das intersektional ausgerichtete Quellenkorpus fokussiert auf unterschiedliche Textformen und bietet somit einen erweiterten Quellenzugang. Der transkulturelle Vergleich reflektiert dabei die generierten Erkenntnisse auf internationalem Niveau und soll dazu dienen, die vermutete Vielfältigkeit der Liebes- und Beziehungskonzepte sowie daraus entstandene Mischformen – besonders als Metropolenphänomen – zu untersuchen.
Marcus Coesfeld, M.Ed.
Kampfsport im Deutschen Reich
Die Geschichte der Kampfsportarten im Deutschen Reich ist bislang kaum erforscht. Bei dem Projekt handelt es sich um eine kulturhistorische Betrachtung der öffentlichen Debatten um die Sportarten Boxen, Ringen, Jiu-Jitsu, Judo und Fechten.
Lena Heerdmann, M.A.
Wörter sammeln – Heimat bewahren: Die Heimat- und Wissenspraktiken eines niederrheinischen Volksschullehrers und ‚Mitarbeiters‘ des Rheinischen Wörterbuchs (1910–1957)
Die nicht-akademische Heimatforschung erfreute sich als Freizeitbeschäftigung in (klein)bürgerlichen Kreisen zu Beginn des 20. Jahrhunderts großer Beliebtheit. Hierzu zählte auch die Mitarbeit an Sammelprojekten wie dem Rheinischen Wörterbuch. Insbesondere Volksschullehrer:innen engagierten sich ehrenamtlich in der Dialektforschung, sandten ihr Material ein und füllten Fragebogen aus. Das Dissertationsprojekt fragt, welchen Beitrag die Auswertung der Aufzeichnungen eines weitgehend unbekannten ‚Wörtersammlers‘ zu einer Wissensgeschichte des heimatkundlichen Milieus am Niederrhein, zur Erforschung der Produktion von ‚Heimat‘ in alltäglichen, auf den lokalen Raum bezogenen Praktiken ebenso wie zu einem praxeologischen Verständnis der Zirkulation von Wissen über ‚Heimat‘ leisten kann.
Angela Luise Heinemann
Gemeinschaft bewahren in ungewisser Zukunft-Turner und Burschen im frühen 19.Jahrhundert (1811-1820)
Die Berliner Turner und die Jenaer Urburschenschaft bildeten völlig neue Formen von Gemeinschaft aus und waren höchst heterogene Gruppen, was die führenden Protagonisten vor eine schwierige Aufgabe stellte. Der Zusammenhalt musste gestärkt, ein einheitliches Denken und Fühlen befördert werden. Vor diesem Hintergrund untersucht das Dissertationsprojekt verschiedene Stabilisierungspraktiken, wie beispielsweise das Singen patriotischer Lieder. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Rolle und Funktion von Gefühlen und Emotionen.
Moritz Herzog-Stamm
Die Gegenwart ordnen, die Zukunft schaffen. Die politischen Beamten Badens und Preußens, 1918-1932
Die Beamtenschaft des Kaiserreichs und seiner Gliedstaaten überstand die Novemberrevolution 1918/19 bekanntermaßen recht unbeschadet. Ein großflächiger Austausch der „alten Verwaltung“ unterblieb, sodass sich die wilhelminisch sozialisierte Beamtenschaft plötzlich als Diener eines neuen Staates wiederfand. Das Projekt nimmt diese Kontingenzerfahrung als Ausgangspunkt und fragt am Beispiel der Verwaltungseliten Badens und Preußens nach den Strategien, mit denen die Akteure versuchten, nach der Revolution Handlungsfähigkeit und Deutungshoheit über das Geschehen wiederzuerlangen. Besonders im Fokus steht hierbei die Selbstverortung der alten Beamtenschaft im „neuen Staat“ und damit verbunden die Frage danach, wie versucht wurde, tradierte Vorstellungen von Verwaltung und Beamtentum erfolgreich mit der neuen republikanischen Staatsform zu synchronisieren.
Max Keilhau
Mediale Kontroversen um geschlechtliche (Un-)Eindeutigkeit. Transsexualität und Transvestitismus in der Medienberichterstattung der BRD (1970-2000)
Die Möglichkeiten geschlechtsanpassender Operationen wurden in der BRD seit den 1970er Jahren zunehmend popularisiert. Zugleich forderten Phänomene geschlechtlicher Ambiguität die medialen Beobachtungsinstanzen heraus, schien doch die Anwendung tradierter Zuordnungsmechanismen – in der binären Codierung ‚Frau/Mann‘ – zu misslingen. Im Jahr 1980 folgte mit der Verabschiedung des sogenannten Transsexuellengesetzes (TSG) ein legislativer Kulminationspunkt, der Geschlechtsanpassungen eine juristische Form gab. Zielsetzung des Dissertationsprojektes ist es, die medialen Beobachtungsformen und Narrative über Transsexualität und Transvestitismus in Printmedien sowie Fernseh- und Radiobeiträgen zu dechiffrieren.
Constantin März
Vorhersagen des „Undenkbaren“. Produktion, Charakter und Funktion von Nuklearkriegsszenarien als Kontingenzbewältigung in den USA des Kalten Krieges (1957 - 1987)
Die Existenz von nuklearen Massenvernichtungswaffen und der (zumindest) ideell existente Willen zu deren Einsatz erzeugten im Kalten Krieg immense Kontingenzüberschüsse. Das Forschungsprojekt betrachtet hierbei Szenarien der nuklearen Eskalation als Lösungskonzepte, mit denen dieses Übermaß an Zukunft bewältigt wurde oder bewältigt werden sollte. Es richtet dabei den Blick auf jene Akteure und Institutionen, die mit der übergeordneten Praxisform des Erstellens von Szenarien beschäftigt waren. Dabei drehte es sich letztlich um den vermeintlichen Tag X und die Frage nach einer/der Zukunft danach. Zentraler Untersuchungsgegenstand sind somit Kalkulationen des Nuklearkrieges, die in der U.S.-amerikanischen Öffentlichkeit, Wissenschaft und politisch-militärischen Sphäre zwischen 1957 und 1987 zirkulierten.
Dr. Anna Michaelis
„Her mit dem guten Leben!“ – Eine transnationale Geschichte der Wellness seit den 1970er bis in die frühen 2000er Jahre
Wellness erscheint in den auf „singularisierte Lebensführung“ ausgerichteten westlichen Gesellschaften der Spätmoderne (Andreas Reckwitz) allgegenwärtig. Wir machen Wellnesswochenenden, essen wellnessfördernde Kost, tragen Wellnesskleidung, nehmen Wellnessbäder. Das Habilitationsprojekt verfolgt die Anfänge des Phänomens Wellness bis in die 1960er Jahre zurück, als Halbert L. Dunn mit seinem Konzept der High-Level-Wellness (1961) eine erste Systematisierung von körperlichem, emotionalem und mentalem Wohlbefinden vornahm. Institutionelle Gründungen insbesondere diverser Wellness Center im universitären Umfeld fanden seit den späten 1970er Jahren statt. Nach und nach setzte auch die Kommerzialisierung der Wellness ein, die spätestens in den 1990er Jahren zu einem boomenden Markt wurde.
Das Habilitationsprojekt untersucht mit einem Fokus auf den USA und Deutschland die Geschichte der Wellness als eine Verflechtungsgeschichte im Kontext von gesellschaftlichen Wandlungsprozessen und sich verändernden Körper- und Subjektverhältnissen bis in die 2000er Jahre hinein.
Hendrik Schemann
Der Central-Verein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens 1933-1938: Ausbrechen aus der Nation – Aufbrechen in die Welt
Der Central-Verein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens (C.V.) entwickelte sich von seiner Gründung 1893 bis hin zu seiner Zwangsauflösung 1938 zeitweise zur größten Organisation des deutschen Judentums. In ihm fanden sich die akkulturierten deutschen Jüdinnen und Juden zusammen und kämpften für den Erhalt ihrer rechtlichen Emanzipation und gegen jede Form des Antisemitismus. In der NS-Zeit konnten sich der C.V. und seine Mitglieder angesichts zunehmenden Verfolgungsdrucks auch einer transnationalen Vernetzung nicht verschließen: zum einen, um den Emigrationsforderungen der Mitglieder nachzukommen, zum anderen, um weitere Verbündete im eigenen Existenzkampf zu finden. Das Projekt fragt nach dieser zunehmenden nationalen und transnationalen Vernetzungen des C.V. und ihrer Bedeutung für die Handlungen und Zukunftsvorstellungen des Vereins in Zeiten größter Bedrängnis.
Anna Maria Schmidt
Von den Chancen und Risiken des Erbsenzählens. Gentechnologie als Fall menschen-gemachter Kontingenz
Aufgrund eines seit den ausgehenden 1970er Jahren gemeinsam empfundenen Informationsdefizits gründeten sich zahlreiche gesellschaftliche Akteursgruppen, die Wissen über die Chancen und Risiken der Gentechnologie sammelten, organisierten und verbreiteten. Die Entstehung dieser Initiativen, ihre Organisations- und Kommunikationsstrukturen, die Formen der Wissenssammlung und –organisation sowie ihre politischen Einflussmöglichkeiten stehen im Zentrum des Dissertationsprojekts.
abgeschlossene Forschungsprojekte
Prof. Dr. Frank Becker
"Menschenökonomie". Arbeitswissen und Arbeitspraktiken in Deutschland 1925-1945
Seit dem Ersten Weltkrieg wurde die menschliche Arbeitskraft zunehmend als eine Ressource begriffen, die nachhaltig bewirtschaftet werden musste. Unterschiedliche Formen des Vorsorgehandelns sollten sicherstellen, dass die Arbeitenden nicht ausbrannten, sondern ihre Arbeitsenergie dauerhaft behielten. Das Projekt untersucht dieses Vorsorgehandeln am Beispiel der Weimarer Republik und der NS-Zeit.
Arno Barth
Der lange Weg „des Westens" zum Bevölkerungsaustausch von Lausanne
Dieses Projekt soll der Frage nachgehen, wie und warum es in den frühen 1920er Jahren zu dieser völkerrechtlich sanktionierten Zwangsmigration von über 1,5 Millionen Menschen kam. In den Mittelpunkt stellt die Studie dabei die Rolle der westlichen Hauptalliierten des Ersten Weltkrieges und der entstehenden internationalen Gemeinschaft, institutionalisiert durch den frühen Völkerbund.
Dr. Antonia Gießmann-Konrads
England im politischen Humor deutscher Karikaturen
Das Dissertationsprojekt beschäftigt sich damit, wie England im politischen Humor deutscher Karikaturen wahrgenommen wurde. Anhand dreier Fallbeispiele im Zeitraum von 1853 bis 1902 werden Entstehungsbedingungen und Wandel des englandbezogenen Humors untersucht. Welche Funktion er dabei als Kommunikationsmedium übernahm, ist von besonderem Interesse. Methodisch baut die Arbeit auf Erkenntnisse der aktuellen Humorforschung auf.
Dr. Darius Harwardt
Amerikabilder deutscher Rechtsintellektueller in der Bundesrepublik
Das Forschungsprojekt untersucht die ideologischen Modernisierungsbestrebungen rechtsintellektueller Netzwerke in der Bundesrepublik anhand ihrer Amerikabilder. Amerikabilder werden als analytische Sonde verstanden, um einen Zugriff auf das politische Selbstverständnis verschiedener Rechtsintellektueller zu erhalten. Anhand von Fallbeispielen wie der Debatte um den NATO-Doppelbeschluss Anfang der 1980er Jahre oder dem 11. September 2001 und den daran anschließenden Irakkrieg wird gefragt, wie und in welchen Kontexten Amerikabilder zur Anwendung kamen und welche politischen Deutungen damit transportiert wurden.
Dr. Anna Strommenger
Zwischen revolutionärem Aufbruch und nationaler Integration. Heimatkonzepte der deutschsprachigen sozialistischen Arbeiterbewegung (1863-1933)
Das Dissertationsprojekt fragt nach der Bedeutung verschiedener Heimatkonzepte in der deutschsprachigen sozialistischen Arbeiterbewegung. Von besonderem Interesse ist dabei das Wechselspiel der Lancierung alternativer Konzepte von Heimat einerseits, der Adaption bürgerlicher Konzepte von Heimat andererseits. Ein solches Forschungsvorhaben ermöglicht nicht allein eine umfassendere Bewertung der virulenten Heimatdiskurse in Kaiserreich und Weimarer Republik, sondern erlaubt es ebenfalls, den aktiven Umgang der Arbeiterbewegung mit Zukunftsunsicherheit zu problematisieren.