Gesellschaft, Bildung und Soziales
Am sechsten Hauptforschungsfeld „Gesellschaft, Bildung und Soziales“ sind die Gesellschaftswissenschaften sowie die Bildungs- und Geisteswissenschaften beteiligt. Grundlegend für dieses Forschungsfeld ist die Annahme, dass sich in der Ausgestaltung von Städten, Metropolen und Megacities die (Neu)Gestaltung von Gesellschaft bzw. der gegenwärtigen Gesellschaftsform vollzieht. Der Wandel der Gesellschaft ist folglich Ausdruck und Ausgang des Wandels der Stadt bzw. des urbanen Raums. Stadt ist damit einerseits Produkt der jeweiligen Gesellschaft und zugleich Quelle ihrer Veränderung.
Vor dem Hintergrund dieser Annahme werden im Hauptforschungsfeld „Gesellschaft“ die Phänomene des gesellschaftlichen Zusammenlebens der Menschen im urbanen Raum, der urbane Raum als Bildungs- und Erziehungsort und der gesellschaftliche Einfluss auf die Ausgestaltung des urbanen Raums untersucht. Es werden sowohl die Struktur und Funktion sozialer Verflechtungszusammenhänge von Institutionen und Systemen als auch deren Wechselwirkung mit den Handlungs- und Verhaltensprozessen der einzelnen Individuen (Akteure) hinterfragt und analysiert. Zugleich werden die räumlichen Praktiken der Akteure, bspw. in Bildungs- und Erziehungsinstitutionen rekonstruiert, mit denen der urbane Raum (re)produziert wird. U.a. stehen Fragestellungen zur Steuerbarkeit urbaner Modernisierungsprozesse, an denen eine Vielzahl von Akteuren mit unterschiedlichen Handlungslogiken und mit unterschiedlichem Verständnis von nachhaltiger Entwicklung beteiligt ist, und Fragen der bildnerischen Gestaltung des urbanen Raumes im Mittelpunkt des Interesses.
Für Forschungen zu Möglichkeiten, inwieweit Realisierungsprozesse nachhaltiger Stadtquartiere zu verbessern sind, spielen neben den Leitdisziplinen dieses Forschungsfeldes allerdings auch naturwissenschaftliche und technologische Forschungen eine wichtige Rolle:
Bei der Fragestellung, welche gesellschaftlichen Formen und Ausprägungen unter Beteiligung welcher Akteursgruppen und unter welchen Rahmenbedingungen den Neubau/Umbau von nachhaltigen Stadtstrukturen fördern, ist das Zusammenspiel mehrerer im Profilschwerpunkt vertretenen Fachdisziplinen und Fakultäten sinnvoll und notwendig. In den Bereichen der kommunalen Dienstleistungserbringung, der kommunalen Umweltverwaltung im ländlichen Raum in Deutschland und China, der Forschung zu Kommunalisierungsprozessen, der kommunalen Bürgernähe oder zu lokalen Governance-Strukturen zur Anpassung an den Klimawandel (DynAKlim, siehe Ausführungen weiter unten) sowie zur Urbanen (Re)Produktion der Sozialen Arbeit und zu weiteren Themenfeldern sind zahlreiche Projekte (u.a. bei der DFG) abgeschlossen, erfolgreich beantragt worden oder befinden sich in der Begutachtung.
In jüngerer Zeit bildet sich innerhalb des Forschungsfeldes der Arbeitsbereich „Bildung und Soziales“ heraus, der nicht zuletzt von einigen kürzlich berufenen Wissenschaftler*innen aus den bildungs- und gesellschaftswissenschaftlichen Bereichen der UDE getragen wird. Im Zentrum des grundlagenorientierten Forschungsinteresses steht eine Analyse der veränderten Muster urbaner Bildungs- und Sozialräume. Der urbane Raum wird in den vergangenen Jahren verstärkt in seiner Gestalt als Konglomerat von Bildungs- und Sozialräumen in den Blick genommen. Vor allem kleinräumige Einheiten rücken bildungs- und sozialpolitisch zunehmend in den Fokus: Soziale Probleme werden in Probleme einzelner Quartiere übersetzt und Bildungsfragen in die Zuständigkeit kommunaler Bildungslandschaften verwiesen. Demgegenüber zeigen sich in den Tendenzen der Medialisierung, Globalisierung und Informalisierung von Sozial- und Bildungsräumen vielschichtige Phänomene ihrer Entgrenzung an. Diese spannungsreichen und auch widersprüchlichen Prozesse der Neuskalierung von Bildung und Sozialem sind noch wenig bekannt. Entsprechend entbehren die vielfältigen politischen Entscheidungen in diesen Bereichen häufig einer systematischen Erkenntnisgrundlage. Zur Schließung dieses Desiderats werden die laufenden und geplanten Forschungsarbeiten in diesem Forschungsfeld Entscheidendes beitragen können.
Daher stehen im Bereich „Bildung und Soziales“ die Fragen nach der räumlichen Neuformatierung von Bildung und Sozialen im urbanen Raum im Mittelpunkt des Interesses. In einem aktuellen DFG-Forschungsprojekt werden dazu schulische Strategien der räumlichen Rahmung und Verankerung von Bildungsprozessen untersucht und ein kurz vor der Antragsreife stehendes weiteres DFG-Projekt geht der Frage nach der urbanen Raum(re)Produktion Sozialer Arbeit nach. Zwei weitere Verbundprojekte zielen auf die Rekonstruktion der veränderten urbanen Unterstützungs- und Hilfsstrukturen: In einem bei der VW-Stiftung beantragten nationalen Verbund stehen die neuen städtischen Armutskulturen im Zentrum des Interesses (under review) und der als Exzellenzcluster in Vorbereitung befindliche internationale Forschungsverbund „Urban Times: Globalizing City Regions Confront the Crisis“ zielt auf die Rekonstruktion der veränderten urbanen Räume im Kontext der aktuellen Transformationen.
Mit der grundlegenden Transformation der nationalstaatlichen Raumordnungen, wie wir sie seit dem letzten Drittel des 20. Jahrhunderts und zugespitzt in den vergangenen Jahren vor allem in den OECD-Staaten erleben, ist die Frage der Gestaltung der Bereiche von Bildung und Sozialem zu einer der zentralen Herausforderung geworden, mit der über die Zukunft der urbanen Systeme entschieden werden wird. Daher kommt dem weiteren und fokussierten Ausbau dieses Forschungsfeldes als zentraler Säule innerhalb des Profilschwerpunkts Urbane Systeme für die nächste Zeit die höchste Priorität zu. Die gegenwärtige Dynamik hin zu einer zunehmenden Forschungsprofilierung der Fakultät für Bildungswissenschaften legt hierfür einen entscheidenden Grundstein.