Pressemitteilung der Universität Duisburg-Essen
Von Bougainville lernen
[02.12.2015] Wie verhindert man Krieg? Schaut man auf die aktuellen Konflikte scheint eine Antwort unmöglich. Die meisten Maßnahmen, auch die der UN, sichern keinen dauerhaften Frieden. Ein neues Forschungsprojekt an der Universität Duisburg-Essen (UDE) untersucht, warum es die Südseeinsel Bougainville geschafft hat, nach vielen Jahren brutaler Auseinandersetzungen den Krieg zu besiegen.
Erfolgsgeschichten wie diese sind selten, weshalb sich die Wissenschaftler vom Institut Entwicklung und Frieden (INEF) für die Insel interessieren. Es hat eine schlimme Zeit hinter sich: „Fast zehn Jahre tobte auf Bougainville, das zu Papua Neuguinea gehört, ein blutiger Bürgerkrieg. Ein Zehntel der knapp 200.000 Bewohner starben“, sagt Volker Böge vom INEF. Auslöser für die Kämpfe war der Betrieb einer Kupfermine, sie zerstörte die Lebensgrundlage der Menschen. „Rebellen erhoben sich gegen die Armee; daraus entwickelten sich ab 1988 ein Unabhängigkeitskrieg und weitere gewaltsame Konflikte.“
Seit 1998 schweigen die Waffen. Bougainville wurde autonome Region, bis spätestens 2020 sollen die Menschen über die Unabhängigkeit ihrer Insel entschieden haben. „Die ehemals verfeindeten Seiten sind alle in der Autonomieregierung vertreten und ziehen dort an einem Strang. Die Zentralregierung Papua Neu Guineas hingegen investiert wenig, verhält sich abwartend“, so Böge.
Wegen der Insellage und Größe – vergleichbar mit Zypern – sehen die Forscher Bougainville als eine Art Laboratorium für Peacebuilding. Sie wollen in ihrer Fallstudie herausfinden, was man aus dem Geschehen im Südpazifik lernen kann.
Denn dort gibt es ein eigenes Verständnis, wie man Frieden festigt und die Staatsbildung voranbringt. In der Regel versucht der Westen das durch schnelle Wahlen und den Aufbau von bewährten staatlichen Strukturen zu schaffen; doch beides ist von außen nur schwer zu steuern und kann neue Konflikte hervorrufen. Für Bougainville kam das gar nicht erst infrage: „Die lokalen Akteure waren zu stark und selbstbewusst. Die internationalen Akteure, die in den lokalen Friedensprozess eingebunden sind, mussten sich auf deren Zeitvorstellungen einlassen. Außerdem gibt es auf der Insel eigene nicht-staatliche Institutionen und traditionelle Formen der Konfliktbearbeitung.“
Dass diese berücksichtigt wurden, habe entscheidend zur Befriedung beigetragen, glaubt der INEF-Wissenschaftler. „Wir wollen nun untersuchen, wie lokale und internationale Akteure miteinander umgegangen sind und verhandelt haben. Dafür führen wir Interviews mit den verschiedenen Seiten, darunter mit der Autonomieregierung, Clan-Chefs, ehemaligen Kommandeuren der militärischen Parteien, mit Mitarbeitern von UN-Institutionen, internationalen NGOs sowie australischen und neuseeländischen Militärs.
In einer zweiten Studie wollen die Friedensforscher herausfinden, ob sich in anderen Fällen – etwa in Somaliland, Sierra Leone und Timor Leste – ähnliche Prozesse identifizieren lassen.
Das Projekt „Peacebuilding im Spannungsfeld internationaler und lokaler Wahrnehmungen – Einsichten aus dem ‚Laboratorium‘ Bougainville“ wird von der Deutschen Stiftung Friedensforschung bis Ende 2016 mit 99.000 Euro gefördert.
Weitere Informationen: https://inef.uni-due.de/cms/index.php?article_id=116&clang=0&nid=230
Institut Entwicklung und Frieden, Dr. Volker Böge, v.boege@uq.edu.au, Patricia Rinck, Tel. 0203/379-1919, patricia.rinck@inef.uni-due.de
Redaktion: Ulrike Bohnsack, Tel. 0203/379-2429
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