Pressemitteilung der Universität Duisburg-Essen
Wie stimmen Russlanddeutsche und Deutschtürken?
[01.06.2016] Wer geht wählen und macht wo sein Kreuzchen? Um das Wählerverhalten zu erklären, schauen Forscher gerne auf persönliche Eigenschaften wie Alter, Beruf, Einkommen und Geschlecht. Dass viele Deutsche zugewandert sind, hat bislang kaum eine Rolle gespielt. Das soll sich ändern. Zwei Politikwissenschaftler der Universitäten Duisburg-Essen (UDE) und Köln führen die erste Migrantenwahlstudie hierzulande durch. Anlässlich der Bundestagswahl im Herbst 2017 befragen sie vor allem russische Aussiedler und eingebürgerte Türken sowie deren Kinder. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziert das Vorhaben für drei Jahre mit 730.000 Euro.
Deutscher Pass, ausländische Wurzeln: Fast neun Millionen Wahlberechtigte – Tendenz steigend – sind zugewandert bzw. ihre Väter und/oder Mütter sind es. „Für uns Forscher sind diese Menschen interessant, da sie politisch teilweise ganz anders sozialisiert wurden“, erklären Prof. Dr. Achim Goerres (UDE) und Dr. Dennis C. Spies (Köln). „Wir möchten herausfinden, ob sie ähnlich ‚ticken’ wie Wähler ohne Migrationshintergrund oder ob ihre Herkunft in irgendeiner Weise beeinflusst, ob und für wen sie an die Urnen gehen.“
Bisher gibt die Forschung nur wenig dazu her. Diese Lücke möchten die beiden Politikwissenschaftler schließen. Bei ihrer Umfrage konzentrieren sie sich auf die zwei stärksten Migrantengruppen: Deutsche mit türkischen Wurzeln – das sind etwa 1,3 Millionen Wahlberechtigte –, dann die 2,4 Millionen russischen Spätaussiedler mit deutscher Staatsangehörigkeit sowie deren volljährige Kinder. Eine Menge Stimmen, die entscheidend sein könnten.
Aber werden diese auch abgegeben? Was halten Russlanddeutsche und Deutschtürken von den Spitzenpolitikern? Wie ist ihr Vertrauen in Parteien, in das politische und das Rechtssystem? Welche Themen sind ihnen wichtig? Und engagieren sie sich selbst sozial oder politisch? Das sind einige der Fragen, die Goerres und Spies stellen werden, um zu klären, ob es ein migrantenspezifisches Wahlverhalten gibt.
„Es könnte beispielsweise sein, dass Spätaussiedler, die Anfang der 1990er Jahre hierher kamen, stärker pro CDU/CSU sind, weil damals ein schwarzer Kanzler die Geschicke lenkte. Dass sie – und die Generation danach – jenen Parteien weiter dankbar sind, die bei ihrer Einreise bestimmend waren“, so Dennis C. Spies.
„Ein anderer Punkt ist der kulturelle Kontext“, ergänzt Achim Goerres. „Jemand, der mit Religion aufgewachsen ist, fühlt sich womöglich nicht von säkularen Parteien wie den Grünen oder der FDP angesprochen.“ Oder doch? Vielleicht wählen Deutschtürken eher grün, weil Vorsitzender Cem Özdemir einer von ‚ihnen’ ist.
Technisch ist die Studie etwas ganz Besonderes, sagen die Wissenschaftler: „Denn Deutsche mit Migrationshintergrund muss man erstens eindeutig identifizieren – das geschieht beispielsweise mithilfe der Vornamen-Nachnamen-Kombination. Zweitens muss man eine repräsentative Stichprobe ziehen.“ Goerres und Spies werden neueste Verfahren nutzen und die persönliche Befragung dann zur Bundestagswahl im Herbst 2017 durchführen. Erste Ergebnisse soll es im darauffolgenden Januar geben.
Weitere Informationen: Prof. Dr. Achim Goerres, Institut für Politikwissenschaft/UDE, Tel. 0203/379-1385, achim.goerres@uni-due.de
Dr. Dennis C. Spies, Cologne Center for Comparative Politics/Uni Köln, Tel. 0221/470-8811, spies@wiso.uni-koeln.de
Redaktion: Ulrike Bohnsack, Tel. 0203/379-2429
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