Forschungsverbund "Kulturen des Kompromisses"
Termine & Informationen
Aktuelles
Internationale VernetzungMasterclass an der University of Notre Dame
Vom 17. bis zum 21. November fand für aktuelle und ehemalige Forschungsstudierende der „Kompromisskulturen“ eine Masterclass an der University of Notre Dame in den USA statt. Auf Einladung von Prof. Dr. William Donahue, Professor für deutsche Literatur und Film, und des European Studies Programme reisten Benjamin Hassenflug, Ernst Beneke Krumme, Lisa Olbering, Pavlos Leußler, Stefan Pulte, Bithleem Maria Sagiroglou und Andrew Wittenbrink an die international renommierte Universität im Bundesstaat Indiana. Begleitet wurden sie von den Postdocs Dr. Tobias Albrecht und Dr. Jan-Hendryk de Boer sowie von Dr. Mark Halawa-Sarholz, Geschäftsführer des College for Social Sciences and Humanities in Essen. Ziel der Reise war es, in Notre Dame die Forschungsarbeit des Kollegs vorzustellen und zugleich den Studierenden erste Erfahrungen im internationalen Wissenschaftsbetrieb zu ermöglichen.
Die Gruppe wurde in Notre Dame von William Donahue herzlich empfangen. Als Gastgeber hatte er ein ebenso anspruchsvolles wie abwechslungsreiches Programm zusammengestellt. Ein Schwerpunkt lag auf der Teilnahme an Lehrveranstaltungen verschiedener Disziplinen. Die Studierenden konnten ihren Interessen entsprechend Seminare und Vorlesungen besuchen und sich so einen Eindruck vom Unterricht an einer nordamerikanischen Universität verschaffen. Eine Gruppe beteiligte sich aktiv am Unterricht in einer germanistischen Lehrveranstaltung William Donahues und konnten so ihr muttersprachliches Wissen an die Studierenden weitergeben. Wissenschaftlicher Höhepunkt der Masterclass war die Präsentation der Forschungsergebnisse des Projektes am 19. November durch die Studierenden und die Postdocs. Dabei konnte die Gruppe Einblicke in die facettenreiche Arbeit der „Kompromisskulturen“ sowie des Forschungsprojekts „Agonale Pluralität“ geben: Dargelegt wurden zunächst die leitenden Fragestellungen und zentralen methodischen und theoretischen Ansätze beider Projekte, um dann einzelne Untersuchungen vorzustellen. Gespannt wurde der Bogen von den Recherchen zur Geschichte des Begriffs und des Konzepts ‚Kompromiss‘ in Vormoderne und Moderne über die Vorstellung der bislang ausgerichteten internationalen Tagungen und Workshops bis hin zur Präsentation von BA- und Masterarbeiten sowie Promotionsprojekten, die aus den Forschungsprojekten hervorgegangen sind.
Die Themen und Fragen des Forschungsprojekts stießen bei Wissenschaftler*innen wie Studierenden auf großes Interesse. Ein Grund dafür ist sicherlich die politische Lage in den USA: Nach der erneuten Wahl Donald Trumps stellt sich drängend die Frage, welche Rolle Kompromisse in heutigen Demokratien spielen können und sollten. Ist die abnehmende Kompromissbereitschaft eine Gefahr für Demokratie und Gesellschaft? Wie kann Politik funktionieren, wenn maßgebliche Akteur*innen nicht bereit sind, Abstriche an ihren Positionen vorzunehmen? Wann und unter welchen Umständen ist in politischen und gesellschaftlichen Debatten ein Maß an Agonalität, an tiefgreifenden Dissensen erreicht, das bedrohlich wird? Welche Möglichkeiten gibt es, derartige Dissense zwar nicht aufzulösen, aber zu regulieren, um eine möglicherweise gewaltsame Eskalation zu verhindern?
Zu all diesen Fragen haben beide Projekte in den letzten Jahren geforscht und damit sich mit genau jenen Problemen befasst, die die Menschen in den USA heute umtreiben. Entsprechend intensiv waren die inhaltlichen, aber auch die tagespolitischen Diskussionen. Nicht zuletzt, weil die University of Notre Dame auf diese Herausforderungen mit einem eigenen Schwerpunktprogramm zu Demokratiebildung reagiert hat, boten sich zahlreiche Anknüpfungspunkte, um über eine weitere Zusammenarbeit zu beraten. Insgesamt war es eine spannende und lohnende Reise mit vielen neuen Einblicken für alle Beteiligten.
Ein Bericht von Jan-Hendryk de Boer
Dr. Tobias Albrecht stellte die Forschungsprojekte "Kulturen des Kompromisses" und "Agonale Pluralität" vor.
Vor allem die Studierenden freuten sich über die Gelegenheit, die Forschungsergebnisse des Projekts an der US-amerikanischen Universität teilen zu dürfen.
Die Hesburgh Library der University of Notre Dame bot den Teilnehmenden einen Einblick in die Sammlung seltener Bücher.
Falling Walls Science Summit BerlinProf. Jens Gurr diskutiert Konflikte in Institutionen und pluralistischen Gesellschaften
Im Rahmen des „Falling Walls Science Summit“ in Berlin (7. bis 9. November 2024) nahm Prof. Jens Martin Gurr an einem Panel zum Thema „Regulating Conflicts in Institutions: Migration, Climate Change, Identity Politics“ teil. Moderiert von der BMZ-Kommunikationsexpertin Sabine Lehmann diskutierten mit ihm Prof. Patrick Cramer (Präsident der Max-Planck-Gesellschaft), Dr. Simone Schwanitz (Generalsekretärin der Max-Planck-Gesellschaft) und Prof. Metin Sitti (Präsident der Koç-Universität, Istanbul). Das Panel debattierte darüber, wie Institutionen mit den wichtigsten aktuellen Konflikten, die in den heutigen pluralistischen Gesellschaften auftreten, demokratisch umgehen können, um das Funktionieren dieser Institutionen zu sichern. Prof. Gurr, der um den Eröffnungsbeitrag gebeten worden war, stellte hier Schlüsselkonzepte aus den beiden Verbundprojekten „Kulturen des Kompromisses“ und „Agonale Pluralität“ vor.
Diskussion zwischen Prof. Jens Gurr und Dr. Simone Schwanitz
Graphische Darstellung der Paneldiskussion
Das Panel im Überblick (v.l.n.r.): Sabine Lehmann, Prof. Jens Gurr, Dr. Simone Schwanitz, Prof. Metin Sitti, Prof. Patrick Cramer
Öffentlicher Vortrag (20.11.2024)Prof. James N. Green (Brown University): „Brazil’s Long Struggle: Dictatorship, Conflict, and the Challenges of Plurality“
Der Brasilien-Historiker Prof. Dr. James N. Green (Brown University) bot am 20. November 2024 einen Überblick über die Geschichte des südamerikanischen Staates seit der Errichtung der Militärdiktatur im Jahr 1964 und deren Auswirkungen auf die politische Landschaft des Landes bis in die Gegenwart. Der Fokus lag dabei besonders auf den agonalen Pluralitäten zwischen den politischen Lagern und den Auseinandersetzungen innerhalb der Opposition gegen das Regime, die insbesondere von der ‚Generation 77‘ geprägt wurden.
Nach dem Putsch 1964 wurden politische Freiheiten eingeschränkt und oppositionelle Bewegungen mussten sich im Geheimen formieren. Bekannt wurde in den 1970er Jahren eine Formation von Oppositionellen, die ‚Generation 77‘. LGBTQI+-, feministische und schwarze Gruppen strebten nach politischer Freiheit und stellten neue soziale Fragen zur gesellschaftlichen Pluralität – was ihnen von Seiten der marxistischen Opposition allerdings den Vorwurf der Spaltung der Widerstandsbewegung einbrachte.
Obwohl diese Debatten mehr als 40 Jahre zurückliegen, sind sie heute noch relevant. In den Diskussionen über die Wahlstrategien der Arbeiterpartei wurden sie erneut aufgegriffen, da diese sich in einem Spannungsfeld zwischen der Verteidigung progressiver Werte und dem Versuch bewegt, ihre ehemals traditionellen Wählerschichten zu erreichen, die zum rechten Lager gewechselt sind. Vortrag und Diskussion widmeten sich daher dem Umgang mit Pluralismus, aber auch den Gründen für den Aufstieg des Bolsonarismus und der extremen Rechten und wie diesen Gefahren in der brasilianischen, aber auch internationalen Demokratie begegnet werden kann, beispielsweise durch das Washington Brazil Office.
Tagung (19.-21. September 2024)„Demokratie und Kompromiss: Das Politische in Gruppen, Gremien und Teams“
Die Schader-Stiftung organisiert in Kooperation mit der Universität Münster, dem Verbundprojekt „Kulturen des Kompromisses“ und der Deutschen Gesellschaft für Gruppen- und Organisationsdynamik (DGGO) eine Tagung zu „Demokratie und Kompromiss: Das Politische in Gruppen, Gremien und Teams“ in Darmstadt (19.-21. September 2024). Weitere Details zur Tagung können Sie dem Tagungsprogramm entnehmen.
Zielgruppen: Wissenschaftler*innen, Organisationsberater*innen und Führungskräfte aus Verwaltung, Wirtschaft, Politik und Nonprofit-Organisationen, die das immanent Politische in Gruppenprozessen und das Gruppendynamische im Politischen reflektieren wollen.
Fellow zu Gast beim ForschungsverbundBegrüßung von Prof. William Donahue (University of Notre Dame, Indiana)
Von Anfang Mai bis Anfang Juli 2024 ist Prof. William Collins Donahue als Fellow zu Gast beim Forschungsverbund „Kulturen des Kompromisses“ und beim „Agonale Pluralität“-Projekt.
Prof. Donahue ist Cavanaugh Professor of the Humanities an der University of Notre Dame in Indiana (USA) und forscht dort am College of Arts and Letters u.a. zu German Studies, Contemporary European Studies, Holocaust Studies und German Jewish Studies. Prof. Donahue war bereits mehrere Male zu Gast an der UDE und gibt gemeinsam mit Prof. Georg Mein und Prof. Rolf Parr das Jahrbuch „andererseits: Yearbook of Transatlantic German Studies“ heraus.
Kontakt: William.C.Donahue.36@nd.edu
Kürzlich erschienene Publikationen:
- Bystander, Pundit, Critic, Activist: Erich Kästner as Political Thinker. On Erich Kästner. Resignation ist kein Gesichtspunkt. Politische Reden und Feuilletons, ed. with an afterword by Sven Hanuschek. Review Essay. Arbitrium (Heft 42/1); spring 2024.
- ‘Now Comes the Reckoning’ | Commonweal Magazine October 31, 2023.
- Donahue WC. "Wie wir es heute mit der Religion halten. Liebe und Liebesgeschichten als Antwort auf die Gretchenfrage – eine Untersuchung zu Goethe und Honigmann." Psychiatrische Praxis. 2023 Jul; 50 (S 01): S49-S54. German. doi: 10.1055/a-2055-8875. Epub 2023 Jul 10. PMID: 37429283.
- “Pictures that Hold Us Captive: A Rumour of Transcendence in Barbara Honigmann’s Bilder von A.,” in: Robert Gillett and Godela Weiss-Sussex, eds., Barbara Honigmann. (Bern: Peter Lang, 2023): 149-76.
- "'There is such a thing as good realism': The Not-So-Secret Afterlife of Modernism in Baßler's Popular Realism." Review of Moritz Baßler, Populärer Realismus. Vom International Style gegenwärtigen Erzählens. Arbitrium, vol. 41, no. 2, 2023, pp. 237-43. https://doi.org/10.1515/arb-2023-0029
Konferenz (4.-6. Juli, London)„Cultures of Compromise and Liberal Democracy after World War II“
Vom 4. bis 6. Juli 2024 fand in London die Konferenz „Cultures of Compromise and Liberal Democracy after World War II“ statt. Die Veranstaltenden waren neben Prof. Dr. Constantin Goschler das German Historical Institute London in Verbindung mit der London School of Economics and Political Science und der Gerda Henkel Stiftung. Eingeladen waren Referierende aus Großbritannien, den USA, der Schweiz, Israel und Deutschland aus Geschichts- sowie Politikwissenschaft.
Neben regional gesetzten Schwerpunkten in der Schweiz, Großbritannien, Deutschland und Israel ging es während der Konferenz inhaltlich zum einen um neue Ansätze zur Untersuchung der Kompromisskulturen. Daran schloss sich in einem weiteren Panel die Frage an, inwiefern Kompromisse als demokratische Tugend betrachtet werden können, um nachfolgend Kompromisse als parlamentarische Praxis näher zu betrachten. Abschließend wurde während der letzten Panels zunächst über den Kompromiss mit Blick auf internationale Beziehungen und schlussendlich über mögliche Grenzen des Kompromisses diskutiert.
Die Keynote „An Entangled Relationship: Cultures of Compromise and Democracy after 1945“ des britischen Historikers Prof. Dr. Martin Conway setzte sich dabei als Highlight der Konferenz ab. Der Vortrag reflektierte nicht nur konkrete Rahmenbedingungen, in denen ein Kompromiss am besten funktioniere, sondern zeigte ebenfalls auf, dass insbesondere gesellschaftliche Gruppen, die von Ungleichheit betroffen sind, nicht vom Kompromiss profitieren.
Text: Bithleem Maria Sagiroglou
Vortrag„Kompromisse ohne Ende oder Ende des Kompromisses? Konfliktkultur in der Bundesrepublik zwischen Parlamentarismus und politischen Bewegungen“
Am 16. April (19:00 Uhr) hält Prof. Constantin Goschler einen öffentlichen Vortrag beim Wissenschaftlichen Verein Mönchengladbach. Alle Interessierten sind herzlich willkommen. Weitere Informationen und eine Veranstaltungsbeschreibung finden Sie auf der Website des Vereins.
Joint Institute of Conflict Analysis, Conflict Regulation and Civic Education (Concrede)
Das Joint Institute of Conflict Analysis, Conflict Regulation and Civic Education (Concrede) wurde 2023 gemeinsam von den Universitäten Duisburg-Essen und Münster ins Leben gerufen, um verschiedene Forschungsprojekte und individuelle Wissenschaftler:innen beider Universitäten, die sich mit der Erforschung von Konflikten in pluralen Gesellschaften beschäftigen, unter einem gemeinsamen Dach zusammenzubringen und ein Forum für zielgerichtete Kooperationen zur Verfügung zu stellen. Hier ist auch der Forschungsverbund „Kulturen des Kompromisses“ vertreten.
Gespräch mit Prof. Dr. Ulrich Willems in „Le Figaro“
In der französischen Tageszeitung „Le Figaro“ ist ein Kommentar zur derzeitigen Kompromisspraxis in Deutschland erschienen. Grundlage des Artikels ist ein Gespräch des Journalisten Pierre Avril (Korrespondent in Berlin) mit Prof. Dr. Ulrich Willems. Der Artikel ist hier auf Französisch verfügbar.
Blogbeitrag über „Kompromisse in pluralen Welten. Japan und Europa im Vergleich“
Die Übersetzerin Ursula Gräfe (Frankfurt am Main) hielt während des Workshops „Kompromisse in pluralen Welten. Japan und Europa im Vergleich“ am 7. März in Essen einen Vortrag über Formen des Kompromisses in der japanischen Literatur. Einen Bericht über ihren Vortrag finden Sie beim Literatur-Blog Bücheratlas (Autor: Martin Oehlen).
Internationaler Workshop„Kompromisse in pluralen Welten. Japan und Europa im Vergleich“
Am 7. und 8 März 2024 fand in Essen die Konferenz „Compromise in Plural Worlds“ statt, organisiert von Dr. Jan-Hendryk de Boer, Mariko Jacoby, Dr. Manon Westphal, und Elisabeth Haefs. Eingeladen waren Referent*innen aus Japan, Großbritannien, den Niederlanden und Deutschland aus Geschichtswissenschaft, Literaturwissenschaft, Soziologie und Politikwissenschaft. Leitfrage war gemäß dem kulturvergleichenden Ansatz des Projekts, welche Rolle Kompromisse in Japan zu verschiedenen Zeiten und in unterschiedlichen Konstellationen spielten. Über Kommentare der Projektbeteiligten und Vorträge der Postdocs des Projekts wurden vergleichende Blicke nach Europa geworfen. Dabei zeigte sich, dass auch in einer Gesellschaft, in der Konsens und Harmonie allgemein einen größeren Stellenwert haben als in denjenigen des modernen Europas Kompromisse notwendig waren, um gesellschaftliche Stabilität zu erzeugen. Allerdings unterscheiden sich die Voraussetzungen, unter denen Kompromisse hergestellt werden können. Auch der Stellenwert des Kompromisses und die Bedingungen, unter denen er Akzeptanz findet, variieren kulturell, allerdings auch historisch, denn die gegenwärtige gesellschaftliche Hochschätzung von Harmonie und Konsens prägte keinesfalls alle Phasen der japanischen Geschichte. Deutlich wurden auch die sozialen Probleme, die entstehen, wenn Kompromisse unerwünscht sind, da dann bestimmte Herausforderungen nur schwer bearbeitbar sind, wenn ein Einvernehmen darüber fehlt, wie dies zu geschehen habe.
„Frieden. Pluralismus. Offene Gesellschaften – Der Umgang mit religiöser Vielfalt“
Politologin Dr. Manon Westphal hielt bei der Veranstaltung im Erbdrostenhof in Münster einen Vortrag über den Kompromiss. Genau 375 Jahre nach der Ratifizierung des Westfälischen Friedens hat das Wissenschaftsbüro der Stadt Münster gemeinsam mit dem Rektorat der Universität Münster interessierte Bürger*innen und Wissenschaftler*innen zu einer interdisziplinären Podiumsdiskussion eingeladen, um über die Verknüpfungen zwischen Frieden und Pluralismus zu sprechen. Zentrales Thema war der Umgang mit religiöser Vielfalt.
Webinar der Friedrich-Naumann-Stiftung: „Politik braucht Kompromisse“
Prof. Dr. Ulrich Willems sprach am 7. Februar 2024 mit Livia Gerster (Redakteurin bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung) und dem Moderator Meinhard Schmidt-Degenhard über Kompromisse in der Politik. Das Webinar können Sie sich in Gänze ansehen.
Interview mit Prof. Dr. Ulrich Willems in der WELT: „Kompromisse werden als Schwäche gewertet oder als ‚faule Kompromisse‘ betrachtet“
„Kulturen des Kompromisses“ in der WELT: Prof. Dr. Ulrich Willems sprach mit Jan Grossarth über das Gelingen von Kompromissen. Das vollständige Interview können Sie hier nachlesen.
Daniel Bar-Tal zu Gast in Münster und Essen
Vom 22. bis 25. Januar 2024 war Prof. em. Daniel Bar-Tal, PhD (School of Education/Tel Aviv University) zu Gast in Münster und Essen. In einem öffentlichen Vortrag (Universität Münster) hat er sein aktuelles Buch „Sinking into the Honey Trap: The Case of the Israeli-Palestinian Conflict“ (2023) vorgestellt und schließlich im Rahmen eines Workshops inhaltlich weiteren Austausch ermöglicht. Außerdem bot er Studierenden in einer zweistündigen Masterclass die Möglichkeit, sich ausführlich mit ihm und seiner Forschung auseinanderzusetzen.
Daniel Bar-Tal zeichnet sich insbesondere durch seine Untersuchungen über die sozialpsychologischen Grundlagen und die Dynamik von unlösbaren Konflikten aus. Nicht zuletzt beschäftigt er sich mit dem israelisch-arabisch-palästinensischen Konflikt und hat umfassende soziopolitische psychologische Analysen seiner Entstehung, Fortdauer und Aufrechterhaltung vorgelegt. Zu diesem Thema hielt er in Münster seinen Vortrag, der zahlreich besucht und auch online per Livestream verfolgt wurde. Darin beschrieb er nicht nur die Kernthesen seines aktuellen Buchs, sondern bezog sich auch explizit auf den gegenwärtigen Krieg in Nahost. Anschließend an den Vortrag wurde intensiv und ergiebig diskutiert.
In seiner übrigen Forschung entwickelte Daniel Bar-Tal in Zusammenhang mit unlösbaren Konflikten einen konzeptionellen Rahmen für das Verständnis der politischen Sozialisierung von Kindern und zur Friedenserziehung. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen für seine Arbeit im Themenfeld der internationalen Beziehungen. Gastgeber des Besuchs im Januar waren neben dem Forschungsverbund „Kulturen des Kompromisses“ auch der Projektverbund „Agonale Pluralität“ der Universitäten Münster und Duisburg-Essen.
Bar-Tal, Daniel: Sinking Into the Honey Trap: The Case of the Israeli-Palestinian Conflict, translated by Barbara Doron, Washington, DC: Westphalia 2023, ISBN: 978-1637237168
„Kompromisse machen“: Themenheft der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) erschienen
Die „Themenblätter für den Unterricht“-Ausgabe der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) zum Kompromiss ist im Dezember 2023 erschienen. Die Verbundsmitglieder Prof. Ute Schneider und Prof. Ulrich Willems haben die Publikation gemeinsam mit Marius Fischer verfasst. Sie können das PDF hier kostenfrei herunterladen.
Interview: Dr. Manon Westphal in „weiter denken. Journal für Philosophie“
„Kulturen des Kompromisses“: Dr. Manon Westphal im Gespräch mit Marvin Dreiwes von „weiter denken. Journal für Philosophie“. Das vollständige Interview können Sie hier nachlesen:
Bericht zur Internationalen Tagung „History and Theory of Compromises“
Der Bericht zur Internationalen Tagung „History and Theory of Compromises“ ist nun auf H-Soz-Kult verfügbar.
Abendvortrag von Martin Kobler (Botschafter a.D.)„Kompromiss um jeden Preis?“ – Erfahrungen aus der Praxis
Der ehemalige Diplomat Martin Kobler sprach in seinem Vortrag am 26.10.2023 über die Rolle des Mediators in der Aushandlung von Kompromissen. Dabei ermöglichte er tiefe Einblicke in seine praktischen Erfahrungen als UN-Sondergesandter am Verhandlungstisch. Kobler betonte eines der wichtigsten Merkmale der Konfliktlösung: Ohne gemeinsame Vision, gewissermaßen ohne Konsens über den Kompromiss, ist eine Lösung nicht nachhaltig.
In ihrer Vorstellung zum Gast des Abends hob Prof. Dr. Ute Schneider (Geschäftsführerin des Verbundes und Professorin für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Universität Duisburg-Essen) die wesentlichen Fragen des Forschungsverbundes hervor, der die Praxis der Mediation und Kompromissfindung in den Blick nimmt.
Die Kunst des nachhaltigen Kompromisses aus der Sicht des Praktikers
Mit einer Art rückblickender Auseinandersetzung zu den Möglichkeiten und Grenzen des Kompromisses in der Berufspraxis hob Kobler insbesondere die Techniken der Kompromissfindung hervor. Eine Anbahnung von Konflikten sei meist schon im Vorfeld ersichtlich, sodass zwischen Meinungsverschiedenheiten frühzeitig vermittelt werden könne und die Intervention durch Dritte zur Deeskalation beitrage. Kontinuierliche Interaktion sei bei jedem dieser Schritte unbedingt nötig.
Zu beobachten seien stets typische Muster: Die Zersplitterung von Staaten, gewaltsamer Konfliktaustrag und ein politischer Prozess bis zu Verhandlungen und Bemühungen um Frieden. Dennoch existieren meist keine nachhaltigen Kompromisse, weil beispielsweise wichtige Parteien und Konfliktgegenstände ausgeschlossen sind, es Widerstände bei der Kompromissanbahnung gäbe, Kompromisse an der Realpolitik vor Ort scheiterten oder diese Prozesse ohne Produkt blieben.
„Wer vermitteln möchte, darf nie mit doppelter Zunge sprechen“
Zu Beginn seiner Karriere, Anfang der 1990er Jahre in Jericho, habe es parallele Verhandlungen im Nahostkonflikt gegeben: Friedensgespräche in Madrid und die Geheimverhandlungen zwischen Rabin und Arafat in Oslo. Hierbei habe Kobler vor allem gelernt, dass man als Mediator in der internationalen Konfliktregulierung einen Weg finden müsse, mit allen Beteiligten gleichermaßen aufrichtig zu sprechen. Auf dem Weg zu möglichen Kompromissen sei es demnach nicht wichtig, die Unvereinbarkeit der Positionen zu koordinieren, sondern parallele Strukturen zu bearbeiten, um überhaupt zu Ergebnissen gelangen zu können. Gemäß dem Credo Rabins habe Kobler mit der Unvereinbarkeit von Zielkonflikten umzugehen gelernt: „Bekämpfe den Terrorismus, als ob es keinen Friedensprozess gäbe, aber verfolge den Friedensprozess, als ob es keinen Terrorismus gäbe.“
„Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht“
Kobler skizzierte schließlich entlang verschiedener Stationen seiner Tätigkeiten, wie wichtig es ist, sich der Komplexität eines Konfliktes zu stellen. Dazu gehöre es, abseits des eurozentrischen Blickes auf die Konfliktgrundlagen und Ansätze zu schauen, und lokale Interessen und Gewohnheiten in die Techniken der Regulierung zu integrieren. Schauen und Zuhören sind dabei unabdingbare Grundtechniken. Konfliktprävention folge dabei grundsätzlich eher einer 80:20 Regel, bei der zu 80 Prozent meist kein Gelingen garantiert sei, so Kobler: „In der Regel geht es schief.“ Dennoch sei es wichtig, an nachhaltigen Beilegungen von Konflikten festzuhalten und deren Lösungsreife nicht aus dem Blick zu verlieren. Diese könne dann zu gegebener Zeit durch verschiedene Techniken der Kompromissfindung unter Berücksichtigung der UN-Charta unterstützt werden. Oft gelte es jedoch dabei, rote Linien einzuhalten, denn eine unparteiliche Vermittlung garantiere nicht zwangsläufig die Neutralität der eigenen Position.
Text: Nadine Henn und Lisa Olbering
Oktober 2023Interview: Prof. Dr. Barbara Buchenau zur Lage der US-Politik - Deutschlandfunk
„Kompromisse gelten als Schwäche“ - Prof. Dr. Barbara Buchenau im Gespräch mit Mascha Drost vom Deutschlandfunk zur Lage der US-Politik. Das vollständige Interview vom 08. Oktober 2023 können Sie hier nachlesen.
August 2023Interview: Kultur des Kompromisses - „Kein einfaches Geschäft“ (WELT Kultur)
Prof. Dr. Ute Schneider gab im Interview mit Christiane Hoffmans, Kulturredakteurin der WELT, Einblicke ins Forschungsprojekt „Kulturen des Kompromisses“. Das vollständige Interview vom 07. August 2023 können Sie hier nachlesen.
Juli 2023Rezensionsaufsatz „Der Kompromiss in Geschichte und Gegenwart“ erschienen
In der Neuen Politischen Literatur ist der Rezensionsaufsatz „Der Kompromiss in Geschichte und Gegenwart. Politische und historische Perspektiven“ (2023) von Dr. Jan-Hendryk de Boer und Dr. Manon Westphal erschienen. Verfügbarkeit: Open Access.
Juli 2023Ankündigung: Workshop-Reihe „Kompromisse im Mittelalter, Teil III“, 14.07.2023 - 9-13 Uhr (Zoom)
Am Freitag, den 14. Juli 2023, 9-13 Uhr laden Dr. Jan-Hendryk de Boer (Universität Duisburg-Essen), Dr. Jessika Nowak (Bergische Universität Wuppertal) und Prof. Dr. Shigeto Kikuchi (Tokio/Freie Universität Berlin) alle Interessierten wieder herzlich zur Zoom-Workshop-Reihe ein.
Das Programm als PDF finden Sie hier.
Um Anmeldung wird gebeten unter jan-hendryk.de-boer@uni-due.de.
Internationale Tagung des Forschungsverbundes „Kulturen des Kompromisses“
Vom 21.-23. Juni 2023 widmen sich Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen in verschiedenen Panels und drei Keynote-Lectures im Rahmen der Tagung „History und Theory of Compromises“ dem Phänomen des Kompromisses.
Weitere Informationen zur Anmeldung und das Programm zur Internationalen Tagung finden Sie hier.
Universität Duisburg Essen„Kompromisslos? Die politische Struktur des spätmittelalterlichen Frankreichs zwischen Konsensfiktion und offenem Konflikt“
Kolloquium am 15. Juni 2023, 16-18 Uhr c.t. (Campus Essen, ZOOM)
Welche Rolle spielen Kompromiss und Konsens im spätmittelalterlichen Frankreich? Dieser Frage widmen sich Prof. Dr. Georg Jostkleigrewe (Halle) und PD Dr. Christoph Mauntel (München) in einem Doppelvortrag.
Das 14. Jahrhundert zeigt sich dabei als Zeit, in der die politische Kultur noch weitgehend funktionierte und Übereinkünfte innerhalb der adligen Führungsschicht möglich wären. Im 15. Jahrhundert erodierte jedoch die Funktionsfähigkeit der Mechanismen, die zuvor die politische Landschaft befriedet hatten. Diese Entwicklung erlaubt, die Frage nach den Voraussetzungen von Kompromissfähigkeit anhand eines konkreten Fallbeispiels der mittelalterlichen Geschichte neu zu stellen.
Organisiert wird die Kolloqiumssitzung von Dr. Jan-Hendryk de Boer. Alle Interessierten sind herzlich eingeladen.
Weitere Informationen erhalten Sie mit der Anmeldung.
Interview mit Jonathan FloydPublic Political Philosophy and Its Uses for Thinking About Compromise
In seinem Vortrag am 10. Mai 2023 zum Thema „Public political philosophy in theory and practice“ stellte Dr. Jonathan Floyd (University of Bristol) seinen Ansatz einer öffentlichen politischen Philosophie vor. Es ging um die Frage, was es bedeutet, politische Philosophie nicht nur für die akademische, sondern auch für die allgemeine Öffentlichkeit zu betreiben.
Mathis Knospe, Student im Fach Comparative Public Governance and European Studies an der Universität Münster und studentischer Mitarbeiter im Forschungsverbund „Kulturen des Kompromisses“, hat Jonathan Floyd anschließend für ein Gespräch getroffen.
Das Interview können Sie hier nachhören.
Mai 2023Artikel erschienen: Der „Asylkompromiss“
Im Onlinemagazin Geschichte der Gegenwart ist der Artikel „Der 'Asylkompromiss'. Historische Verortung eines aktuellen Schlichtungsversuchs“ von Dr. Stefan Zeppenfeld erschienen.
Lesen Sie mehr im Rückblick zum „Asylkompromiss“ des Deutschen Bundestages vom 26. Mai 1993.
Mai 2023Artikel „Cultures of Compromise in Britain and Germany after 1945“ erschienen
Im Bulletin des German Historical Institute London ist der Artikel „The Genius of Parliament: Cultures of Compromise in Britain and Germany after 1945“ - vol. 45 (2023), no. 1, 3-38 - von Prof. Dr. Constantin Goschler erschienen.
Februar 2023Zoom-Workshop „Kompromisse im Mittelalter, Teil II“
Am 3. Februar 2023 fand der zweite Zoom-Workshop zu Kompromissen im Mittelalter statt. Organisiert worden ist er erneut von Dr. Jan-Hendryk de Boer (Duisburg-Essen), Dr. Jessika Nowak (Wuppertal) und Dr. Shigeto Kikuchi (Tokio). Ziel war es, eine genauere Vorstellung von Voraussetzungen und Wirkweisen des Kompromisses in unterschiedlichen Feldern zu gewinnen.
Januar 2023Möglichkeiten und Grenzen der Modellierbarkeit von Kompromissen
Der Kompromiss in den Wirtschaftswissenschaften
Im Kolloquiumsvortrag am 19. Januar 2023 von Dr. Karsten Mause geht es darum, wie es gelingt, die Phänomene der Kompromissfindung aus ökonomisch-politischer Perspektive zu erforschen und von Konzepten des Tauschs bzw. Deals abzugrenzen.
Weiteres zum Vortrag
Wie aus anderen Disziplinen bereits festgehalten werden konnte, gilt auch für die Wirtschaftswissenschaften, dass bisher keine systematischen Analysen zum ökonomischen Kompromiss oder dem Kompromiss in der Ökonomie vorliegen und er keine Untersuchungskategorie als solche bildet.
Dr. Karsten Mause skizzierte in seinem Vortrag drei mögliche Zugänge.
So lassen sich, ausgehend von der Korporatismusforschung, die zugrundeliegenden Bedingungen und Gründe für Zusammenkünfte etwa in Tarifverhandlungen und runden Tischen auch unter dem Aspekt des Kompromisses berücksichtigen, an die übergeordnet epochale und kulturelle Vergleichsstudien anknüpfen können.
Ausgehend vom Forschungsfeld der Verbände- und Lobbyismusforschung könnten zudem Meinungs- und Entscheidungsprozesse einen möglichen Ansatz bieten, da diese an der Ökonomischen Theorie der Politik anlehnen und erweiterte Themenbereiche, wie die Umwelt- und Klimaschutzpolitik, integrieren können. Rückbindend an die ökonomischen Konflikttheorien ließen sich weitere Aspekte berücksichtigen.
Zugleich müssen in Hinblick auf eine wirklichkeitsnahe Messiness und der Rational Choice die Grenzen der Modellierbarkeit bedacht werden.
Januar 2023Lützerath und Kompromiss
„Der Kampf um Lützerath: Klimakipppunkt oder Kohlekompromiss?“ (In: Geschichte der Gegenwart). In seinem Artikel bietet Prof. Dr. Constantin Goschler, Mitglied des Forschungsverbundes, eine historische Einordnung des „Kohlekompromisses“ um Lützerath.
Einen Hörbeitrag zur „Kultur des Kompromisses“ gibt es zudem auf WDR 3 - Resonanzen.