Forschungsprojekte und Abschlussarbeiten

Forschungsprojekte

Dr. Jan-Hendryk de Boer Das Avignoneser Papsttum ermöglichen. Implizites Legitimieren einer angefochtenen Institution (1309-1377)

Untersucht wird das Papsttum im 14. Jahrhundert als angefochtene Institution. Das Avignoneser Papsttum war Gegenstand zeitgenössischer Kontingenzbeobachtungen, die es in einen Möglichkeitshorizont stellten, der durch das faktische Handeln der Päpste, Kardinäle und Kurialen sowie vorhandene Handlungsalternativen aufgespannt wurde. Herrschaftliches Handeln konnte so als kontingent auf mögliche Alternativen hin beobachtet werden. Das Papsttum sah sich infolgedessen zwar nicht als Institution, wohl aber in seinem herrschaftlichen Handeln herausgefordert.

Zur Projektseite

Julia Mariko Jacoby, M.A. Kompromisse und Commons. Regulierung von Ressourcenkonflikten im Japan der Frühen Neuzeit

Im Projekt wird die Rolle von Einigungsverfahren (naisai) in der Edo-Zeit (1603-1868) für Ressourcenkonflikte untersucht. Durch die Analyse ausgesuchter Konfliktfälle zu Wäldern, Flüssen und Bewässerungskanälen sowie Küstengewässern, die als Commons verwaltet wurden, werden die Verflechtungen zwischen Ressourcen, sozialen Strukturen und Rechtspraktiken offengelegt.

Zur Projektseite

Dr. Karsten Mause Der Kompromiss in der Spieltheorie

In der ökonomischen Spieltheorie, die u.a. auf John von Neumann (1903-1957), Oskar Morgenstern (1902-1977) und John F. Nash (1928-2015) zurückgeht, sind „Kooperation“ und „Defektion“ die dominanten Begriffe und entscheidenden Kategorien. Unter welchen Bedingungen kooperieren/defektieren private Akteure bei der Bereitstellung öffentlicher Güter? Wie kann es gelingen, dass die an der Nutzung von Gemeinschaftsgütern Beteiligten so kooperieren, dass die gemeinsam genutzte Ressource nicht übernutzt oder gar zerstört wird? Während die ökonomische Spieltheorie soziale Konfliktsituationen oft vereinfachend als ein Spiel mit lediglich zwei Handlungsalternativen – Kooperation vs. Defektion – (mathematisch) modelliert, ist im realen (Wirtschafts-)Leben zu beobachten, dass die „Spieler“ häufig auch Kompromisse eingehen. In der spieltheoretischen Literatur ist hingegen nicht bzw. nur sehr selten explizit vom „Kompromiss“ die Rede. Dieses Forschungsprojekt untersucht daher genauer, in welchen „Spielen“ und Verhandlungs- bzw. Konfliktsituationen, die in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur behandelt werden, Kompromisse eine Rolle spielen.

Zur Projektseite

Dr. Manon Westphal Demokratie nach dem populistischen Moment

Das Forschungsprojekt geht der Frage nach, welche institutionellen Reformen und Innovationen Demokratien dabei helfen könnten, demokratische Defizite zu überwinden, die den gegenwärtigen populistischen Moment kennzeichnen. Die These des Projektes lautet, dass es neuartige Formen institutioneller Reformen und Innovationen braucht, die die sozialen, kulturellen und ökonomischen Grundlagen von Konflikten ernstnehmen und das bestehende Institutionensetting nicht nur ergänzen, sondern rekonfigurieren.

Zur Projektseite

Dr. Stefan Zeppenfeld Feierabend, Freizeit und Alltag im 20. Jahrhundert

Das Forschungsprojekt geht der Frage nach, mit welchen Beschäftigungen Menschen im 20. Jahrhundert ihre Freizeit verbrachten. Ausgehend von Beschäftigungsformen wie dem Sport, dem Vereinsleben, der Gartenarbeit oder dem privaten Sammeln stehen Motivationen, Gestaltung- und Zugangsmöglichkeiten sowie die spezifischen Voraussetzungen für die gewählten Tätigkeiten im Zentrum der Betrachtung

Zur Projektseite

Abschlussarbeiten

Theresa Feidicker, M.A. Zwei Schritte vor, ein Schritt zurück. Eine Experimentalstudie zur Akzeptanz politischer Kompromisse

Betreuerinnen: Prof. Dr. Julia Metag / Prof. Dr. Nina Springer

Politische Kompromisse werden häufig von wenigen Menschen ausgehandelt, betreffen anschließend aber viele Menschen. Deshalb ist es nicht nur wichtig, zu betrachten, unter welchen Umständen Kompromisse gefunden werden, sondern auch, wie diese Kompromisse von der Bevölkerung angenommen werden. Im Rahmen meiner Masterarbeit habe ich untersucht, wie sich erstens die Konfliktart und zweitens die Darstellung des Konfliktes als eskaliert oder weniger eskaliert auf die Akzeptanz eines Kompromisses auswirkt. Das Ergebnis: Ein konkreter Kompromiss im Wertkonflikt um die Gesetzgebung zu Schwangerschaftsabbrüchen wurde signifikant weniger akzeptiert als ein konkreter Kompromiss im Interessenkonflikt um eine Tarifregelung in der Baubranche. Für die Darstellung des Konfliktes als eskalierter oder weniger eskaliert wurde kein signifikanter Effekt gefunden, aber eine Tendenz, dass eine eskaliertere Darstellung zu mehr Kompromissakzeptanz führen kann. Damit widerspricht diese Tendenz der These, dass deeskalierte Darstellung zu Konfliktdeeskalation führe. Eine Erklärung könnte sein, dass die Dringlichkeit von Konfliktregelung (bspw. durch einen Kompromiss) bei stärker eskalierten Konflikten als höher wahrgenommen wird und es so zu mehr Akzeptanz für einen Kompromiss kommt.

Julia Maria Keutmann, M.A. The Troubles of Brexit – Conflict Narratives and Compromise in Post-Brexit Northern Ireland

Betreuer: Prof. Dr. Jens Martin Gurr / Dr. Torsten Caeners

Die Arbeit befasst sich mit den Folgen des Brexit für die Situation in Nordirland nach dem Belfast-Agreement von 1998. Im Vordergrund stehen die Konfliktnarrative und Kompromisse der verschiedenen Akteure und Akteurskonstellationen und ihre Verarbeitung in der Kulturproduktion (die Beispiele reichen von Theater und Roman bis hin zum satirischen Kartenspiel). Die Arbeit verbindet somit Forschung zu Geschichte und Politik Nordirlands und des Brexit einerseits mit Forschung zum Kompromiss und zu Konfliktnarrativen andererseits. Die Kapitel behandeln die Kontexte des Nordirlandkonflikts und des Abkommens von 1998, die Folgen des Brexit für Nordirland (insbesondere die Grenzfrage) und die wesentlichen politischen Narrative um den Brexit in Nordirland. Zentral ist dabei das Kapitel zu friedens-/ kompromissfördernden Narrativen in verschiedenen Medien und Genres der Kulturproduktion.

Canan Ayas, M.A. The Problems of Compromise in Shelley’s Post-Peterloo Writings

Betreuer: Prof. Dr. Jens Martin Gurr / Prof. Dr. Christoph Heyl

Die Arbeit befasst sich mit Shelleys nach dem „Peterloo Massacre“ vom August 1819 verfassten Essay „A Philosophical View of Reform“ und den im gleichen Zusammenhang entstandenen Gedichten, insbesondere „The Masque of Anarchy“. Zentral ist dabei die Leitfrage, welche Kompromisse mit welchen Zugeständnissen in verschiedenen Szenarien jeweils erforderlich, möglich und vertretbar wären. Shelleys Essay blieb Fragment, weil die zentrale Frage, wie Reformen gegen die repressive Regierung der Zeit durchzusetzen wären – ob durch passiven Widerstand oder durch gewaltsame Rebellion –, unbeantwortet blieb und wohl bleiben musste. In den gleichzeitig entstandenen Gedichten hingegen erlauben die im Genre „Lyrik“ möglichen, in der diskursiven Form des Essays aber unplausiblen, rhetorischen Abstraktionen, Personifizierungen und Anthropomorphisierungen jeweils rhetorisch eindrucksvolle „Lösungen“ des Problems, indem etwa „the Maiden Hope“ oder die personifizierte „Liberty“ die Tyrannen vertreiben und die unterdrückten Völker befreien.

Nadine Henn, M.A. Semantiken des Kompromisses. Die Camp-David-Verhandlungen 1978 in deutsch- und englischsprachigen Printmedien und Fernsehbeiträgen des WDR

Betreuer:innen: Prof. Dr. Ute Schneider / Prof. Dr. Rolf Parr

Das Ereignis ›Camp-David‹ wird aus der Perspektive einer historisch-semantischen Untersuchung des Begriffs und Konzepts ›Kompromiss‹ aufgearbeitet. Da die zum größten Teil hinter verschlossenen Türen geführten Verhandlungen nicht direkt zugänglich sind, stützt sich die Masterarbeit als auszuwertendes Materialkorpus auf Berichte in deutschen und englischen Print-Medien. Dieses Forschungsdesign bringt die Notwendigkeit eines doppelten theoretisch-methodischen Zugriffs mit sich: Zum einen wird die vorliegende Forschung zum Konzept ›Kompromiss‹ aufgearbeitet, d.h. diejenige zu einem der Tendenz nach als interaktionistische face-to-face-Kommunikation gedachten Gegenstand. Zum anderen werden ausgewählte Printmedien inhaltsanalytisch in der Tradition der Erforschung der historischen Semantik und punktuell auch diskursanalytisch analysiert. Diese Kombination erlaubt es, jeweils andere Gegenstände in den Blick zu nehmen: ›Kompromiss‹ hier, ›Printmedienanalyse zu Kompromissen‹ dort.

Stefanie Segieth, M.A. Die Darstellung von Kompromissen in den Medien am Beispiel der Bundestagswahl 2021 und der nachfolgenden Regierungsbildung

Betreuer: Prof. Dr. Rolf Parr / PD Dr. Thomas Küpper

In dieser Masterarbeit wird einerseits an einem konkreten Ereignis im Feld der Politik, nämlich dem der Koalitionsbildung, dem nötigen Schließen von Kompromissen nachgegangen, andererseits aber auch der Art und Weise, wie darüber in Printmedien (Frankfurter Allgemeine Zeitung, Süddeutsche Zeitung, Die Zeit) berichtet wird. Damit wird nicht der Weg von vorab getroffenen und damit immer auch normativ wirkenden Definitionen von ›Kompromiss‹ zum konkreten Ereignis und Material eingeschlagen, sondern der tatsächlichen Verwendung der Bezeichnung ›Kompromiss‹ in der Berichterstattung über das politische Ereignis der Bundestagswahl 2021 und der nachfolgenden Koalitionsbildung nachgegangen. Daraus ergibt sich die für die Kompromissforschung interessante Möglichkeit der Gegenüberstellung von kursierenden Definitionen und tatsächlicher Verwendung der Rede von ›Kompromiss‹. Gezeigt wird an einem konkreten Beispiel, welchen enormen Stellenwert das Schließen von Kompromissen in der politischen Kultur der BRD hat.

 

Andrew Wittenbrink, B.A. Der Kompromiss bei Thomas Babington Macaulay – Konfliktregulierungsnarrative in der britischen Geschichtsschreibung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts

Betreuer:innen: Prof. Dr. Ute Schneider / Prof. Dr. Jens Gurr

Bei der gegenwärtigen Betrachtung von Kompromissen ist ein Blick in die Geschichte der theoretischen Auseinandersetzung mit diesem Begriff oftmals unabdingbar. Ein Beitrag zu der historischen Erforschung des Kompromissbegriffes wird mit der Abschlussarbeit „Der Kompromiss bei Thomas Babington Macaulay. Konfliktregulierungsnarrative in der britischen Geschichtsschreibung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts“ geboten. In der historischen Forschung zu Kompromissen wurde bisher das Werk „On Compromise“ (1877) des britischen Politikers John Morley als erste theoretische Auseinandersetzung mit dem Kompromissbegriff betrachtet. Aussagen des britischen Politikers und Historikers Thomas Macaulay (1800-1859) wurden dabei gelegentlich ohne genauere Beachtung als Randbemerkungen angeführt. Die Abschlussarbeit untersucht das bisher unbeachtete Kompromissverständnis von Macaulay und berücksichtigt dabei insbesondere die Narration des Kompromisses als Konfliktregulierungsmaßnahme.