Projekt Koexistenz kryptischer Arten
Untersuchungen zur Koexistenz kryptischer Arten in Fließgewässerökosystemen am Fallbeispiel von Amphipoden aus Sizilien
Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
Laufzeit: Mai 2019 bis November 2021 (Gemeinschaftsprojekt mit Prof. Dr. Florian Leese, Aquatische Ökosystemforschung)
Der Einsatz DNA-basierter Methoden hat gezeigt, dass die Artenvielfalt durch das Vorkommen kryptischer Arten stark unterschätzt wurde. Da kryptische Arten phylogenetisch sehr ähnlich sind wird oft angenommen, dass sie "ökologischen Klonen" ähneln und nicht koexistieren können. Interessanterweise konnten aber in einigen Studien koexistierende kryptische Arten gefunden werden. Ein Beispiel hierfür sind sechs kryptischen Amphipoden-Linien (Echinogammarus sicilianus Artkomplex), die in einem Flusssystem auf Sizilien gefunden wurden. In unserem Projekt wird untersucht, ob die Koexistenz dieser Linien stabil ist und wie sie aufrechterhalten wird. Dabei wird die räumliche und zeitliche Verbreitung dieser Linien in Relation zu Faktoren (Mikrohabitat, Nahrung, Parasiten, Wasserparameter…) betrachtet, welche diese Verbreitung möglicherweise bedingen.
Da sie morphologisch nicht unterscheidbar sind, bleiben tatsächliche Anzahl, Verbreitung und ökologische Eigenschaften kryptischer Arten weitgehend unbekannt. Bisherige Daten zeigten, dass kryptische Arten typischerweise nicht koexistieren, sondern in verschiedenen Regionen leben oder ansonsten selten syntop vorkommen. Dies entspricht den Erwartungen, da Koexistenz meist durch Nischenunterschiede zwischen verschiedenen Arten ermöglicht wird.
Da kryptische Arten phylogenetisch sehr ähnlich sind wird oft angenommen, dass sie "ökologischen Klonen" ähneln und aufgrund des Konkurrenzausschluss-Prinzips nicht koexistieren können. Interessanterweise konnten aber in einigen Studien koexistierende kryptische Arten gefunden werden. Ein Beispiel hierfür sind sechs kryptischen Amphipoden-Linien (Echinogammarus sicilianus Artkomplex), die in einem Flusssystem auf Sizilien gefunden wurden.
Dieser Befund ist unerwartet und wirft die Frage auf, ob die Koexistenz stabil oder instabil ist und wie sie aufrechterhalten wird. Es gibt verschiedene Theorien dazu, wie eine stabile Koexistenz von Arten ermöglicht werden kann: i) Ressourcenaufteilung, ii) räumliche oder zeitliche Vermeidungsstrategien oder iii) dichteabhängige biotische Mechanismen wie apostatische Selektion. In unserem Projekt werden wir an dem besonderen Beispiel der Koexistenz kryptischer Amphipodenlinien in Sizilien untersuchen, wie diese Linien räumlich und zeitlich verbreitet sind.
Um diese Frage zu beantworten, werden wir im Laufe eines Jahres alle verfügbaren Mikrohabitate im Flussgebiet untersuchen und DNA-basierte Methoden der Artenbestimmung verwenden. Anschließend werden wir den Magen-Darminhalt und das Mikrobiom der verschiedenen Linien pro Standort und Mikrohabitat mittels DNA-Metabarcodierung untersuchen, um zu analysieren, ob es eine Ernährungsspezialisierung gibt. Die Daten zur trophischen Spezialisierung sollen mit Isotopenanalysen abgesichert werden. In einem letzten Schritt sollen Prävalenz und Diversität verschiedener Parasiten (Mikrosporidien und Acanthocephalen) in den einzelnen kryptischen Arten untersuchen.
Wir werden testen, ob sich Prävalenz und Wirtsspezifität im Laufe der Zeit ändern, um die dichteabhängige Kontrolle kryptischer Arten durch Parasiten zu testen. Zusammen mit Landnutzungsdaten werden anschließend alle unterschiedlichen Daten ausgewertet, um die konkurrierenden Hypothesen über die Auswirkungen abiotischer und biotischer Faktoren auf das Vorkommen und die Koexistenz von Arten zu testen und abzuleiten, ob die Koexistenz kryptischer Arten stabil oder instabil ist. Die Ergebnisse dieser Studie können als Beispiel dafür dienen, wie verschiedene methodische und konzeptionelle Ansätze in der Biologie kombiniert werden können, um die Treiber des Zusammenlebens kryptischer Arten in Süßwasserlebensräumen zu analysieren und zu verstehen.
Kontakt: Prof. Bernd Sures, Dr. Daniel Grabner