Medizin und Geschlecht
Dimensionen soziomedizinischer Genderforschung Internationale Konferenz
Mit dem Kongress "Medizin und Geschlecht. Dimensionen soziomedizinischer Genderforschung" setzte das Essener Kolleg für Geschlechterforschung den auf den bisherigen Kongressen erfolgreich praktizierten interdisziplinären Dialog fort. Zentrale Fragen des Verhältnisses von Medizin und Geschlecht wurden von führenden Fachvertreterinnen und Fachvertretern aus Medizin und Sozialwissenschaften behandelt. Der Fokus richtete sich auf soziomedizinische Gendereffekte in der Forschung und der Versorgung von Patientinnen und Patienten. Die nachteiligen Folgen der bisherigen Vernachlässigung der Gender-Dimension in medizinischer Forschung und Praxis standen im Mittelpunkt des Interesses. Erste Ergebnisse soziomedizinischer Genderforschung wurden präsentiert.
In medizinischer Forschung und Praxis ist es bislang weitgehend unüblich, geschlechtstypische Unterschiede bei Diagnose, Verlauf und Therapie von Krankheiten gezielt zu beachten. In den letzten Jahren mehren sich Studien, die auf die Notwendigkeit hinweisen, solche Unterschiede genauer zu untersuchen. Die "Geschlechtsblindheit", welche große Teile der Medizin nicht weniger kennzeichnet als andere Forschungsbereiche, wird inzwischen vermehrt als ein Problem gesehen. Die Vernachlässigung der Variable Geschlecht erweist sich nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Bemühungen um eine evidenzbasierte Medizin als ein gravierendes Problem. Auch in der Medizin kann ein umfassend verstandenes Qualitätsmanagement auf eine systematische Berücksichtigung des Faktors Geschlecht nicht verzichten. Eine Analyse des Gender-Bias ist erforderlich sowohl im Hinblick des Anspruches einer jeden Patientin und eines jeden Patienten auf optimale medizinische Versorgung als auch unter gesundheitspolitischer Perspektive im Hinblick auf einen Abbau geschlechtsspezifischer Benachteiligungen, die auch zusätzliche Kosten verursachen.
Das Verhältnis von Medizin und Geschlecht wurde in einer Weise behandelt, die den Entwicklungen in der modernen Medizin und aktuellen Forschungsfragen Rechnung trug. Fragen einer geschlechterbewussten Medizin wurden, nach einem einführenden, den Stand der Forschung allgemein darstellenden Vortrag, in drei thematischen Blöcken behandelt:
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Innere Medizin (Schwerpunkte: Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Nephrologie)
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Hirnforschung
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Prävention und Therapie
Die Tagung stand im Zusammenhang des Aufbaus eines Forschungsschwerpunktes "Soziomedizinische Genderforschung". Seit Anfang 2004 lief am Essener Kolleg für Geschlechterforschung ein vom Bundesministerium für Forschung im Rahmen des Kompetenznetzes "Herzinsuffizienz" gefördertes Forschungsprojekt "Genderspezifische Aspekte der Herzinsuffizienz. Soziomedizinische Untersuchungen bei betroffenen Frauen und Männern". An der Planung und Durchführung der Tagung war die am Essener Kolleg für Geschlechterforschung angesiedelte Forschungsgruppe "Soziomedizinische Genderforschung" beteiligt.