Tipps und Ideen aus der Praxis
Zur genderbewussten Didaktik gibt es unterschiedliche Ansätze. Einigkeit besteht darin, Lehrangebote so zu gestalten, dass sie auf Bedürfnisse von Frauen und Männern gleichermaßen eingehen. Geschlechtsstereotype - oder gar offen sexistische Inhalte - sollten vermieden werden.
Lehr- und Lernsettings haben ein großes Potential in Hinblick auf eine explizite gendergerechte und kreative Gestaltung:
- Vorbereitung von Lehrinhalten
"Altbewährtes" muss sich nicht immer bewähren, außergewöhnliche und unkonventionelle Einheiten finden oft großen Anklang (z.B. Inklusion biographischer Erzählungen in Technik- und Naturwissenschaft etc...) - Erstellen von Lehrunterlagen
Transparenz hinsichtlich der fachlichen Anforderungen; das ist insbesondere für die Studierenden wichtig, die nicht regelmäßig an Präsenzveranstaltungen teilnehmen können; in der Anrede weibliche Studierende einschließen; in Beispieltexten, Bildern oder Aufgaben auch Darstellungen von Frauen einfließen lassen - Auswahl von Lehrmethoden
Anfangssituationen so gestalten, dass die Anwesenden gewürdigt werden; Lernprozesse so gestalten, dass auch zurückhaltende Personen zur aktiven Gestaltung motiviert werden; für Abschlusssituationen Feedback einplanen und einfordern was das subjektive Gefühl fördert, gehört und ernst genommen worden zu sein
Darüber hinaus sind TeilnehmerInnen-Konstellationen ungünstig, in denen einige Gruppen zu Lasten anderer das Lerngeschehen dominieren. Die Herausforderung von geschlechterbewussten Lehrenden besteht insgesamt darin, Auseinandersetzungen zu moderieren und es Lernenden und Lerngruppen zu ermöglichen, sich produktiv einerseits fachbezogen und andererseits fachübergreifend mit dem Phänomen "Geschlecht" auseinanderzusetzen.
Mehr Informationen:
Michaela Gindl & Günter Helfer (2006): Gendersensibler Leitfaden für Studium und Weiterbildung, in: Kortendiek, Beate/ Auferkorte-Michaelis, Nicole (Hg.), Studien Netzwerk Frauenforschung NRW Nr.8. S. 24-30.
Visionen formulieren
Jeder erwachsene Mensch leitet sich selbst durch den Tag mit so genannten "Befehlen an sich selbst" oder "subjektiven Imperativen". Beispiele hierfür sind: "Ich müsste langsam mal aufstehen..."; "Der Kühlschrank ist leer, ich muss nach der Arbeit noch einkaufen..."; "Ich sollte aufmerksamer zu XY sein..."; "Zuhören wäre jetzt nicht schlecht..." Werden diese Befehle jedoch von außen, z.B. durch die Lehrenden, an die Person herangetragen, können sie Widerstände auslösen.
Im Besonderen bestätigen sich diese Beobachtungen in Seminaren, in denen die Thematik "Gender" nicht im Vordergrund steht, egal welcher Disziplin - ob in Geistes- und Sozial, Technik- oder Naturwissenschaften. Imperative wie "Die Studierenden von heute müssen lernen in Zukunft gendergerecht…" stoßen eher auf Widerstände.
Lehrende, so der Tipp von Beate Kosuch, sollten positive Entwicklungen in Puncto Geschlechterverhältnisse benennen, bzw. Missstände eher als Visionen umformulieren: "Die Studierenden von heute werden eines Tages…" Dadurch, so Kosuch, entstehe Gelassenheit und Handlungsfähigkeit.
Literaturtipp siehe unten (Kosuch).
Der Umgang mit Stereotypen
Stereotypen offen thematisieren, die dahinter liegenden Mechanismen einbeziehen, statt gegen sie anzugehen, zu Gedankenexperimenten einladen. Der Begriff der Ambiguitätstoleranz lässt sich so mit Leben füllen. Der Rückgriff auf Stereotype kann nicht verboten werden. Er bietet vereinfachende kognitive Schemata, die auf Vorerfahrungen basieren. Ziel ist es, in Prozessen der Wahrnehmung und Interaktion auf diese Schemata zurückgreifen zu können um gleichzeitig die Fähigkeit entwickeln zu können, abweichende Merkmale und Verhaltensweisen wahrzunehmen und auszuhalten.
Literaturtipp:
Beate Kosuch (2006): Gender und Handlungskompetenz für Veränderungsprozesse. Zu den Herausforderungen von bei der Vermittlung von Gender-Kompetenz in der Hochschullehre, in: Waltraud Ernst, Ulricke Bohle (Hg.): Transformationen von Geschlechterordnungen in Wissenschaft und anderen sozialen Institutionen, Hamburg: LIT-Verlag. S. 203-213.
Pädagogische Biographiearbeit
Eine didaktische Möglichkeit, diese Spannungen spielerisch zu thematisieren, bietet die pädagogische Biographiearbeit. Wie sie als Medium zur Förderung von Genderkompetenz bei Studierenden genutzt werden kann, demonstriert ein Lehrprojekt, dass am Lehrstuhl für Erwachsenenbildung/Bildungsberatung unter der Leitung von Prof. Dr. Anne Schlüter an der Universität Duisburg-Essen durchgeführt wurde.
Hintergrund des Projektes war es zum einen herauszufinden, wie die gegenwärtige Studierendengeneration mit der "Genderfrage" umgeht. Zum anderen stand die Sensibilisierung der Studierenden für die Konstruktion und die Auswirkungen geschlechtsspezifischer Sozialisation und die Entwicklung "Genderkompetenz" im Vordergrund. Die Wahrnehmung von Kommunikationsmustern und die Modifikation von Denkweisen in Hinblick auf die vermeintliche Natürlichkeit von Geschlecht ist ein wichtiger Aspekt für gelingende Bildungsarbeit von PädagogInnen.
Die Forscherinnen Prof. Dr. Anne Schlüter und Dipl. Päd. Nicole Justen formulieren auf Basis der Erkenntnisse des Projektes Handlungsempfehlungen für Lehrende. Ausführliche Informationen finden Sie im Forschungsbericht.
Bild: By Lipedia (Eigenes Werk) [GFDL (www.gnu.org/copyleft/fdl.html) or CC-BY-3.0 (www.creativecommons.org/licenses/by/3.0)], via Wikimedia Commons
Genderaspekte als Seminarinhalt
„Frauen bekommen zum Geburtstag rosafarbene Marzipanblumen und die Männer Bohrmaschinen!“ Mit diesem O-Ton eines 8-jährigen Kindes wecken die Studierenden der Uni Bremen - Kerstin Heermann, Pauline Lis und Marieke Krämer - Neugierde für das Produkt ihres Projektes: „Fair A Gender?“ Sie führten Interviews mit Studierenden durch und fassten die Ergebnisse in unserer Ausstellung illustrativ zusammen.
Die Ausstellung ist im Wintersemester 2010/2011 an der Universität Bremen entstanden und wurde im Sommersemester der Öffentlichkeit präsentiert. Das Projekt stand unter der Leitung von Brigitte Nagler, Zentrale Frauenbeauftragte der Uni Bremen.
Die Idee lässt sich gut in Seminaren aufgreifen - Studierende befragen Studierende und präsentieren ihre Ergebnisse auf Postern.
==> Der Fokus der Fragestellung ist dabei auf das Fach zuzuschneiden: In einem Soziologieseminar sind das beispielsweise die Erwartungen der Mitstudierenden an das spätere Berufsleben, in einem Filmseminar die Rezeption bestimmter Filmgenres und die Darstellung von z.B. Männlichkeit, in einem Mathematikdidaktikseminar die Frage: Wie stelle ich mir ein Genie vor? Welche berühmten MathematikerInnen kennst du?
Studierende lernen so, gemeinsam Projekte durchzuführen und kreative Formen der Darstellung komplexer Inhalte darzustellen.
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