Zuwanderung aus Südosteuropa – Teilhabe und Zusammenhalt auf kommunaler Ebene ermöglichen  (ZuSudo)

Das Ruhrgebiet ist seit fast zweihundert Jahren eine der bedeutendsten Wanderungsregionen in Deutschland und Europa. Mit der EU-Osterweiterung hat sich die Migrationsdynamik intensiviert und stark an Komplexität gewonnen. Davon profitiert die Region. Gleichzeitig verbinden einige Ankunftskommunen sowie die Migrierenden und ihre Familien damit auch große Herausforderungen. Während sich auf bundesdeutscher Ebene ein sehr vielfältiger, gemischtqualifizierter Migrationsprozess mit positiver Arbeitsmarktteilhabe zeigt, ist das Bild in diesen Kommunen ein anderes. Hier werden rumänische und bulgarische Migrierende wahrgenommen als Gruppen mit spezifischen Problemlagen und Förderbedarfen (geringe Bildungs- und Arbeitsmarktchancen, schwieriger Zugang zu Wohnraum und Sozialleistungen, Ablehnung durch alteingesessene Quartiersbewohner*innen etc.), die zunehmend räumlich segregiert in benachteiligten Quartieren leben. Problematisch ist vor allem eine – teilweise auch mediale – pauschale Zuschreibung zur ethnischen Minderheit der Roma. Diese Gruppe wird häufig als defizitär beschrieben und erleidet dabei Mehrfachdiskriminierungen in den Herkunfts- und Ankunftsregionen. Migration aus Rumänien und Bulgarien wird also in der öffentlichen Wahrnehmung und in vielen kommunalen Handlungsprogrammen oft entweder mit Armutsmigration, Sozialleistungen und deren Missbrauch oder prekären Lebensverhältnissen in Verbindung gebracht. Zudem wird Migration an sich oft als ein einmaliger Wohnortwechsel mit langfristiger Bleibeabsicht am Ankunftsort verstanden.

Das anwendungsorientierte Forschungsprojekt ZuSudo setzte an diesen Herausforderungen an. Um die Prozesse von Migration, Ankommen, Teilhabe und Integration angemessen bearbeiten zu können, müssen sie zunächst in ihrer Differenziertheit, Dynamik und ihrem wechselseitigen Bezug wahrgenommen werden. Das Projekt hatte hier zum einen das Ziel, die Diversität der Migrierendengruppen (im Hinblick auf ethnisch-kulturelle Zuschreibungen, religiöse Orientierungen, Bildungsabschlüsse, Beschäftigungserfahrungen etc.) sowie die Komplexität ihrer Migrationsprojekte aufzuzeigen. Zum anderen ging es darum, die kommunalen Wahrnehmungs- und Handlungsmuster – überwiegend in den Ankunftskommunen aber auch in einigen rumänischen Herkunftskommunen – im Hinblick auf diese Gruppen näher zu untersuchen und zu fragen, inwieweit passen diese zu den Erfahrungen und Erwartungen der Migrierten. Schließlich haben wir die Migrantenselbstorganisationen (MO) mit EU2-Bezug untersucht und gefragt, welche Rolle sie in diesen Prozessen der Aushandlung spielen.

Das Projekt verfolgte einen Mixed-Methods-Ansatz und kombinierte Primärdatenerhebungen in Ankunftskommunen des Ruhrgebiets und in ausgewählten Herkunftsregionen mittels Expert*innen-interviews, Umfragen (n=600) und biografischen Interviews sowie Sekundäranalysen vielfältiger Datenquellen. Die Interviews sowie einige Veranstaltungen wurden mehrsprachig durchgeführt. Gleichzeitig integrierte das Projekt Elemente von Aktionsforschung, indem erhobene und analysierte Daten mit Betroffenengruppen (Migrierende, MO, Kommunen) in mehreren Veranstaltungen zurückgekoppelt und erörtert wurden.


Förderung:
Stiftung Mercator

Laufzeit:
04/2021 – 07/2024

Projektleitung:
Sen. Prof. Dr. Ludger Pries (Ruhr-Universität Bochum)

Projektkoordination:
Dr. Christian Schramm (Ruhr-Universität Bochum, assoziiertes InZentIM-Mitglied)

Mitarbeitende:
Andreea Nagy, Rumyana Shopova, Leif Merlin Tietz (Ruhr-Universität Bochum)

Praxiskooperationen:
Verwaltung und Organisationen in Duisburg, Essen, Dortmund, Hagen, Gladbeck, Oer-Erkenschwick

Projektwebseite