Empfehlungen

Empfehlungen

Die Ergebnisse des Projekts lassen keine konkreten Handlungsempfehlungen im Sinne von Anweisungen zur Integration benachteiligter Lernender zu. Gelingende Praktiken der bildungsbezogenen Integration werden innerhalb einzelner Schulen im Rahmen ihrer Schulkultur entwickelt und umgesetzt. Diese Entwicklungsprozesse verlaufen im Zusammenspiel unterschiedlicher Akteursgruppen und im Überschneidungsfeld von Schullleben, Kollegium und Unterricht. Vor dem Hintergrund dieses zentralen Ergebnisses unserer Studie können wir Schulen in benachteiligten Quartieren keine speziellen Projekte oder Unterrichtsmodelle an die Hand geben. Stattdessen wollen wir Anregungen für Schulentwicklungsprozesse an unseres Erachtens zentralen Schaltstellen des Umgangs mit sozialstrukturellen Benachteiligungen auf Seiten der Lernenden geben. Diese  sind als Diskussions- und Reflexionsimpulse für kollegiale Auseinandersetzungen gedacht und sollen Schulen und in ihnen arbeitende professionelle Akteure dazu anregen, gemeinsam nach Lösungen für schulische Probleme zu suchen, die zur Arbeit der einzelnen Schule passen und deren Schulkultur aufgreifen und weiterentwickeln.

Die Reflexionsimpulse sind einzeln in kollegialen Besprechungen einsetzbar und können je nach aktuell am dringlichsten empfundenen Entwicklungsfeld in beliebiger Reihenfolge eingesetzt werden. Gleichwohl verweisen sie an kritischen Punkten aufeinander, wenn die Erarbeitung von Lösungsstrategien und Handlungsformen nicht isoliert betrachtet werden kann.

Kooperation und Partnerschaft

Kooperation und Partnerschaft zeigen sich sowohl in den Kooperation mit externen Partnern als auch bei Kollegialität und Partnerschaft  

Kooperation mit externen Einrichtungen und Akteuren

Die Zusammenarbeit mit externen Einrichtungen  ist ein fester Bestandteil schulischer Praxis. Aus der erziehungswissenschaftlichen Forschung wissen wir, dass alle Schulformen mit Akteuren von außerhalb kooperieren. Hierzu zählen Vereine und Gemeindeeinrichtungen genauso wie solche der sozialen Arbeit. Wie genau diese Zusammenarbeit ausgestaltet wird, scheint dabei von der Schulform abhängig. So kooperieren Gymnasien häufiger mit anderen Schulen im In- und Ausland, währen Hauptschulen verstärkt Verbindungen zu Stellen der Jugend- und Schulsozialarbeit pflegen. Für Schulen in schwieriger Lage stellt sich die Frage nach der Bedeutung von Kooperation „nach außen“ mit Blick auf die problematischen Rahmenbedingungen in besonderem Maße. Im Zusammenhang unserer Untersuchungen konnten wir feststellen, dass Formen der Kooperation höchst verschieden ausgestaltet werden und dabei an unterschiedliche Zwecke und institutionelle Logiken gebunden sind. Sie sind auch abhängig von Entscheidungsstrukturen innerhalb der Einzelschule (Leitungskultur).

Eine erste Variante der von uns identifizierten Kooperationsformen besteht in der Aufnahme und Weitergabe von Entwicklungsimpulsen, die von außen an die Schule herangetragen werden, durch die Schulleitung. Hier steht Kooperation sowie die Auswahl der Kooperationspartner in einem Zusammenhang mit schulentwicklerischen und übergeordneten pädagogischen Zielsetzungen.Der Fokus lag dabei auf der Durchsetzung basaler Ordnungsroutinen innerhalb des Schullebens (Ordnung) und auf der Integration der Schülerinnen und Schüler in die berufliche Ausbildungsphase nach dem Abschluss. Entsprechend wurden Akteure in den direkten Schulbetrieb eingebunden, zum Beispiel um die Herstellung von Ordnung innerhalb des Unterrichts sicherzustellen uns Programme zur Förderung der Ausbildungsfähigkeit der Schülerschaft entwickelt. In einem übergeordneten Sinne wurden Kooperationspartnerschaften aber auch als eine Chance zur Imageverbesserung im Stadtteil gesehen, wobei von einer positiven Auffälligkeit der Schule durch erfolgreiche Kooperationen im Rahmen verschiedener Projekte ausgegangen wurde (Image). Die Schulleitung nahm hier die Rolle eines Vermittlers nach außen und eines eher direktiven Steuerungsakteurs nach innen ein.

Eine nahezu gegenteilige Praxis fanden wir im Zusammenhang einer weiteren Schule, in deren Organisation die Hierarchien zwischen Schulleitung und Kollegium eher flach ausfielen. Die Schulleitung nimmt in dieser Ausgestaltung eher die Rolle eines Rahmenakteurs ein, an welchen Vorschläge für potentielle Kooperationen aus dem Kollegium heraus herangetragen werden. Die Richtung von Schulentwicklungsimpulsen durch externe Kooperation ist hier anders gelagert: Kooperationsimpulse werden stärker durch die Kolleginnen und Kollegen entwickelt und an den Schulleiter herangetragen, der dann absegnet, Mittel bewilligt und die administrative Rahmenarbeit leistet. Mitunter bedingt durch die Organisation der Schule über Teamstrukturen (Jahrgangsteams) zeigte sich hier ein Programm der externen Kooperation, welches vielfältig und eher jahrgangsspezifisch ausfiel und nicht gezielt auf bestimmte schulische Programmatiken zugeschnitten war.

Unsere zweite Untersuchungsschule betreibt ebenfalls diverse Formen der externen Kooperation mit unterschiedlichen Einrichtungen. Im Vordergrund stehen hier solche der Jugendhilfe und Schulsozialarbeit, wobei die Zusammenarbeit mit diesen Akteuren teils eine seit langem etablierte Tradition ist. Ein besonders enger Kontakt besteht hier vor allem zwischen den Sozialpädagoginnen und den außerschulischen Akteuren der sozialen Arbeit, die auf einer professionellen Nähe zwischen den schulischen und außerschulischen Kräften fußt. So besteht ein enger Austausch zum Beispiel mit einer Jugendhilfeeinrichtung im Bezug auf die Einzelfallbetreuung von Schülerinnen und Schülern der Schule. Die Einrichtung der Jugendhilfe gilt als „erste Ansprechpartnerin“ bei sozialen Problemen der Schülerinnen und Schüler, die nicht im Rahmen der eigenen innerschulischen Arbeit gelöst werden können. Sie ist für die Sozialpädagoginnen die „Ansprechpartnerin […] so zwischen Schule und Jugendamt“ (GD_Sozialpädagoginnen, FS II). Die verschiedenen Professionen innerhalb dieser Schule entfalten ihre Kompetenzen auch im Rahmen externer Kooperation, und ebenso wie innerhalb der Schule besteht auch nach außen die Möglichkeit, neben- bzw. außerunterrichtliche Betreuungs- und Beratungsangebote in Anspruch zu nehmen. Insgesamt, so geben zwei Lehrerinnen aus der Untersuchungsschule an, gebe es „verschiedene Projekte die auch […] von Außenorganisationen“  (GD_Lehrerinnen, FS II) an die Schule herangetragen würden, wie z.B. ein Anti-Aggressions-Training und eine Box-Gruppe. Insgesamt existieren vielfältige, vor allem auf soziales Lernen und den Ausgleich von sozial-emotionalen Entwicklungsproblemen fokussierte Angebote und damit, so die Lehrerinnen weiter, „verschiedene Möglichkeiten, die Kinder dann auch zu beraten, die Eltern dann auch zu beraten bis hin zum heranziehen natürlich der sozialen Dienste mit denen wir sehr eng zusammenarbeiten“. Die Rolle der Schulleitung liegt in diesem Zusammenhang eher im allgemein-schulentwicklerischen Bereich: Sie ist, wie auch in anderen Zusammenhängen, Moderatorin von Entwicklungsprozessen. Die engere Ausgestaltung von Kooperationsbeziehungen bleibt, zumindest im sozialen Bereich, den entsprechenden Professionellen überlassen.

In Anlehnung an die oben dargestellten Befunde, welche die Frage nach der Zielsetzung, Einbindung und „Stoßrichtung“ externer Kooperation zum Kern haben, lassen sich als Reflexionsimpulse zur Schulentwicklung folgende Aspekte formulieren:

 1. Welche Kooperationen bestehen bereits und welchen Beitrag leisten sie zur erfolgreichen Bewältigung unseres Schulalltags?

  • In welche Verantwortungsbereiche wirken diese Kooperationsbeziehungen hinein?
  • Wo liegt das besondere Potential von Kooperationen mit externen Akteuren?

 2. Wo wünschen wir uns (weitere/zusätzliche) Unterstützung von außen?

  • Wo liegen Problemaspekte für Lehrerinnen, Lehrer, Schulleitung und SozialpädagogInnen?
  • Gibt es Aufgabenbereiche, die zur Zeit nur unzureichend erfüllt werden und welche Außenstehenden können uns beim Umgang mit diesen Herausforderungen unterstützen?

3. Welche potentiellen Kooperationspartner bestehen mit Blick auf diese Notwendigkeiten?

  • gibt es Sozialdienste, deren Potential für unsere Schule noch nicht erschöpft sind?
  • gibt es anderweitige Akteure (Vereine, Jugendorganisationen etc.), die mit Blick auf unsere Zielstellungen und Notwendigkeiten in die schulische Arbeit eingebunden werden könnten / sollten?

4. Wie können professionelle Verantwortungen für die Etablierung, Aufrechterhaltung und Integration solcher Kooperationsbeziehungen innerhalb der Schule verteilt werden?

  • gibt es hier professionsspezifische Neigungen und Kompetenzen?
  • existieren evtl. private Beziehungen von Kolleginnen zu potentiell geeigneten außerschulischen Einrichtungen?

 

*anonymisiert

Kooperation und Kollegialität

„Also ich denke, dass unsere Stärke hier immer gewesen ist, dass wir eigentlich ganz gut zusammen stehen, dass wir bisher immer sehr viel Regeln hatten auf die geachtet wurde“ (Plenum_Stärken_der_Schule, FS I).

Kooperation, Zusammenarbeit und Teamwork sind vielgenutzte Schlagworte im Zusammenhang professioneller Organisationen überhaupt. Was als Grundvoraussetzung erfolgreicher Berufsausübung in vielerlei Bereichen gilt, ist auch eine Anforderung an pädagogische Professionelle. Dabei kommt dem Begriff der Kooperation im Kollegium eine ambivalente Rolle zu. Schule, wie sie „klassischerweise“ in Deutschland stattfindet, wird meist in Verbindung gebracht mit dem Bild vom Lehrer als Einzelkämpfer, dessen Kerngeschäft hinter verschlossenen Klassentüren stattfindet. Entsprechend wissen wir aus der Forschung zu Lehrerkooperation unter anderem, dass Formen der institutionalisierten Kooperation, wie z.B. die Implementierung von Steuergruppen, teilweise auf Vorbehalte seitens der Kolleginnen und Kollegen treffen. Andererseits konnte aber auch gezeigt werden, dass Kooperation einen durchaus positiven Einfluss auf die Selbstwirksamkeitskonzepte von Lehrkräften haben kann und „gut gemachte“ Kooperation ein Merkmal effektiver Schulen darstellt. Allgemein kann gesagt werden, dass sich gelungene Zusammenarbeit durch Effizienz und Multiprofessionalität auszeichnet und weiterhin in einem direktem Verhältnis mit der Leitungskultur einer Schule steht.

An Schulen in schwieriger Lage kommt Kooperation und Kollegialität eine gesonderte Bedeutung zu, wenn es um Entlastung durch gegenseitige Hilfe und Unterstützung im Kontext der herausfordernden Lage geht. Im Rahmen unserer Fallstudien haben wir verschiedene Phänomene und Figuren kooperativen Arbeitens und kollegialer Unterstützung rekonstruieren können.

Hierzu gehört zunächst die Orientierung an Kollegialität als Unterstützungsfaktor im Angesicht gestörter Ordnung und psychischer Belastung. So geben Lehrkräfte aus der ersten Fusionsschule unserer Fallstudie I an, von welcher Bedeutung ein hoher Grad an Solidarität zwischen den Kolleginnen und Kollegen für die Bewältigung der täglichen schulischen Arbeit ist. Eine Lehrerin betont, die kollegiale Gemeinschaft sei „ganz wichtig“ und „das, was einen ohne Bauchschmerzen herkommen lässt“. Andere bezeichnen „vorbehaltlose Bereitschaft allen anderen gegenüber“ sowie „Lockerheit“ und „Humor“ als entscheidende Voraussetzungen für ein gelungenes Arbeiten (Plenum_Stärken_der_Schule, FS I). Auffällig ist daran, dass es sich eher um die Beschreibung von Persönlichkeitseigenschaften handelt und hier nicht Formen professioneller Kooperation im Vordergrund stehen. Diese werden relevant, wenn es um die Einheitlichkeit von Sanktionsverhalten und Regeldurchsetzung geht (?Ordnung). Die zuvor erwähnte Solidarität unter Lehrerinnen und Lehrern ist aber auch hier eine Voraussetzung dafür, dass schulische Ordnungsstrukturen einheitlich aufrechterhalten und praktisch umgesetzt werden. Das Verhältnis zur Schulleitung wird in diesem Zusammenhang als ein produktiver Reibungspunkt beschrieben. Wenn es Differenzen mit der Schulleitung gebe, so gibt ein Kollege an, dann seien diese „meistens sachbezogen“ und würden entsprechend auch „sachbezogen beigelegt“ (Plenum_Stärken_der_Schule, FS I). Der Schulleitung kommt hier weiterhin die Aufgabe zu, Beteiligung und Mitarbeit von Lehrenden zu erwarten und einzufordern.

Anders sieht das Verhältnis zwischen Schulleitung und Lehrerschaft in der zweiten Fusionsschule der Fallstudie I aus. Hier wurde, das liegt in der Entwicklungsgeschichte der Schule bedingt, stark auf flache Hierarchien gesetzt. Die Gestaltungsspielräume liegen verstärkt bei den Lehrerteams, die sich in den jeweiligen Jahrgängen ihre eigenen Spielräume, Nischen und Routinen erarbeitet hatten. Teams sind hier die maßgebliche Instanz, die Schulleitung beschränkt sich auf die administrative Ermöglichung und ressourcenorientierte Unterstützung teamspezifischer Anträge. Eine Lehkraft hierzu: „Wenn er [der Schulleiter, Anm.] merkt da sind Leute die wollen wirklich was […] dann tut er auch seines dazu“ (Interview_Lehrer_FS I). Dies zeigt sich praktisch unter anderem dann, wenn es um die Realisierung von Kooperationsverhältnissen mit externen Akteuren geht.

An unserer zweiten Untersuchungsschule zeigen sich ähnliche Schwerpunkte wie in den Fusionsschulen der ersten Fallstudie. Jedoch finden wir hier bereits etablierte innerschulische Kooperationsstrukturen, die ihrerseits mit dem Faktor der Kollegialität in einem Wechselverhältnis stehen. So konnten wir in allen Akteursgruppen an der Untersuchungsschule II eine Orientierung an interprofessioneller Kooperation herausarbeiten. Diese bleibt zwar ebenfalls nicht ohne Reibungsflächen, jedoch scheinen Aufgaben- und Zuständigkeitsbereiche vergleichsweise klar abgestimmt. So gibt eine Sozialpädagogin ein Beispiel für interprofessionelle Kooperation mit einem Lehrer:

„[M]anchmal verzahnt sich das dann mit uns, also ich hab auch schon gehabt dass dann irgendwo ein Lehrer geschrieben hat bitte erst die Aufgaben machen und dann gerne noch mal zum Gespräch beim Beratungsdienst, weil er vielleicht das Gefühl hatte, das Kind hat vielleicht zu Hause irgendwie Stress und kann sich deswegen grad nicht im Unterricht konzentrieren“ (GD_SozialpädagogInnen, FS II)

Neben solchen Beispielen wird auch an anderen Stellen deutlich, dass eine enge Kooperationsbeziehungen mit den SozialpädagogInnen besteht. Etwa, wenn letztere deutlich machen, dass sie regelmäßig mit in den Unterricht gehen oder dass das Lehrerzimmer „genauso ein Platz für uns wie für die Lehrer“ darstelle und die „Schulleitung […] immer ganz dicht bei uns auch dran“ sei (GD_SozialpädagogInnen, FS II). Andererseits bestehen an dieser Schule auch Formen der institutionalisierten Kooperation, etwa in Form einer Steuergruppe und von regelmäßigen Konferenzen. Generell scheint hier das „Prinzip der offenen Tür“ zu herrschen. Die Schulleitung gibt hierzu an, man kommuniziere „wirklich alles und jeden Pups, aber mit Erfolg“ (GD_Schulleitung, FS II) und die „offene Tür“ gelte für alle, für Kollegen, Schülerinnen und Schüler sowie auch umgekehrt für die Schulleitung.

In der Gesamtschau bewegen sich die von uns rekonstruierten Orientierungen also in drei Spannungsfeldern: Jenem von (1) Einheitlichkeit/kollegialer Solidarität und Individualität/Einzelkämpfertum, von (2) eigener und „fremder“ Profession und jenem von (3) Institutionalisierung und professioneller Autonomie. Hinzu kommt die Frage nach Solidarität im Kollegium und ihrer Stärkung.

Diese Spannungsfelder und ihre Verhältnisse gilt es für Schulen offenbar zu klären, wozu folgende Reflexionsanreize dienlich sein können:

 1.    Wie ist es in unserem Kollegium um Solidarität und Kollegialität bestellt?

  • Welche Bedeutung kommt dem Kollegium als „Solidargemeinschaft“ an unserer Schule zu?
  • Welches Verhältnis nehmen wir als Gesamtkollegium gegenüber unseren Schülern ein (Schülerbilder)?
  • Wo sollen Grenzen der Einheitlichkeit in den verschiedenen Bereichen (z.B. Ordnung) liegen, wo fehlt sie?

 2.    Wie sollen die Zuständigkeitsbereiche verschiedener Professionen zugeschnitten werden und inwieweit sollen sich ihre Zuständigkeiten verschränken?

  • Welche Aufgabenbereiche nehmen SozialpädagogInnen und Lehrkräfte ein?
  • Wo liegen produktive Schnittmengen zwischen diesen Zuständigkeitsbereichen?
  • Wie sind diese Abgrenzungen und Überschneidungen praktisch auszugestalten?

 3.    Wie soll die Institutionalisierung von Kooperation an unserer Schule konkret aussehen?

  • Sind unsere Konferenzen, Sitzungen etc. effizient und zielführend?
  • Haben wir eine Steuergruppe und wie sollen ihre Arbeitsbereiche zugeschnitten werden?

 4.    Welche Rolle kommt der Schulleitung als Kooperationspartnerin zu?

  • Bestehen Kontakt- und Austauschverhältnisse?
  • Wissen die Schulleitung und das Kollegium voneinander, welche Punkte und Relevanzen zur Zeit im Vordergrund stehen?

Ressourcen

Der schulische Alltag ist geprägt durch die unterschiedlichsten Anforderungen. Einerseits heben sie den pädagogischen Aspekt von Schule und Unterricht hervor und andererseits beinhalten sie den administrativen Aspekt der Leitung und Steuerung einer Schule. Um diese Anforderungen zu bewältigen, ist eine bedarfsgerechte Planung personeller Ressourcen, die für die Umsetzung dieser Aufgaben notwendig sind, erforderlich. Unter Ressourcen wird dabei das Personal verstanden, das sowohl die Schulleitung als auch die Lehrpersonen dabei unterstützt, den Anforderungen an der jeweiligen Schule gerecht zu werden. Dazu zählt zum einen pädagogisch unterstützendes Personal wie z. B. BeratungslehrerInnen, SozialpädagogInnen und SonderpädagogInnen, die im Unterricht unterstützen. Zum anderen beziehen sich solche personellen Ressourcen auch auf den administrativen Bereich in Form der Schulleitung selbst sowie SekretärInnen. Dabei ist es besonders für Schulen in segregierten Stadtteilen von  großer Bedeutung, in welchem Ausmaß diese personellen Ressourcen zur Verfügung stehen und ob diese in Abhängigkeit vom Bedarf verfügbar sind, damit den vielfältigen Herausforderungen und Benachteiligungen, welche an Schulen in kritischer Lage herrschen, entgegengetreten werden kann.

So zeigen die Forschungsergebnisse unserer ersten Fallstudie, dass ein Mangel an personellen Ressourcen zu einem weiteren Grundproblem, neben der Herausforderung des Umgangs mit einer schwierigen Schülerschaft, für Schulen in segregierten Stadtteilen werden kann. Mangels Fachpersonal kann eine Unterrichtskontinuität kaum noch gewährleistet werden, was wiederum dazu führt, dass Ansätze erfolgreicher pädagogischer Arbeit in den Bereichen der Unterrichtsentwicklung, des Klassenmanagement sowie der Stoffvermittlung im Umgang mit einer herausfordernden Schülerschaft unterlaufen werden wie von vielen Seiten des Kollegiums berichtet wurde:

„ganz viele Lehrer sind krank und dauernd irgendwelchen Vertretungsunterricht, Klassenunterricht, das heißt man hat seine Kurse nicht, sondern muss irgendwelche Klassen gesamt unterrichten was dann alles immer nur so ein Provisorium ist und das ist alles sehr stressig“ (Lehrer Fallstudie I).

Auch die hohe Fluktuationsrate von Fachpersonal an unserer ersten Untersuchungsschule erschwert eine erfolgreiche Unterrichtsentwicklung zunehmend. Eine Strategie diesen Mangel aufzufangen ist die Kooperation mit externen Partnern, die nicht immer einen pädagogischen Beruf erlernt haben. Diese sitzen dem Unterricht durchaus bei oder werden eingeteilt die Schülerinnen und Schüler im Trainingsraum zu betreuen. Weiterhin verhindert die Ressourcenknappheit gepaart mit den erschwerten Bedingungen einer hochgradig verhaltensauffälligen Schülerschaft eine dauerhafte und erfolgreiche Binnendifferenzierung, wie sie im Zuge der Schulstrukturreform (Impulsgebung) gewünscht ist. So kam es an unserer Schule dazu, dass unmittelbar nach der Schulfusion nicht das Lehren und Lernen selbst im Fokus des pädagogischen Handelns der Schule stand, sondern das Bemühen darum, Bedingungen zu schaffen, die das Unterrichten erst möglich machten (Ordnung):

„Man braucht richtig gute Rahmenbedingungen also jedenfalls bei unserem Schülerklientel um überhaupt unterrichten zu können und die haben wir noch gar nicht“ (Lehrer Fallstudie I).

Ebenso ist das Ganztagsangebot von Mangel betroffen. Durch sich lange hinziehende politische Entscheidungen fehlten an der Schule die Mittel um das Angebot auszubauen. So äußert sich ein Lehrer in diesem Zusammenhang wie folgt:

„also wir mussten quasi jetzt im luftleeren Raum diesen Nachmittag gestalten“ (Lehrer Fallstudie I).

Das Lehrpersonal an unserer zweiten Untersuchungsschule befürchtet ebenfalls, dass im Zuge der Schulstrukturreform, die inhaltlich zusätzlich die Integration von Schülerinnen und Schüler mit Lernbehinderungen in den Regelunterricht vorsieht, der Mangel an Fachpersonal, wie beispielsweise Sozial- und SonderpädagogInnen, viele Schülerinnen und Schüler in ihren Bedürfnissen unberücksichtigt lassen wird:

die Inklusionsklassen die jetzt neu kommen wird es so sein dass ich dann auch in die Lage komme wie meine Kollegin die Sonderschulpädagogin Frau Gutmann (.) äh in wahrscheinlich mehreren Klassen tätig sein muss; was äh (.) womöglich bedeutet dass ich nicht mehr so sehr in einer Klasse zu allen Bereichen Ansprechpartnerin bin zu allen Dingen die dort anstehen […](.) und ähm das finde ich bisschen schade und bedenklich auch weil (.) dieses springen in Klassen wo sehr viele schwierige Kinder sind, (.) ähm und ich nicht die Zeit habe da als @Vollmitglied sozusagen@ im Kernteam mitzuarbeiten ist- ich befürchte dass es dann dazu kommt dass es äh Rollenkonflikte geben könnte; speziell für Sozialpädagogen die ja nicht unterrichten; die unterrichtsbegleitend da sind unterstützend tätig sind auch im Unterricht allen Kindern gegenüber so habe ich bisher immer gearbeitet (.) aber ich denke auch das wird sich ändern; aber ist nicht gesichertes Wissen was ich jetzt sage“ (Sozialpädagogin Fallstudie II).

Besonders für Schulen in benachteiligten Stadtteilen, die ohnehin die Herausforderungen einer schwierigen Schülerschaft bewältigen müssen, müsste daher vonseiten der Schulverwaltung und Schulpolitik ein für die jeweilige Schule transpatentes Unterstützungssystem mit sachgerechter Verteilung von Fachpersonal geschaffen werden, damit diese Schulen nachwievor ihren Bildungsauftrag erfüllen können und die ohnehin schwierigen Ausgangsbedingungen nicht noch zusätzlich erschwert werden.

1.    Wie sieht unsere Ausstattung hinsichtlich des Fachpersonals aus?

  • Wie sind wir in den einzelnen Klassen aufgestellt?
  • Ist die Anzahl des Fachpersonals je Klasse ausreichend?
  • Wenn nein, warum nicht?
  • Wie hoch ist unsere Krankheitsrate und wie differenziert sich diese aus?
  • Gibt es andere Ressourcen, die uns fehlen?

 2.    Im Falle eines festgestellten Ressourcenmangels, welche Möglichkeiten gibt es um diesem Mangel entgegenzuwirken?

  • Möglichkeiten der Mitwirkung zur Behebung der Situation gibt es für uns?
  • Sind wir bereit diese Möglichkeiten auszuschöpfen? Haben wir dafür die Zeit neben der Bewältigung des Schulalltags?

 3.    Wie sehen zukünftige Projekte aus und welche Ressourcen werden dafür zusätzlich zu den vorhandenen benötigt?

  • Fachpersonal?
  • Finanzielle Ressourcen?
  • Zeitliche Ressourcen?
  • Unterstützungsmaßnahmen von übergeordneten Instanzen der Schule?

Impulsgebung

„There is no ready-made model of change that will provide a shortcut to success“ (Fullan & Watson, 2000).

In den letzten Jahren sieht die Bundesrepublik in vielen Teilen Reformbestrebungen des Bildungssystems entgegen. Einerseits gilt es, das Bildungssystem so umzugestalten, dass sich die mangelnde Leistungs- und Integrationsfähigkeit dessen relativieren, wie die Befunde der internationalen Vergleiche ergaben. Andererseits sind Veränderungen aufgrund demographischer Entwicklungen wie beispielsweise die anhaltend niedrige Geburtenrate und die dadurch sinkenden Schülerzahlen notwendig. So wurden im Zuge der Modernisierungsabsichten in verschiedenen Bundesländern Schulstrukturreformen, die mancherorts auch Schulfusionen mit sich brachten, durchgeführt. Im Kern sehen die Strukturreformen die Etablierung eines zweigliedrigen anstelle eines viergliedrigen Schulsystems vor. Dabei wird die Unterscheidung zwischen Haupt- und Realschulbildungsgang als eigenständige Schulformen aufgegeben und die Einführung von integrativen Schulformen angestrebt. Dies bietet die Möglichkeit einer ungegliederten, integrierten Schulform neben dem Gymnasium. Derzeit sind besonders Haupt- und Realschulen von derartigen Transformationsprozessen betroffen, sowohl im Hinblick auf Strukturreformen allgemein, als auch bezogen auf Schulfusionen. Denn es sind überwiegend niedrigqualifizierende Schulen, die nur einzügig arbeiten und dementsprechend zu klein sind, um eigenständig bestehen zu bleiben, welche in Fusionsprozesse eingebunden werden. Allerdings gibt es besonders in den Ballungsräumen größerer Städte, kleine, niedrigqualifizierende Schulen, welche z.T. sehr erfolgreiche Konzepte des Umgangs mit den besonderen Herausforderungen der dort lebenden Schülerschaft durch intensive Schulentwicklungsarbeit entwickelten. Ihr Hauptaugenmerk liegt dabei darauf, eine doppelt negativ selektierte Schülerschaft auf dem Weg zum Schulabschluss zu begleiten. Die nun an vielen Standorten durchgeführten Schulfusionen stellen sich oft als massiver Einschnitt in etablierte Arbeitsformen dar, indem sie entwickelte und erfolgreich aufrechterhaltene schulische Konzepte infrage stellen. So werden Schulen mit verschiedenen Schulkulturen und unterschiedlichen pädagogischen Konzepten zusammengelegt, wobei die Schulen selbst meistens keinen oder nur wenig Einfluss auf Entscheidungsfindungsprozesse haben.

Auch unsere Untersuchungsschulen sind von der Umsetzung der Schulstrukturreform betroffen. Dabei stellt der Fusionsprozess ein besonderes Beispiel an Reformimpulsen dar, den wir im Folgenden aufgreifen und zeigen wie dieser an zwei Schulen in benachteiligten Stadtteilen aufgenommen und umgesetzt wird.

In unserer ersten Untersuchungsschule führte die Fusion zweier Schulleitungen, zweier Kollegien und zweier Schülerschaften innerhalb der neugegründeten Schule zu einem Aufeinandertreffen völlig unterschiedlicher Schulkulturen. Diese Konfrontation löste eine regelrechte Krise aus. Unabhängig davon, welchem Kollegium sie vor der Fusion angehört haben, stellte die neue Schule für die Lehrkräfte einen Ort dar, in dem die strukturellen Aspekte der schulischen Organisation undurchsichtig waren und in denen die bekannten Arbeitsformen nicht mehr funktionierten (Ordnung). Die so provozierte Infragestellung der langjährig bewährten Routinen ließ bei vielen Beteiligten Unsicherheit und Frustration aufkommen, einige Akteure empfanden die Situation als Identitätsverlust: „also auf jeden Fall is für uns n Teil der Identität weggebrochen“, gibt einer der Schulleiter an (Mitglied Schulleitung Fallstudie I). Eine verbreitete Reaktion auf diese Unsicherheit bestand in der Idealisierung der Situation vor der Zusammenlegung der Schulen und damit der eigenen, alten Routinen. Maßgeblich basierend auf dem Vergleich mit der so idealisierten Vergangenheit, wurde die Auseinandersetzung um die ´richtigen´ pädagogischen Arbeitsformen geführt. Beide „Lager“ waren der Ansicht, die passenden pädagogischen Prinzipien schon vor der Fusion gefunden zu haben. So wurde die Annäherung an die Strukturen der jeweils anderen mit der Begründung abgelehnt, man sei mit den eigenen Arbeitsformen den Inhalten der Reform näher. So wurde die Schulstrukturreform mit ihrer inhaltlichen Ausgestaltung zu einem argumentativen Referenzpunkt, also zu einer strategischen Kategorie. Die gemeinsame Arbeit an einer „neuen“ Schule musste so hinten anstehen, der eigentliche Reformimpuls wurde durch schulkulturelle Konflikte überlagert und gelähmt.

Dabei wurde eine konzeptionelle Arbeit im Kontext der Reform zurückgedrängt, um zunächst die Fusion als krisenhaftes Ereignis zu bewältigen. Die Auseinandersetzungen entfalteten sich dabei über die Ebene der Leitung bis hin auf die Ebene des Unterrichts (à Leitungskultur). So lässt sich konstatieren, dass die Bewältigung der Fusion bestimmender als die Strukturreformprozesse war.

Auch an der zweiten Untersuchungsschule herrschte Irritation und Skepsis aufseiten der Lehrerschaft gegenüber einer Schulfusion. Die von außen festgelegten Fusionsbedingungen erschienen im Kollegium ebenfalls fragwürdig, jedoch wurden sie trotzdem als vorgegeben akzeptiert. Im Unterschied zur ersten Untersuchungsschule wurden die Schulleitungen in unserer zweiten Fallstudie jedoch nicht zusammengelegt, so dass die amtierende Schulleitung ihre etablierten Arbeitsformen beibehalten konnte. Unter Rückgriff auf die bereits bekannten kooperativen Arbeitswiesen einer der beiden Fusionsschulen, begegnete man der neuen Situation mit einem kollegialen Gedanken der Kooperation (à Kooperation; Kollegialität und Partnerschaft). Die Unterstützung seitens der Schulleitung bestand zunächst in der Personal- und Organisationsentwicklung sowie in der Festlegung fester Strukturen und Strategien hinsichtlich einer gemeinsamen Entwicklung. Die zusätzliche Bereitstellung einer Moderatorin und die Bereitschaft zur Teilung von Verantwortung seitens der Schulleitung hatten, bezogen auf Schulentwicklung, eine Brückenfunktion zwischen den ehemaligen Kollegien der Fusionsschulen inne.

So stellen strukturelle Reformen alle pädagogischen Professionelle, wenn sie verpflichtend eingeführt werden, vor neue Herausforderungen. Zugleich bieten sie jedoch auch Chancen für Veränderungen im Schulentwicklungsprozess. Zu bedenken ist diesbezüglich, dass alle politischen Steuerungsimpulse stets  fremdbestimmte Veränderungen darstellen, die erhebliche Auswirkungen auf pädagogische Arbeitsformen haben. Dementsprechend sind diese sowohl für Schulleitungen als auch für die Kollegien der Fusionsschulen mit deutlich wahrnehmbaren Ängsten vor Identitätsverlust verbunden, wie unsere Befunde zeigen. Besonders für Schulen in benachteiligten Stadtteilen, die ihr pädagogisches Konzept meist an die Herausforderungen des sozialen Umfelds (à Bezug zum sozialen Umfeld) und ihrer Schülerschaft (à Ordnung; Schülerbild) anpassen müssen und daher meist eine eher fragile, ständig gefährdete organisatorische Struktur aufweisen, wird dieser Aspekt relevant. Hier ist die Umsetzung von Entwicklungsaufgaben in Form des Aufeinandertreffens verschiedener Impulse, wie beispielsweise Strukturreformen und Schulfusionen zugleich, ein umso enormerer Kraftakt. Das ist auch Akteuren der Schulverwaltung bewusst:

[W]enn eine Stadt oder ein Bezirk sich entschieden hat neben der Schulstrukturreform Schulen die Aufgabe zu geben auch noch zu fusionieren ich halte das für eine große zusätzlich Aufgabe (.) ich finde man kann auch diskutieren ob das Sinn macht (.) Da ist einfach ´ne Leistungs-und auch Schulentwicklungsgrenze erreicht“ (Schulverwaltung Fallstudie I).

Aufgrund der vorliegenden Forschungsergebnisse kann zusammenfassend festgehalten werden, dass strukturelle Reformen nicht losgelöst von kulturellen Reformen, etwa die innerschulische Bereitschaft zur Veränderung, zu betrachten sind. Im Gegenteil, sie scheinen zwingend miteinander verknüpft zu sein und bedingen einander sogar.

Für einzelne Fusionsschulen:

1. Wie sind unsere pädagogische Arbeit und unsere Schulkultur zu beschreiben?

  • Was macht sie im Kern aus?
  • Welches sind Stärken unserer Schule?

 2. Wie wären diese Stärken auch in einer völlig anderen Umgebung beizubehalten und/oder ausbaubar?

  • auf welchen Ebenen manifestieren sie sich maßgeblich (Struktur der Schule? Unterricht?)

 3. Wie würden wir die Partnerschule (Fusionsschule) beschreiben?

  • Was macht unsere Partnerschule aus?
  • Wo liegen Stärken der Partnerschule?

4. Durch welche Praktiken der Kooperation wäre die Fusion vorzubereiten?

  • Gemeinsame Workshops?
  • kollegiale Treffen und Kontakte informeller Art?
  • „Kennenlernwochen“?

 Für die Umsetzung von verpflichtend eingeführten Reformimpulsen:

 1.   Was sehen die Reformimpulse im Kern vor?

  • Wie passen diese Erwartungen zu unserer Schule?
  • Zu welchem Grad können wir uns mit den Vorgaben identifizieren?

2.  Wie sind unsere Arbeitsformen in die Reformprozesse einzubetten?

  • Besteht die Bereitschaft Veränderungen vorzunehmen?
  • Wie können wir unsere Arbeitsweisen mit den aktuellen Vorgaben verknüpfen?

 3. Wie wollen wir bei der Umsetzung der Vorgaben vorgehen?

  • Richten wir eine Steuergruppe dafür ein?
  • Werden zusätzliche Ressourcen für eine in unserem Sinne pädagogische Umsetzung der Reformimpulse benötigt?
  • Wenn ja, welche?
  • Welche Möglichkeiten der Mitwirkung haben wir dabei?

Leitungskultur

“Schulentwicklung brauch Zeit […] sonst lässt man alle links und rechts liegen” (Schulleitung Fallstudie II).

In allen Schuluntersuchungen wird eine wirksame Leitungskultur als Qualitätsfaktor von Schule genannt. Als von besonderer Wichtigkeit für eine effektive Managementkultur werden in dem  Zusammenhang neben dem organisatorischen Handeln und dem Anstoßen von Entwicklungs- und Veränderungsprozessen u.a. die Wertschätzung des pädagogischen Personals, das Erkennen und Nutzen personeller Ressourcen, die Entwicklung wirksamer Kommunikationswege sowie eine gemeinsame Verständigung über ein übergeordnetes  pädagogisches Konzept beschrieben. Gleichzeitig scheinen klar definierte Ziele, Strategien und Strukturen vonseiten des Schulmanagements besonders für Schulen in segregierten Stadtteilen im Umgang mit den zahlreichen Herausforderungen ausschlaggebend zu sein. (Ordnung; Bezug zum sozialen und räumlichen Umfeld der Schule; Schülerbilder; Ressourcen).

In unseren Fallstudien konnten wir drei verschiedene Schulleitungen kennenlernen und konnten feststellen, dass mit unterschiedlichen Leitungskulturen auch verschiedene Organisationsformen des Managements, sowie unterschiedliche Sichtweisen auf Schulentwicklung für Schulen in benachteiligten Stadtteilen einhergehen.

Eine der  Schulleitungen stellte sich als Organisator von Schule dar, die Einflüsse auf inhaltliche Prozesse zurückwies und den professionellen Akteuren damit viel Freiheit für ihre pädagogische Arbeit einräumte. Aus Sicht eines Lehrers stellte sich die Leitungskultur an der ersten Fusionsschule in der Vergangenheit folgendermaßen dar:

[D]er Schulleiter ist ein sehr netter Mensch ähm als er damals sich bereit erklärt hat diesen Posten zu übernehmen vom Kollegium wurde er gewählt hat er gesagt ich mache gerne Verwaltung so Organisationssachen den Rest müsst ihr machen […]er hat auf jeden Fall immer gesagt ich bin der Organisator dieser Schule (.) und erwartet nicht mehr von mir (.) daran hat er sich gehalten @(.)@ was natürlich heißt dass äh von der Kante nie an Schulentwicklung“ (Interview Lehrer Fallstudie I).

Auf schulkultureller Ebene beinhaltete diese Art von Leitung eine wertschätzende Sicht auf alle an der Schule tätigen Akteure. Individuelle Projekte und die Innovationsbereitschaft von engagierten Lehrerinnen und Lehrern wurden unterstützt und diesbezüglich Ressourcen mobilisiert und zur Verfügung gestellt. Aber auch diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die Entwicklungen gleichgültig gegenüber standen sowie diejenigen, die ihre etablierten Arbeitsweisen unverändert fortführen wollten, wurden wertgeschätzt. Bezogen auf die Stellung der Schulleitung im Schulentwicklungsprozess kann diese als demokratische Rahmenleitung beschrieben werden, welche vom Schulleiter selbst so entworfen und auch gegenüber dem Kollegium kommuniziert wurde. Gleichzeitig wurde damit die Verantwortung für Entwicklungsprozesse an die Jahrgangsteams Kooperation; Kollegialität und Partnerschaft) abgegeben, sodass diese zur zentralen Instanzen der Setzung von Entwicklungsimpulse und Handlungsprinzipien wurden. Das übergeordnete schulische Ziel lag dabei auf dem Aufbau einer guten und „attraktiven Schule“, sowohl für den Stadtteil als auch für die Schülerinnen und Schüler an der Schule (Image). Im Gegensatz dazu formulierte die zweite Schulleitung klare Erwartungen und Vorgaben an die pädagogische Arbeit und den übergeordneten schulischen Ziele, sowohl für Lehrende als auch für Lernende. Es wurde der Beitrag jedes Einzelnen eingefordert:

„[A]lso ich als Schulleiter äh stehe vor Euch schütze Euch auch halte Euch den Rücken frei dafür aber ähm müsst ihr aber auch meine Arbeit machen“.

Man bevorzugte hier eine ‚starke Schulleitung‘, jedoch „nicht stark im Sinne von durchdrücken von Direktiven des war gar nicht so“ (Schulleitung Lichtenbergschule  Fallstudie I). So kann dieser Teil der Schulleitung als Impulsgeberin im Schulentwicklungsprozess beschrieben werden. Unser Material zeigt, dass es zu den Aufgaben der Schulleitung gehörte einerseits im Schulalltag präsent und greifbar für das Kollegium zu sein, um den Bezug zu schulinternen Ereignissen nicht aus dem Blickfeld zu verlieren (Kooperation, à Kollegialität und Partnerschaft). Andererseits gehörte Schulentwicklung zu den Steckenpferden dieses Leitungsteams. Das übergeordnete Ziel der schulischen Arbeit bestand in der Vermittlung von arbeitsmarktbezogenen Kompetenzen sowie darin, die Schülerinnen und Schüler mit Abschluss ihrer Schullaufbahn in die berufliche Ausbildung zu integrieren (à Kooperation mit externen Einrichtungen und Akteuren).

Schließlich lernten wir während unserer zweiten Fallstudie eine Schulleitung kennen, die ihre zentrale Aufgabe in der Moderation von Entwicklungsprozessen sah und dafür sowohl Problemdefinitionen wie auch Lösungsstrategien aus dem Kollegium aufnahm, diese demokratisch entwickeln ließ und dann für die gesamte Schule verbindlich durchsetzte. Ein konkretes Beispiel aus einer Diskussion mit dieser Schulleitung:

„[D]ann haben wir gesagt (.) schreibt doch mal auf was was bewegt euch wo denkt ihr wo haben wir Schwerpunkte (.) Stärken und das haben wir zusammengefasst und haben das also aufgeschrieben […] und das hat also erst mal hatten wir das Gefühl wir haben alle mitgenommen dadurch und das hatte auch son naja son Aha-Erlebnis bei einigen“ (Schulleitung Fallstudie II).

Dabei sah sich die Schulleitung für die Zusammenarbeit aller Akteure verantwortlich, wenngleich sie nachwievor Rahmenbedingungen zwischen den verschiedenen Akteuren schuf und half, diese an der Schule umzusetzen. Durch die Kooperation von Schulleitung und Kollegium entstand ein Gesamtgefüge, was eine gemeinsame Basis für eine erweiterte innerschulische Kultur darstellte. Die hier dargestellte Form der Realisierung von Schulentwicklungsprozessen zeichnet sich durch ihre Dynamik aus. Veränderungen aufgrund von anhaltenden und neu aufkommenden Entwicklungszwängen, erfordern die gemeinsame Weiterentwicklung durch alle Teile des Kollegiums(? Kollegialität).

Aus der aktuellen Forschung zum Schulleitungshandeln wissen wir, dass vermehrt kooperative Leitungskulturen als wirksam angesehen werden. Jedoch gibt es ebenfalls zahlreiche Hinweise dafür, dass dieser Befund auf Schulen in kritischer Lage nicht unbedingt zu übertragen ist (vgl. Huber/ Muijs 2012). Besonders während einer Krisensituation sei eine starke, sogar direktive Führung, die die notwendigen Rahmenbedingungen schafft angebracht, damit der Entwicklungsbedarf in der Schule erkannt werden könne (vgl.ebd). Die anschließende Teilung von Verantwortung, das  Unterstützen und konstante Wertschätzen aller pädagogischen Professionellen vonseiten der Schulleitung ist jedoch genauso unabdingbar in einem erfolgreichen Schulentwicklungsprozess.

So lässt sich an dieser Stelle festhalten, dass es nahezu unmöglich ist, die „Idealschulleitung“ für sogenannte Brennpunktschulen zu definieren. Aufbauend auf unseren Forschungsergebnisse, kann man zusammenfassend festhalten, dass es wenig Sinn macht nur die Schulleitung einer besonders belasteten Schule auszutauschen oder zu versuchen Schulleiter, die einzeln schon effektiv gearbeitet haben, mit anderen Schulleitern zusammenzulegen in der Hoffnung, dass eine so neu gegründete Schule dann ebenfalls erfolgreich arbeitet (Impulsgebung). Vielmehr kommt es auf die Passung zwischen Leitung, Organisation und Entwicklungsbereitschaft von allen an Schule beteiligten Akteuren  an, wobei der Komplexität des sozialen Gefüges Schule Rechnung getragen werden muss.

 1.    Wie ist unsere Leitungskultur an der Schule zu beschreiben?

  • Was sind Charakteristika unserer Leitungskultur?
  • Welche Funktion nimmt die Schulleitung innerhalb unserer Schule ein?

 2.    Was bedeutet Schulentwicklung für uns?

  • Was sind die zentralen Bereiche unserer Schulentwicklung?
  • In welcher Art und Weise nimmt die Schulleitung Einfluss auf den Schulentwicklungsprozess unserer Schule?

 3.    Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit zwischen Schulleitung, Kollegium und Schülerschaft?

  • Welche Strukturen zur Mitwirkung und Mitgestaltung am Schulentwicklungsprozess gibt es an unserer Schule?
  • Wo liegen Möglichkeiten der Stärkung/ Entlastung/ Zusammenarbeit mit der Schulleitung?
  • Besteht schon eine Kooperation mit der Schulleitung?
  • Ist diese zufriedenstellend oder wäre es wünschenswert diese auszubauen?
  • Inwieweit werden die Schülerinnen und Schüler in Entscheidungsprozesse mit einbezogen?

Bezug zum sozialen und räumlichen Umfeld der Schule

Die Beschaffenheit der sozialräumlichen Umgebung hat stets maßgeblichen Einfluss auf die Situation der in ihr bestehenden Schulen. Das betrifft die Schülerschaft und die Anforderungen an Lehrerinnen und Lehrer genauso wie das pädagogische Programm. Gerade an Schulen in benachteiligten Stadtvierteln zeigen sich die Auswirkungen der unmittelbaren Schulumgebung in besonderer, oft kritischer Weise. So führen verschiedene Entwicklungen ökonomischer, stadt- und sozialpolitischer Art in den letztgenannten Schulen häufig zu einer Konzentration mehrfach benachteiligter Schülerinnen und Schüler. Die gegebenen Problematiken verschärfen sich innerhalb der Bildungseinrichtungen und die Schulen werden zu einer Art Brennglas umgebungsspezifischer Benachteiligungen.

Unsere Untersuchungen konnten zeigen, dass bei ähnlicher Umgebungslage durchaus differente Wahrnehmungen des die Schule umgebenden Raumes sowie unterschiedliche Bezugnahmen auf diesen.

Das betrifft zum einen das Verhältnis von Schule und sozialem Nahraum, sowie zum anderen die Wahrnehmung des Stadtteils durch das schulische Personal. So zeigte sich in unserer Fallstudie I die Tendenz, Ursachen für störendes und destruktives Verhalten (Ordnung) mit Bezug auf den Stadtteil zu erklären. Auch auf Schülerseite werden hier Probleme der Gewalt und der Aggressivität im Quartier angesprochen und ihr Einfluss auf das tägliche Miteinander als negativ wahrgenommen. Es wird dabei deutlich, dass die angesprochenen Problemlagen aus dem Stadtteil in die Schule getragen werden, etwa wenn Schülerinnen und Schüler von körperlichen Auseinandersetzungen berichten, die für die eigene Schule charakteristisch seien, hingegen aber an ‚deutschen Schulen‘, also an Schulen in nichtsegregierten Vierteln, nicht bestünden. So gibt eine Zenthklässlerin an, sie sei „zwischen Deutschen aufgewachsen“ und der Wechsel auf ihre aktuelle Schule habe sie aus besagten Gründen massiv „geschockt“ (GD_Schüler_10, FS I). Unsere Befunde weisen darauf hin, dass die Schule zum Untersuchungszeitpunkt mit dem Problem einer Überwältigung des Schulalltags durch offenbar stadtteilspezifische Problemlagen zu kämpfen hatte. Diese Wahrnehmung der Lernenden passt zur Praxis der Bezugnahme auf den Stadtteil durch die Schule, die in unserer Fallstudie I in erster Linie als Identifikation der Schule mit dem Quartier und den hier lebenden Menschen bestand. Ausgehend von der Schulleitung und pädagogischen Akteuren an der Schule wird diese als zum Stadtteil passend entworfen und auf die hier lebende Schülerschaft ausgerichtet. Das Quartier wird damit nicht problematisiert, sondern anerkannt.

Anders im Rahmen unserer Fallstudie II, wo die aus dem bzw. im Stadtteil entstehenden Problematiken von Gewaltbereitschaft und Aggression sowie die generelle soziale Lage im Umfeld durch das Kollegium als kritisch erachtet werden. Die Schule wird in diesem Fall als eine „Gegenwelt“ zur der eher rauen Umgebung entworfen. So ist sich das pädagogische Personal durchaus darüber im Klaren, dass der Stadtteil keineswegs gewaltfrei ist und somit negative Einflüsse auf die Schülerinnen und Schüler ausübt. Ein Mitglied der Schulleitung drückt dies so aus:

„…weil der Stadtteil an sich ist nicht gewaltfrei […] aber wir versuchen es mit diesen Regeln hier wir sagen immer […] wir geben den Kindern hier die soziale Sicherheit auch […] und dazu gehört auch die Sicherheit dass es ein gewaltfreier Raum ist“ (GD_Schulleitung_FS II)

Die Schule stellt einen Schutzraum mit festen Regelstrukturen und Verlässlichkeiten dar. Er bietet den Schülerinnen und Schülern ‚soziale Sicherheit‘und zeichnet sich durch Gewaltfreiheit aus. Sie stellt eine Alternative zum negativ besetzten, eben ‚nicht gewaltfreien‘ Stadtteil dar und wird damit zu einer institutionellen Gegenwelt mit eigenen sozialen Normen. Hierin eingebunden sind auch Kooperationsstrukturen mit außerschulischen Einrichtungen der Jugendhilfe sowie zwischen den verschiedenen Professionen innerhalb der Schule (Kooperation und Kollegialität, Ordnung).

Ein weiterer wichtiger Punkt im Bezug auf das Verhältnis von Schule und Sozialraum ist mit der Elternarbeit angesprochen, die in unseren Untersuchungsschulen durchweg als schwierig beschrieben wird. Es zeigt sich in der Regel eine Spannung zwischen einerseits dem Versuch, die Eltern in die schulische Erziehung einzubinden und andererseits der Neigung, Elternarbeit mehr oder weniger auszublenden. Das folgende Zitat einer Lehrerin verdeutlicht dieses Spannungsfeld:

„…ich versuche immer ganz viel die Gemeinschaft so fördern, den Zusammenhalt und auch nicht gegen die Eltern zu sein, sondern die so mit ins Boot zu holen. Aber vorwiegend muss ich das mit den Schülern machen. Auf etliche Eltern ist kein Verlass also in schwierigen Stadtteilen sind die Eltern ja eher ne Beilage, nen Beiwerk“ (NI_Lehrerin, FS II 2011)

 Die besagte Problematik ist für beide untersuchten Schulen charakteristisch, Reaktionen bestehen im Fall der zweiten Untersuchungsschule in einer individualisierenden Konzentration auf die Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern. Der Problematik des Stadtteils, in welche die Eltern inbegriffen sind, wird durch die Konzeption der Schule als Schutzraum begegnet.

Der Kern aller im hier besprochenen Zusammenhang ausgebildeten Orientierungen besteht in der Frage nach dem Verhältnis zwischen Schule und Stadtteil, nach dem Platz der Bildungseinrichtung innerhalb der sozialräumlichen Umgebung. Zur Disposition stehen Formen der Abgrenzung, Aneignung und Integration von Schule und sozialem Nahraum (Kooperation). Auf dieser Basis und mit Blick auf Praktiken der Schulentwicklung in schwieriger Lage können folgende Reflexionsanreize formuliert werden:

  1. In was für einem Stadtteil befindet sich unsere Schule?

  •  Was kennzeichnet die soziale Lage im Viertel (Arbeitslosigkeit, Häufung familiärer Probleme, Gewaltbereitschaft)?

 2. Welcher Art ist der Einfluss des Sozialraums auf unsere Schülerinnen und Schüler sowie auf unsere schulische Praxis?

  • Wie ist es um die sozial-emotionale Lage unserer Schülerinnen und Schüler bestellt?
  • Welche Problemfälle sind uns bekannt, welche Formen von stadtteilspezifischer Problematik treten in unserer Schule auf?

 3. Wo liegen Möglichkeitsräume der Reaktion auf die Umgebungsspezifika und über welche Formen pädagogischer Praxis können wir reagieren?

  • Bestehen bereits Kooperationsstrukturen in den Stadtteil?
  • wenn ja: wie können sie ausgebaut werden?
  • wenn nein: wer wären potentielle Partner?

„Schülerbilder“ – der Blick auf die Lernenden als Einflussfaktor schulischer Praxis

Der Umgang mit Schülerinnen und Schülern gehört zum Kernbestand der täglichen Arbeit von Lehrkräften. Dabei spielt natürlich nicht ausschließlich die Wissensvermittlung und damit das Eingehen auf und Umgehen mit den kognitiven, fachspezifischen Leistungen der Kinder eine Rolle, sondern mindestens ebenso der zwischenmenschliche Kontakt. Lehrerinnen und Lehrer bilden dabei spezifische, von eigenen Voraussetzungen ebenso wie von der Umgebung der Schule und dem Herkunftsmilieu der Schülerinnen und Schüler abhängige Vorstellungen und „Alltagstheorien“ über ihre Klientel heraus. Das angesprochene Phänomen dürfte sich in jeder Schulform und jeder Lage zeigen, gewinnt aber vor dem Hintergrund der Situierung einer Schule innerhalb sozialer Brennpunkte eine gesonderte Bedeutung. Namentlich der Migrationshintergrund von Schulkindern scheint ein wesentlicher Bezugspunkt solcher Alltagstheorien zu sein. Aus der Forschung wissen wir, dass Lehrkräfte durchaus dazu neigen können, vom familiären (Migrations-) Hintergrund auf die Lebensumstände, Charakteristika und Leistungsfähigkeit ihrer SchülerInnen rückzuschließen. Dabei werden nicht selten stereotypisierende, die Kinder negativ verallgemeinernde Sichtweisen bedient.

Im Zusammenhang unserer Untersuchungen konnten wir verschiedene Perspektiven herausarbeiten, die Lehrkräfte auf ihre Schülerinnen und Schüler einnehmen.  Diese reichen von der völligen Ausblendung sozialer Hintergründe über stereotype Orientierungen bis hin zu solchen Sichtweisen, die vor allem die sozio-ökonomische Benachteiligungslage der Kinder in den Blick rückt. Die benannten Perspektiven entfalten ihre Wirkung im Hinblick auf verschiedenste Aspekte des Umgangs mit den Kindern und Jugendlichen und scheinen diesen maßgeblich vorzustrukturieren.

So zeigte sich erstens eine Orientierungs, die Erklärungen für im Schulalltag auftauchende Missstände im muslimischen Familienhintergrund der Schülerinnen und Schüler sucht. Hier werden auch geschlechtsspezifische Stereotype sichtbar, wenn z.B. von „türkischen Mädchen mit Kopftuch“ die Rede ist. Zuhause müssten diese „Hausarbeit machen – nicht Aufgaben, aber Hausarbeit“, so ein Akteur (Interview Schulleiter, FS I). Mit der beschriebenen Orientierung geht die Praxis einer Assimilierung der Migrantenkinder durch kulturelle Bildung einher, etwa wenn ein anderes Mitglied dieser Schulleitung als Ziel bestimmt, dass man „überhaupt nicht mehr mitkriegt, dass das Kinder von Migranten sind dass man da keine Unterschiede mehr sieht“ (Interview stellv. Schulleiter, FS I). Hierin inbegriffen ist auch, so wurde weiterhin deutlich, die Neigung zur Aberkennung der Erziehungsfähigkeit der Eltern und eine stark stereotypisierende Sichtweise auf die Schülerinnen und Schüler mit dem Migrationshintergrund als zentralem Fluchtpunkt.

Auch an einer anderen Untersuchungsschule besteht die Schülerschaft zu einem großen Teil aus Kindern aus sozial benachteiligten Familien, oftmals ebenfalls mit Migrationshintergrund. Die Perspektive auf die Schülerklientel, wie sie von den PädagogInnen angelegt wird, zeichnet sich jedoch durch eine zunächst stark individualisierende Haltung aus, wobei vor allem die soziale Lage und ihre Auswirkungen auf den emotionalen Haushalt der Kinder Berücksichtigung findet. So gibt eine Lehrerin an, die SchülerInnen brächten nahezu alle einen „dicken Rucksack voll Schwierigkeiten“ mit zur Schule (GD_Lehrerinnen, FS II), was die Stärkung des sozialen Lernens notwendig mache und ebenso seine Wirkung innerhalb des „Mikrokosmos“ täglichen Unterrichts entfalte. Und so ist der Faktor des sozialen Lernens innerhalb der Kultur dieser Schule fest institutionalisiert, sowohl durch Formen der interprofessionellen Kooperation (Kooperation, Kollegialität und Partnerschaft) als auch durch regelmäßig reservierte Zeitfenster für soziales Lernen über mehrere Wochen, die ihren festen Platz im Schuljahresverlauf innehaben.

Doch auch der individualisierende Blick auf Schülerinnen und Schüler mit ihren spezifischen Schwierigkeiten kommt nicht völlig ohne Vereinheitlichung aus. Auch in dieser Fallstudie zeigten sich Tendenzen der Homogenisierung, die aber stärker auf die sozio-ökonomische Position als auf die nationalen oder religiösen Hintergründe der Kinder zielen. Die Lebenssituation der SchülerInnen, so geben zwei Pädagoginnen an, sei geprägt durch diese Benachteiligungslagen, die sich in vielfältiger Weise von den Eltern auf die Schüler übertrügen: „[D]ie Realität ist Mangel (.) äh und ihre Eltern oder ihre Mütter die alleinerziehend sind, wer auch immer erziehungsberechtigt ist, ist ja auch unter großen Sorgen“ (GD_Sonderpädagogin_Sozialpädagogin, FS II). Aus Sicht der Pädagog_innen verschränkt sich der aus der Lebenssituation entstehende Druck mit den Herausforderungen von Kindheit und Pubertät und wird auf diese Weise potenziert.Die Sichtweise auf Schülerinnen und Schüler, wie wir sie in unseren Fallstudien vorgefunden haben, dürften in ihrer Verschiedenheit deutlich geworden sein. Sie überschneiden sich hinsichtlich der Tendenz, den Eltern die Kompetenz zur Erziehung abzuerkennen bzw. diese infrage zu stellen. Wo auf der einen Seite (FS I) für den Ausgleich angeblich migrationsspezifischer Problemlagen plädiert wird, bezieht sich die andere Perspektive in pathologisierender Weise eher auf den sozio-ökonomischen Hintergrund (FS II) – jedoch wird auch hier davon ausgegangen, dass von Eltern keine Unterstützung erwartbar sei und die eigenen Bemühungen eher auf den schulischen Umgang mit Schülern setzen müssten.

Als inneren Kern beider oben dargestellter Sichtweisen können wir an dieser Stelle die Fragen nach (1) dem Fundament des an Schulen vorherrschenden Schülerbildes sowie (2) die Einschätzung der Spielräume des Ausgleichs von Benachteiligungsfaktoren identifizieren. Es liegt auf der Hand, dass der Umgang mit der eigenen „Klientel“ maßgeblich von diesen Punkten abhängt.

An dieser Stelle kann es nicht das Ziel sein, über Reflexions- und Diskussionsrunden die eigene Vorurteilsfreiheit anzustreben. Stereotypisierungen sind bis zu einem gewissen Grad Normalität und notwendige Voraussetzung sozialen Umgangs. Dennoch sollte, das kann mit Blick auf die oben skizzierten Befunde gelten, dafür Sorge getragen werden, dass die Stärke und eventuelle Dominanz v.a. negativer Schülerbilder reflektiert und damit sichtbar wird. Hiermit wären Spielräume für einen stärker individualisierenden Umgang geöffnet.

Folgende Reflexionsimpulse lassen sich als Möglichkeiten der Beurteilung und Bearbeitung eigener Schülerbilder und mittelbar der eigenen pädagogischen Praxis anführen:

 1. Was kennzeichnet unsere Schülerinnen und Schüler über die einzelnen Klassen hinweg?

  • Was sind „typische“ Verhaltensweisen?
  • Was sind „typische“ Hintergründe familiärer und sozialer Art?
  •  Wie äußern sich diese Charakteristika im Schulalltag?
  • Welche Verhaltensweisen bewerten wir als hinderlich für die Schule?
  • Welche Verhaltensweisen bewerten wir als hinderlich für den Lernerfolg des/der Einzelnen?

2. Welche Perspektive nehmen wir auf unsere Schülerinnen und Schüler ein?

  • Wie erklären wir uns kritisch bewertete Verhaltensweisen der Lernenden?
  • Welches sind typische Erfahrungen mit Schülern und ihrem Umfeld (Eltern, Freunde etc.)?
  • An welcher Stelle bemühen wir dabei vielleicht unhinterfragte Stereotype?
  • Wie wirkt sich dies im Schulalltag und auf die Kinder aus?

 3. Wo liegen Notwendigkeiten, Spielräume und Grenzen der Einflussnahme?

  • Sind unsere Ordnungs-, Disziplinar- und Betreuungsstrukturen auf unsere Schülerinnen und Schüler eingestellt (Kollegialität und Partnerschaft)
  • Wie ist die außerschulische Umgebung unserer Schüler beschaffen und gehen wir angemessen auf diese Realitäten ein (Bezug zum sozial Raum)?
  • Wie sind unsere Kontakte in den Stadtteil, können diese noch im Sinne unserer Schüler und ihrer Unterstützung ausgebaut werden (Kooperation mit externen Akteuren)?

Das Image der Schule

Der Ruf oder das „Image“ einer Schule ist meist mehr als bloße Außenwirkung. Er entsteht nicht zuletzt auch über die Selbstdefinition des Kollegiums, entfaltet seinen Einfluss auch nach innen und steht wiederum in einem Wechselverhältnis mit der Schulumgebung. Dabei hängt schulisches Ansehen weiterhin mit der Schulform zusammen: Dass Hauptschulen in ihrer Gesamtheit einen anderen Ruf haben als Gymnasien, liegt auf der Hand. Dem Schulimage kommt auf Stadt- oder Stadtteilebene in Zeiten „Neuer Steuerung“ noch eine weitere Bedeutungsdimension hinzu. Wenn Elternwahlrecht für weiterführende Schulen herrscht und sich stellenweise so etwas wie eine Marktkonkurrenz um Schülerzahlen entwickelt, kann ein schlechtes Image auf kurz oder lang sogar den Bestand der Schule bedrohen. Besonders Dieser Aspekt potenziert sich zudem für Schulen in benachteiligten Stadtteilen. „Image“ kann also, in extremen Fällen, zum Überlebensfaktor einer Schule werden.

Im Kontext unserer Studien interessieren wir uns auch dafür, wie die Akteure vor Ort ihr eigenes Schulimage definieren, woran sie es festmachen und welche Aspekte sie hier für maßgeblich halten. So haben wir in unserer ersten Fallstudie durchaus unterschiedliche Entwürfe von „Schulimage“ gefunden, die sich nicht zuletzt auch in ihren „Adressatengruppe“ unterscheiden.

Eine erste Figur wäre hier die Konzeption einer Schule, die eine positive Einstellung der Schülerinnen und Schüler zur Schule selbst zu befördern vermag und sich im Stadtteil als „attraktiv“ darstellt. So gibt der Schulleiter einer der Fusionsschulen unserer ersten Fallstudie an, ihm gehe es darum, im Zuge der Schulreform dafür zu sorgen, dass die neugegründete integrierte Schulform „für die Schüler insgesamt attraktiv ist, auch für die, die Abitur machen wollen“. Aufgrund der Schullandschaft im Stadtteil, die ihren Schwerpunkt auf niedrigqualifizierenden Schulen hatte und in der auch kaum Gesamtschulen existierten, „fehlte eigentlich für diese Bevölkerung hier immer eine relativ attraktive Schule“ (Interview_Schulleiter, FS I). Aus diesem Grund sieht er die Neugründung als Chance. Entsprechend bestehen Kontakte u.a. zu Grundschulen, um hier bereits dafür zu sorgen, dass die Schule ihr Ansehen verbessert und Schüler werben kann.

Eine zweite Figur innerhalb der Fallstudie I bezieht sich stärker auf den Faktor der ?Kooperation mit externen Akteuren. Der Schulleiter der zweiten Fusionsschule definierte diesen Schulentwicklungsbereich als eines seiner wesentlichen Aufgabenspektren. Damit war für ihn nicht nur die Verbesserung der innerschulischen Situation verbunden, sondern gleichzeitig die Verbesserung des Rufes der Schule im Stadtteil. Dabei steht dieser Punkt in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Organisation der Schule selbst. So gibt er an, das „Tolle“ an der eigenen, alten Schule sei gewesen, dass man als „verlässlich“ gegolten habe: „[D]as heißt wenn Partner sich auf uns eingelassen haben waren sie zufrieden dass es eigentlich auch immer klappt“. Eine gute Organisation der Schule selbst ist dabei der Hauptaspekt:

[D]ie Schulen die einigermaßen gut sind die kriegen dann Angebote, die die anderen nicht kriegen. Also das ist so ‘ne Spirale, und […] es wär‘n schöner Selbstversuch gewesen, hätten wir *integrierte Schulform* werden können in dem kleinen Gebäude wären wir vermutlich bald eine der besten Schulen in *Stadtteil* geworden. Einfach weil die Eltern hätten diese Schule aufgrund ihrer Struktur, ihrer Übersichtlichkeit gewählt, wir hätten ganz andere Schüler gehabt“ (GD_Ge-schichte_Fusionsschule_2, FS I)

An beiden beschriebenen empirischen Befunden wird die Bedeutung von Image/Ruf im Verhältnis zum Stadtteil deutlich.

In unserer zweiten Fallstudie konnten wir differente Entwürfe von Schulimage finden, wobei her einzelne Elemente der oben beschriebenen Figuren ebenfalls auftauchen. Ein wichtiger Punkt ist in diesem Zusammenhang die Geschichte der Schule selbst, die ihren Anfang in einer Krise nimmt. Dabei ist entscheidend, dass die Schule eine längere Tradition des Lernens in heterogenen Gruppen über innere Differenzierung aufweist, die nicht immer positiv wahrgenommen wurde: Die Schule stand in einem Konkurrenzverhältnis zu solchen Schulen, die äußere Differenzierung als vorteilhafter propagierten. Die Schulreform hin zu integrierten Schulen fiel an dieser Schule demnach auf fruchtbaren Boden.

Die Schulleiter der Felix-Klein-Schule geben in einer Gruppendiskussion an, man habe sich Anfang der 2000er Jahre in einer ernsten Krise befunden, da die Anmeldezahlen auf ein Minimum geschrumpft seien. Die rettende Innovation bestand in einer verstärkten Öffentlichkeitsarbeit, wobei diese Praxis dem „üblichen“ Lehrerhandeln zunächst fremd gewesen sei: „man prahlt ja nicht mit dem was man so erreicht oder was man macht, und dann hat sich das geändert“. Man sei „aktiver geworden“, habe regelmäßige Kontakte zu Institutionen des Stadtteils und zu örtlichen Medien gepflegt und „kommuniziert wie unsere pädagogische Arbeit aussieht“ (GD_Schulleitung, FS II). Es folgen die erfolgreiche Teilnahme an Schulwettbewerben und andere Aktivitäten, welche die Schule in der Öffentlichkeit bekannt machen, Maßnahmen der Verbesserung des Schulimages werden innerhalb der Schule „gebündelt“. Insgesamt resultiert hieraus eine „gute Stimmung […] in der Schule“. Die Balance von Arbeit nach außen und Arbeit im Inneren ist dabei ausschlaggebend: „[D]as eine Ding ist nach außen zu gehen, aber wir haben eben auch intern versucht zu gucken was wir dort machen können“.

In den Schilderungen unserer Schulleiter aus der zweiten Fallstudie wird deutlich, wie stark das Schulimage mit den Faktoren der Selbstwahrnehmung, Identität, der Kooperation mit externen Akteuren und der Kooperation mit externen Akteuren der Schule zusammenhängt. Alle hier beschriebenen Figuren überschneiden sich mit Blick auf den Zusammenhang von Schule und Stadtteil (Bezug zur sozialen Umgebung). Es kann demnach festgehalten werden, dass „Image“ zunächst einmal eine Kategorie ist, die auf der Selbstdefinition und der eigenen pädagogischen Ausrichtung einer Schule basiert und er dann eine Wirkung nach außen entfaltet, die wiederum in einer verbesserten Schulsituation resultiert. Es ergeben sich folgende Reflexionsanreize, die zu einer Arbeit am „Schulimage“ dienlich sein können:

  1. Wie ist eigentlich der Ruf unserer Schule im Stadtteil und darüber hinaus?

  • Welche Quellen haben wir hier zur Verfügung (Lokalzeitungen, Nachrichten etc.)
  • Wem ist unsere Schule eigentlich über ihren Namen hinaus bekannt?
  • Wie sind die Verhältnisse zu unseren Kooperationspartnern?

2. Image nach innen: Wie nehmen wir unsere Schule, ihre Stärken, Schwächen und ihre pädagogische Ausrichtung selbst wahr?

  • Wie würden wir unsere Schule in ein bis zwei Sätzen beschreiben?
  • Wie sehen unsere Schülerinnen und Schüler ihre Schule?
  • Welche Aspekte unserer Schule sind gut, aber außerhalb der Schule unbekannt?
  • Welche Aspekte unserer Schule sollten nach außen getragen werden, und welche Wirkung versprechen wir uns davon?

3. Welche Mittel der Verbesserung unseres Images bestehen und können genutzt werden?

  • Bestehen Kontakte zu Lokalzeitungen, Kooperationsnetzwerke oder andere „Sprachrohre“ nach außen?
  • Welche Kommunikationswege könnten hier (re-)aktiviert bzw. etabliert werden?

4. Wie können wir Maßnahmen der Imageverbesserung effizient, weitreichend und nachhaltig umsetzen?

  • Welche Organisationsformen (Konferenzen, AGs) wären hier sinnvoll und effizient?
  • Wie tragen wir entsprechende Innovationen ins Kollegium und machen sie transparent?
  • Wie binden wir die verschiedenen Professionen hier zielführend ein?
  • Wie binden wir die Schülerinnen und Schüler mit ein?

Ordnung

„Unterricht nach bürgerlichen Maßstäben ist hier nicht mehr möglich“ (Fallstudie 1, Workshop Schulordnung)

Die Einhaltung von Verhaltens- und Kommunikationsregeln ist an vielen Schulen Grundvoraussetzung für die inhaltliche Arbeit im Unterricht und für ein gelungenes Schulleben. Dazu gehört vor allem, dass durch Pädagogen formulierte Verhaltens- und Leistungserwartungen Anerkennung bei den Schülern finden.

Schulen in segregierten Stadtteilen sehen sich hier in vielen Fällen mit besonderen Herausforderungen konfrontiert. Pädagoginnen und Pädagogen beschreiben in unseren Fallstudien ihre Schülerschaft als verhaltensauffällig, weil diese den grundlegenden Anforderungen an Disziplin, Leistungsniveau und Verhalten nicht gerecht werden. An der Beschreibung von Problemen  wird aber ebenso ersichtlich, dass auch Schülerinnen und Schüler eine stabile soziale Ordnung und ein positives Schulklima als wichtig erachten. Tendenzen eines konfliktreichen sozialen Miteinanders werden an Schulen in schwieriger Lage aus dem Stadtteil in die Schule getragen.

Wir haben in unserer Untersuchung an Schulen geforscht, die sehr unterschiedliche Formen des Umgangs mit Verhaltensproblemen entwickelt haben. An allen untersuchten Schulen fanden wir neben Suspendierungen und verhaltensbezogenen Verträgen den Ausschluss vom Unterricht als das dominante Mittel, Ordnung herzustellen:

 „wenn das über ´ne gewisse Zeit so geht muss er raus weil ich kann sonst keinen Unterricht mehr machen“ (Fallstudie 1, Workshop Schulordnung)

Dennoch wurden bei genauerem Hinsehen Differenzen in den übergeordneten Praktiken der Problembewältigung deutlich. So wird an unserer zweiten Untersuchungsschule vor dem Hintergrund eines festgeschriebenen Systems von Regeln und Sanktionen mit sozialpädagogischen Gesprächs-, Hilfe- und Beratungsmaßnahmen reagiert. Die Überführung in diese sozialpädagogischen Angebote wird von den Lehrkräften als entlastend und gleichzeitig als für die Schülerinnen und Schüler sinnvolles pädagogisches Angebot wahrgenommen (Kollegialität). An unserer ersten Untersuchungsschule hingegen bestand zum Untersuchungszeitpunkt kein einheitlich formuliertes System von Regeln und Sanktionen. Auf der Basis unterschiedlicher pädagogischer Orientierungen reagieren Lehrkräfte hier individuell auf unangepasstes Verhalten. Dabei steht kein Auffangnetz aus (sozial-)pädagogischen Beratungsangeboten zur Verfügung. Chancen für eine längerfristige Einwirkung auf Verhaltensweisen scheinen hierdurch stark beeinträchtigt.

Die besagten unterschiedlichen Praktiken basieren auf verschiedene Perspektiven auf die Schülerinnen und Schüler (Identität). Eine im weitesten Sinne kriminalisierende Sichtweise auf störende Schüler führt zu einer potentiellen „Verteidigungshaltung“. Beinahe komplementär dazu beding die eher pathologisierende Perspektive auf „schwierige“ Schülerinnen und Schüler, wie wir sie in unserer zweiten Untersuchungsschule vorfanden, einen stärker individuellen Umgang mit den Kindern. Diese stark auf die Lebensumstände, persönlichen Umfelder und Charakteristika der einzelnen Lernenden fokussierte Haltung bedingt ein Nachdenken über den geeigneten Umgang mit ihnen und strukturiert die Überführung in Beratungsangebote und damit die Praktiken der Etablierung schulischer Ordnung maßgeblich vor. Das an den Schulen jeweils vorherrschende Schülerbild entfaltet seine Wirkung auf allen Ebenen des schulischen Lebens und Arbeitens und damit auch im Umgang mit störendem Verhalten.

Die nachfolgenden Fragen sollen helfen, schulinterne Diskussionen über schulische Ordnung zu strukturieren und wichtige Entscheidungen im Zusammenhang damit zu treffen. Aus unserer Sicht müsste die Auseinandersetzung über Ordnung an der Schule drei inhaltliche Aspekte umfassen.

 1. Was ist unsere Kultur schulischen Zusammenlebens?

  • Was sind die Grundlagen unseres schulischen Zusammenlebens?
  • Welche Verhaltensweisen werden als Störungen in Unterricht und Schulleben wahrgenommen?
  • Wo liegen zentrale Konfliktpunkte und Konfliktpotenziale im Schulleben?
  • Wo liegen Spielräume und Grenzen der Akzeptanz von störendem Verhalten?
  • In welchen Zusammenhängen funktioniert das schulische Zusammenleben gut? Welche Bedingungen gelten dort?
  • In welchen Zusammenhängen funktioniert das schulische Zusammenleben nicht? Welche Bedingungen gelten dort?

 2. Auf welchen Verhaltensregeln basiert unsere Kultur schulischen Zusammenlebens?

  • Wie werden Regeln festgelegt? Welche Rolle nehmen Lehrkräfte, Sozialpädagogen. Schülerinnen und Schüler und die Schulleitung in diesem Prozess ein?
  • Welche Verbindlichkeit und Spielräume  bestehen für die Geltung dieser Regeln?
  • Wie werden Regeln durchgesetzt?

 3. Welche Maßnahmen gewährleisten unsere Kultur schulischen Zusammenlebens?

  • Welche Reaktionen bestehen bei Regelverletzungen?
  • Wie ist das Gleichgewicht zwischen pädagogischen Gesprächs-, Hilfs- und Beratungsangeboten und Sanktionen im engeren Sinne (Suspendierungen, Verweise, etc.)?
  • Welche Reaktionsformen haben sich in der Vergangenheit als wirksam erwiesen? Entsprechen diese unserer Kultur schulischen Zusammenlebens?
  • In welchem Umfang sollen Regelverletzungen einheitlich sanktioniert werden? Wo bestehen Spielräume für einzelne Pädagoginnen und Pädagogen?
  • Wie werden Sanktionen umgesetzt?