IAQ Pressemitteilung
Pressemitteilung vom 18.03.2024 | Redaktion Katja Goepel
Wenig Neues beim Niedriglohn
Langfristiger Rückgang nur in Ostdeutschland
Jede*r fünfte Beschäftigte in Deutschland war 2021 im Niedriglohnsektor tätig. Das zeigt eine aktuelle Auwertung des Instituts Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen. Damit ist das Niedriglohnrisiko langfristig betrachtet nur in Ostdeutschland gesunken. In Westdeutschland liegt das Niveau seit 2006 weitgehend konstant bei rund 20%. Daran hat auch die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns nichts geändert.
Für den aktuellen Report zum Stand der Niedriglohnforschung am Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen (UDE) betrachtete Dr. Thorsten Kalina insbesondere die jählichen Zahlen des sozio-oekonomischen Panels (SOEP) für 2021. Sein Augenmerk lag zunächst auf der Entwicklung des Niedriglohnsektors in Gesamtdeutschland. Trotz der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns im Jahr 2015 und den nachfolgenden Erhöhungen war 2021 jede*r fünfte Beschäftigte (21%) in einem Niedriglohnjob tätig. Auffällig ist der deutliche Rückgang der Niedriglohnbeschäftigung in Ostdeutschland von fast 40% (2011) auf knapp 27% (2021). Dagegen blieb das Niveau in Westdeutschland weitgehend konstant bei rund 20%.
Trotz des Rückgangs ist das Risko, einen Job im Niedriglohnsektor auszuüben, in Ostdeutschland mit 27% weiterhin deutlich höher als in Westdeutschland (20%). Insgesamt ist dieses sog. Niedriglohnrisiko in Ostdeutschland zwischen 2013 und 2021 um knapp 31% gesunken. Grund hierfür ist laut Kalina vor allem die Angleichung der Tariflöhne an westdeutsche Verhältnisse. Die Feinanalyse zeigt, dass in Ostdeutschland vielfach auch Personen im Niedriglohnsektor arbeiten, die man dort eigentlich nicht erwarten würde. Es finden sich nicht nur gering Qualifizierte in Teilzeit oder Minijob, sondern genauso Festangestellte, qualifizierte Fachkräfte und Beschäftigte in Vollzeitjobs. Ein Erklärungsansastz ist, dass es in Ostdeutschland viele Arbeitsplätze in Branchen mit einem hohen Niedriglohnrisiko gibt. Ein Beispiel ist die Land- und Forstwirtschaft, ein anderes das Baugewerbe. In beiden Branchen ist das Niedriglohnrisiko sehr viel höher ausgeprägt als in Westdeutschland (Landwirtschaft: 38% gegenüber 64,7% in Ostdeutschland; Baugewerbe: 11,1% gegenüber 32,4% in Ostdeutschland). Außerdem sind im Osten weniger Großunternehmen (>2000 Beschäftigte) mit Tarifbindung und einer starken Gewerkschaft ansässig.
Soll der Niedriglohnsektor langfristig schrumpfen, setzt Dr. Thorsten Kalina auf zwei Mechanismen: Die Löhne am unteren Rand müssten deutlich steigen – und zwar stärker als der Durchschnitt – damit auch der Abstand zwischen den Löhnen unterschiedlicher Lohngruppen verringert werden kann. Hier sind insbesondere die Gewerkschaften angesprochen, deren Tarifabschlüsse sich nachweislich positiv auf die Niedriglöhne auswirken. Zu diesem Ergebnis kommt die internationale Mindestlohnforschung, ebenso wie weitere Studien am Institut. Der Umfang der Tarifbindung hat demnach einen deutlich stärkeren Einfluss auf den Umfang der Niedriglohnbeschäftigung als die Existenz oder Höhe eines gesetzlichen Mindestlohns. Inwiefern die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf € 12,00 im Oktober 2022 dennoch Wirkung zeigt, wird Teil der nächsten Auswertung sein.
Weitere Informationen:
Kalina, Thorsten, 2024: Niedriglohnbeschäftigung 2021 – Langfristiger Rückgang nur in Ostdeutschland. Duisburg: Inst. Arbeit und Qualifikation. IAQ-Report 2024-03