IAQ Pressemitteilung
Pressemitteilung vom 17.03.2025 | Redaktion Katja Goepel
Niedriglohnrisko 2022 gesunken
Deutlicher Rückgang besonders in Westdeutschland
Das Risiko, hierzulande für einen Niedriglohn zu arbeiten, ist zwischen 2021 und 2022 um fast zwei Prozentpunkte auf 19 Prozent gesunken. Der vermutliche Grund: die Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro im Jahr 2022. Vor allem in Westdeutschland zeigt sich ein deutlicher Rückgang. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Auswertung des Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen.
Für den neuen IAQ-Report zum aktuellen Stand der Niedriglohnforschung betrachtete Dr. Thorsten Kalina insbesondere die jährlichen Zahlen des sozio-oekonomischen Panels (SOEP) für 2022. Im Mittelpunkt seiner Auswertung stand dabei die Frage, wie sich der Umfang der Niedriglohnbeschäftigung verändert hat und wie sich dies auf einzelne Beschäftigtengruppen auswirkt.
Der Anteil der Niedriglohnbeschäftigung erreichte in Deutschland in den Jahren 2009 bis 2011 einen Höchststand von rund einem Viertel (24 %) aller Beschäftigten. Erst seit 2018 – also drei Jahre nach der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns – war die Anzahl der Niedriglohnbeschäftigten und deren Anteil an der Gesamtbeschäftigung erstmals erkennbar gesunken (21,2 %). Zwischen 2021 und 2022 ist das Niedriglohnrisiko in Gesamtdeutschland von 20,9 % auf 19 % weiter zurückgegangen. Bemerkenswert ist vor allem, dass sich dieser Rückgang sehr deutlich in Westdeutschland bemerkbar macht (von 19,9 % auf 17,9 %), während frühere Rückgänge vor allem mit der Angleichung der Ost-löhne an das Westniveau erklärt werden konnten.
Kalinas Auswertungen zeigen außerdem, dass sich im Zeitraum der Mindestlohnerhöhung auf 12 Euro das Niedriglohnrisiko für einen Teil der besonders stark von Niedriglöhnen betroffenen Gruppen reduziert hat, z.B. für Migrant*innen oder befristet Beschäftigte. Bei Geringqualifizierten, Frauen, Jüngeren, Älteren oder Minijobber*innen konnte hingegen nur ein unterdurchschnittlicher Rückgang des Niedriglohnrisikos festgestellt werden. Dagegen zeigte sich ein überdurchschnittlicher Rückgang eher bei Hochqualifizierten, mittleren Altersgruppen, Männern oder sozialversicherungspflichtig Beschäftigten – also nicht bei den Beschäftigtengruppen, die besonders schlecht bezahlt werden.
„Es ist fraglich, ob eine abermalige Erhöhung des Mindestlohns dazu geeignet ist, den Niedriglohnsektor weiter zu verkleinern, und ob sie andererseits besonders betroffenen Beschäftigtengruppen helfen würde, ein Lohnniveau oberhalb der Niedriglohnschwelle zu erreichen“, so der Arbeitsmarktforscher. „Die internationale Mindestlohnforschung wie auch eigene Studien zeigen vielmehr, dass der Umfang der Tarifbindung einen deutlich stärkeren Einfluss auf den Umfang der Niedriglohnbeschäftigung in einem Land hat als die Existenz oder Höhe eines gesetzlichen Mindestlohns“. Der Wissenschaftler plädiert daher für eine Ausweitung der Tarifbindung, um den Niedriglohnsektor hierzulande auch zukünftig weiter zu verkleinern.
Weitere Informationen:
Thorsten Kalina, 2025: Niedriglohnbeschäftigung 2022 – Deutlicher Rückgang in Westdeutschland. Duisburg: Inst. Arbeit und Qualifikation. IAQ-Report 2025-03.