IAQ Pressemitteilung

Pressemitteilung vom 08.02.2007 Jede dritte Frau arbeitet bei Vollzeit zu Niedriglohn

IAQ plädiert für einen gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland



Fast jede dritte vollzeitbeschäftigte Frau in Deutschland arbeitet zu Niedriglöhnen, während der Niedriglohnanteil bei den Männern mit 10 Prozent weitaus niedriger liegt. "Ein gesetzlicher Mindestlohn müsste in Deutschland besonders auch aus der Sicht von Frauen eingeführt werden", meint Dr. Claudia Weinkopf vom Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg Essen (UDE). Tarifliche Mindestlöhne sind keine Alternative, weil die hierfür erforderlichen Voraussetzungen (z.B. bundesweite Tarifverträge) in typischen Frauenbranchen häufig nicht gegeben sind.

Bezieht man Teilzeit- und Minijobs ein, liegt der Frauenanteil am Niedriglohnsektor bei fast 70 Prozent. Unter der Niedriglohnschwelle (nach OECD-Definition zwei Drittel des mittleren Lohnes) arbeiteten nach IAQ-Berechnungen im Jahre 2004 39,1 Prozent der Frauen in Vollzeit, 25,8 Prozent in sozialversicherungspflichtiger Teilzeit und 35,1 in Minijobs. "Bei Frauen kommen also häufig niedrige Stundenlöhne und kurze Arbeitszeiten zusammen, was dazu führt, dass sie ganz besonders geringe Chancen auf eine eigenständige Existenzsicherung haben", folgert Weinkopf, Leiterin der IAQ-Forschungsabteilung "Flexibilität und Sicherheit".

Weniger als 7,50 € - die aktuelle gewerkschaftliche Forderung für einen gesetzlichen Mindestlohn - verdienen bundesweit rund 4,6 Millionen Beschäftigte, ein Drittel von ihnen (ca. 1,5 Millionen) sogar weniger als 5 € brutto pro Stunde. Zurzeit übernimmt der Staat häufig die "Ausfallbürgschaft" für niedrige Löhne - z.B. durch ergänzende Ansprüche auf Arbeitslosengeld II -, wenn das Familieneinkommen nicht ausreicht. Im September 2005 betraf dies gut 900.000 Erwerbstätige. Nach aktuellen Berechnungen hätten sogar noch deutlich mehr Beschäftigte Anspruch auf staatliche Zuzahlungen, machen diesen bislang aber nicht geltend.

Ein Mindestlohn nutzt aber nicht nur den Beschäftigten, sondern schützt auch die Unternehmen vor Lohndumping der Konkurrenz aus Niedriglohnländern. In 20 von 27 EU-Mitgliedsländern gibt es einen gesetzlichen Mindestlohn - und in den anderen Ländern Mechanismen, die für eine deutlich höhere Tarifbindung sorgen als in Deutschland. Europäische Nachbarländer wie Frankreich, die Niederlande, Großbritannien, Belgien, Luxemburg und Irland haben aktuell Mindestlöhne von knapp 8 bis über 9 €.

Unstrittig ist, dass gesetzliche Mindestlöhne alleine nicht automatisch zu einer eigenständigen Existenzsicherung von Frauen führen würden, denn selbst 7,50 Euro pro Stunde reichen bei Teilzeitarbeit dafür i.d.R. nicht aus. "Aber sie wären ein äußerst wichtiger Schritt in diese Richtung!", so Claudia Weinkopf.

Zur Orientierung: Niedriglohnschwelle
Bei Vollzeit waren dies 2003 für Deutschland gesamt monatlich 1.661 € brutto (bzw. bei Berechnung separater Niedriglohnschwellen 1.736 € in West- bzw. 1.309 € in Ostdeutschland). Bezogen auf alle Beschäftigten lagen die Niedriglohnschwellen 2004 bei getrennter Ost-West-Betrachtung bei Bruttostundenlöhnen von 9,83 € (West) bzw. 7,15 € (Ost).

Redaktion:

Claudia Braczko

Für weitere Fragen steht Ihnen zur Verfügung:

Dr. Claudia Weinkopf