IAQ Pressemitteilung
IAQ-Studie zur Gleichstellung von Zeitarbeitskräften
Die Arbeitsbedingungen von Zeitarbeitskräften sollen durch eine Angleichung an die Rechte anderer Beschäftigter verbessert werden, darauf einigte sich nach langem Ringen kürzlich der EU-Sozialministerrat. Deutsche Zeitarbeitskräfte werden nach Einschätzung des Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen davon voraussichtlich aber kaum profitieren. Denn wie bereits in Deutschland könnten sich die Grundsätze des "Equal Pay" und "Equal Treatment" auch auf der europäischen Ebene bei genauerer Betrachtung als Mogelpackung erweisen: Die Mitgliedsstaaten können zulassen, dass in Tarifverträgen andere Regelungen getroffen werden.
In Deutschland hat eine solche Ausnahmeklausel dazu geführt, dass es mittlerweile zahlreiche Tarifverträge für die Zeitarbeit gibt. Schätzungsweise 95 Prozent aller Zeitarbeitskräfte werden tariflich entlohnt. Vor allem in den unteren Lohngruppen sind darin sehr niedrige Löhne von 7 Euro, in einigen Fällen sogar nur 4 bis 6 Euro vorgesehen. Dies ist deutlich niedriger als die Höhe der typischen Tariflöhne in Branchen, in denen viele Zeitarbeitskräfte eingesetzt werden.
In einer Expertise für die Friedrich-Ebert-Stiftung haben Dr. Claudia Weinkopf, Vize-Direktorin des IAQ, und Achim Vanselow von der IAQ-Forschungsabteilung Flexibilität und Sicherheit, aktuelle Entwicklungen in der Zeitarbeitsbranche untersucht. So hat sich von 2003 bis 2007 die Zahl der Zeitarbeitskräfte auf über 730.000 weit mehr als verdoppelt. Vor allem größere Betriebe nutzen die Potenziale: Gut jeder dritte Betrieb mit 50 bis 249 Beschäftigten setzt Zeitarbeitskräfte ein, bei Betrieben mit 250 Beschäftigten und mehr sind es knapp 45 Prozent. Immer mehr Betriebe haben zudem die Aufhebung der Höchstüberlassungsdauer genutzt, um eigene Zeitarbeitsfirmen zu gründen und damit ihre Arbeitskosten zu senken.
Selbst nach Einschätzung von Arbeitgeberverbänden der Zeitarbeitsbranche ist die Einführung eines Branchenmindestlohns dringender denn je notwendig, um Lohndumping flächendeckend wirkungsvoll zu verhindern. Nach Einschätzung der IAQ-Wissenschaftler würde die Einführung von Mindestlöhnen gemäß dem Mindestlohn-Tarifvertrag nur Niedrigstlöhne unterbinden und Mindeststandards auf einem relativ geringen Niveau verankern, nicht aber den Zeitarbeitsmarkt insgesamt in Schwierigkeiten bringen. Betriebliche Einsätze von Zeitarbeitskräften sollten zudem (wieder) befristet werden. Das Geschäft gewerblicher Zeitarbeitsunternehmen würde hierdurch kaum beeinträchtigt. Jedoch könnten Auswüchse unterbunden oder zurückgedrängt werden, bei denen durch die Auslagerung ganzer Abteilungen Arbeitskräfte zu ungünstigeren Bedingungen auf denselben Arbeitsplätzen wie zuvor weiter beschäftigt werden.
In ihrem Bericht schlagen die IAQ-Wissenschaftler vor, die Einführung tariflicher Mindestlöhne in der Zeitarbeit und das Gleichbehandlungs-Gebot nach einer Einarbeitungszeit zu kombinieren. So könnten die Branchenmindestlöhne in der Einarbeitungszeit als Lohnuntergrenze fungieren und im Anschluss ein Anspruch auf Gleichbezahlung bestehen, wie dies in Deutschland vor den letzten Reformen bereits für längere Zeitarbeitseinsätze von mehr als zwölf Monaten der Fall war.
Weinkopf, Claudia / Vanselow, Achim, 2008: (Fehl-)Entwicklungen in der Zeitarbeit? Expertise im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung. Bonn: FES. Wiso Diskurs: Expertisen und Dokumentationen zur Wirtschafts- und Sozialpolitik ; Gesprächskreis Arbeit und Qualifizierung. ISBN 978-3-89892-922-6
Die aktuelle IAQ-Expertise ist zu finden unter http://library.fes.de/pdf-files/wiso/05403.pdf