IAQ Pressemitteilung
Anspruch, aber keine konkrete Hilfe
Zu den Eckpunkten zur Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen, die am 9.12.2009 vom Bundeskabinett verabschiedet wurden, hat der Arbeitsmarktexperte Prof. Dr. Matthias Knuth folgende Anmerkungen:
Das Papier benennt bekannte Missstände und nachvollziehbare Ziele, aber keinen konkreten Weg dahin. Es geht inhaltlich nicht über die Eckpunkte der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration vom Juni hinaus. Die Problemlage wird in dem Papier beschönigt, wenn mehrfach davon die Rede ist, dass Zugewanderte auf Arbeitsplätzen eingesetzt würden, die nicht ihrer Qualifikation entsprechen. Tatsache ist, dass die fehlende Anerkennung vielfach zum vollständigen Ausschluss vom Arbeitsmarkt und zur Abhängigkeit von Leistungen der Grundsicherung führt.
Ein noch zu schaffender Anspruch auf ein Anerkennungsverfahren läuft ins Leere, solange nicht gesagt wird, gegen wen sich ein solcher Anspruch richten wird. Er müsste sich vermutlich jeweils gegen diejenigen Stellen richten, die entsprechend ihren heutigen Zuständigkeiten jeweils für Prüfung und Zertifizierung von akademischen und beruflichen Qualifikationen zuständig sind - also je nach Beruf und Qualifikationsstufe Hochschulen, Bund, Länder und Kammern. Die Situation bleibt also unübersichtlich; sie ist es nicht nur für die betroffenen Zugewanderten.
Zuwanderer scheitern derzeit nicht nur am fehlenden Anspruch auf ein Anerkennungsverfahren, sondern auch daran, dass sie nicht wissen können, wer in ihrem Fall zuständig ist. Auch die Ämter, mit denen sie vorrangig zu tun haben, können sie derzeit nicht kompetent beraten. Wenn sich daran nichts ändert, können die Betroffenen auch zukünftig nicht wissen, gegen wen sie ihren Anspruch auf ein Verfahren geltend machen sollen.
Anspruch auf ein Verfahren heißt nicht Anspruch auf Anerkennung. Eine solche Gleichsetzung würde auch nicht weiterführen, denn die Folge wäre nur, dass die Anerkennung ausländischer Abschlüsse auf dem Arbeitsmarkt keine Glaubwürdigkeit erlangt. Vielen wäre mit einem auf kurzem Wege zu erwerbenden Abschluss, der auf ihre vorhandenen Kenntnisse und Fähigkeiten optimal aufbaut, mehr geholfen als mit einer Anerkennung. Das würde bedeuten, nicht nur Kompetenzen anzuerkennen, sondern in das Humankapital von Zugewanderten zu investieren.
Da das Papier sich nicht mit der vermutlich unveränderlichen Zersplitterung der Zuständigkeiten auseinandersetzt, wird der Ausbau der in diesem System tatsächlich bestehenden Handlungsmöglichkeiten nicht behandelt:
- Mit welchen Fördermitteln soll das System der Erstanlaufstellen auf und ausgebaut werden? Wo sollen sie angesiedelt werden? - Es wäre sinnvoll, sie in oder in unmittelbarer organisatorischer Nähe der Behörden zu installieren, mit denen die Betroffenen am ehesten sowieso zu tun haben: Ausländerbehörden und Arbeitsagenturen bzw. die für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Stellen.
- Wer finanziert die Kosten des Anerkennungsverfahrens wie Kopien oder beglaubigte Übersetzungen?
- Wer finanziert notwendige Anpassungsqualifizierungen, die Vorbereitung auf eine Externenprüfung bei der zuständigen Kammer oder Ergänzungsstudiengänge an einer Hochschule? Was bedeutet gezieltere Nutzung der Instrumente der Weiterbildungsförderung" - welche Kostenträger sollen ihre Instrumente gezielter nutzen?
Am Ende bekommen wir durch Punkt 12 des Papiers eine bessere Statistik, aber keine wirkliche Erleichterung für Zugewanderte mit ausländischen Abschlüssen. Insbesondere die sybillinische Formulierung, dass die Ausgestaltung der Neuregelung am Kriterium der arbeitsmarktlichen Verwertbarkeit von Qualifikationen orientiert werden solle (Punkt 13), lässt nichts Gutes erwarten. Denn die arbeitsmarktliche Verwertbarkeit soll vermutlich von genau denjenigen Institutionen beurteilt werden, die heute die Kompetenzen von Zugewanderten ignorieren. Wenn der Anspruch auf ein Anerkennungsverfahren abhängig gemacht würde von einer Beurteilung der arbeitsmarktlichen Verwertbarkeit der Qualifikation durch die Bundesagentur für Arbeit, dann würde sich die Situation der Betroffenen voraussichtlich gegenüber dem jetzigen Zustand noch verschlechtern: Wo heute manche für die Anerkennung zuständigen Stellen noch kooperativ und den Betroffenen zugewandt agieren, werden sie dieses nicht mehr tun, wenn es einen Anspruch gibt, der im Vorfeld des Verfahrens aus arbeitsmarktpolitischen Gründen negiert werden kann.