IAQ Pressemitteilung
Wunschdenken bestimmt die Wahrnehmung
„Deutschland hat Fortschritte bei der Integration von Migranten in den Arbeitsmarkt gemacht”. So oder ähnlich berichten die deutschen Medien heute unisono über eine neue OECD-Studie. Diese Interpretation gründet sich offenbar auf einen einzigen Satz in der Pressemitteilung der OECD: „In Germany, employment rates of immigrants have risen from 57% in 2000 to 64% in 2010.”
Ganz anders sieht das der Arbeitsmarktforscher Prof. Dr. Matthias Knuth vom Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen (UDE): „Im gleichen Zeitraum sind die Erwerbstätigenquoten der gesamten Bevölkerung gestiegen - es wäre geradezu katastrophal, wenn dieses nicht auch für Eingewanderte der Fall wäre!” Entscheidend ist die Frage, ob sich die Benachteiligung von Migranten verringert hat. Ein Blick in den Bericht zeigt: Das ist in Deutschland nur ganz minimal der Fall. Der deutsche Fortschritt liegt sogar noch unter dem OECD-Durchschnitt. Freilich gebe es auch Länder, die Rückschritte erleben mussten. Darunter befinden sich u.a. Länder, die von der Euro-Krise stark betroffen sind. Die Schlussfolgerung aus dem OECD-Bericht müsste also lauten: „Obwohl Deutschland bei der Beschäftigungsentwicklung so gut dasteht wie kaum ein anderes EU-Land, konnte es die Benachteiligung von Eingewanderten kaum abbauen.”
Der OECD-Bericht gibt auch einen Hinweis, warum das so ist: Während es bei den Geringqualifizierten kaum einen Unterschied in den Erwerbstätigenquoten gibt (sie sind für Einheimische und Eingewanderte gleich schlecht), erfahren Hochqualifizierte eine erhebliche Benachteiligung. Das ist in vielen Ländern so, aber nur in wenigen ist der Abstand größer als in Deutschland. Das verweist auf die Problematik der Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen in Deutschland. Mit dem seit April 2012 geltenden Bundesgesetz zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen wurde ein Anfang gemacht, der mit entsprechenden Gesetzen der Bundesländer für die Berufe in ihrem Zuständigkeitsbereich fortgesetzt werden muss. Natürlich können sich die Wirkungen einer künftig hoffentlich verbesserten Anerkennungspraxis in den OECD-Statistiken für 2009/2010 noch nicht niederschlagen.