IAQ Pressemitteilung
IAQ-Forscher widersprechen Sachverständigenrat
Ob ein Mindestlohn tatsächlich der Beschäftigung schadet oder nicht, hängt vom Umfeld ab. Er kann auch die Wirtschaft ankurbeln, weil Konsum und Produktivität steigen. In Unternehmen mit guter Ausbildung und effizienter Arbeitsorganisation sind höhere Entgelte möglich als in einem innovationschwachen Umfeld. „Die Behauptung der Mehrheit des Sachverständigenrates, dass ein Mindestlohn meist der Beschäftigung schade, gibt den Stand der internationalen Forschung nicht angemessen wieder”, kritisiert das Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen (UDE).
Neuere Studien kommen überwiegend zu dem Ergebnis, dass Mindestlöhne der Beschäftigung nicht schaden. Und einige ältere Studien, die negative Wirkungen auf die Beschäftigung signalisierten, konnten inzwischen mit verfeinerten Methoden widerlegt werden. Ideale Bedingungen scheinen in Dänemark vorzuliegen, wo trotz eines Mindestlohns von über 14 Euro pro Stunde die Beschäftigungsquote höher liegt als in den USA oder Deutschland. „In Ländern mit weniger innovativen Unternehmen und einem schlechteren Bildungsniveau könnte ein so hoher Mindestlohn allerdings zu Beschäftigungsverlusten führen” räumen die IAQ-Forscher Prof. Dr. Gerhard Bosch und Dr. Claudia Weinkopf im aktuellen IAQ-Report ein. Ihre im Internet verfügbare Publikation fasst u.a. die theoretische Debatte zu Mindestlöhnen, Ergebnisse von neueren empirischen Untersuchungen und von Evaluationen zu den deutschen Branchenmindestlöhnen zusammen.
Die Erfahrungen in anderen Ländern wie auch in Deutschland sprechen aus der Sicht des IAQ dafür, dass es nicht nur um das „Ob”, sondern vor auch um das „Wie” – also die Art und Weise der Umsetzung eines gesetzlichen Mindestlohns – geht. Bei frühzeitiger Ankündigung, wie dies in Großbritannien der Fall war und ist, haben die Unternehmen einen Planungsvorlauf und können sich vorbereiten. Innovationsberatungen sowie Unterstützung bei der Qualifizierung von Beschäftigten können Betrieben helfen, neue Geschäftsmodelle zu finden, die nicht auf schlecht bezahlter Arbeit aufbauen, raten die IAQ-Forscher.
In Deutschland sollten kluge Unternehmen, die bei Einführung einer verbindlichen Lohnuntergrenze ihre Löhne erhöhen müssen, ohnehin eigentlich schon einen „Plan B” in der Schublade haben: Was muss im Betrieb verändert werden, um den Beschäftigten künftig mindestens den gesetzlichen Mindestlohn bezahlen zu können? Die internationale Forschung zeigt, dass es hierfür zahlreiche Stellschrauben gibt: Unternehmen können das Spektrum ihrer Produkte und Dienstleistungen verändern oder erweitern, neue Kundengruppen erschließen oder ihre Preise erhöhen. Sie können zudem die Arbeitsorganisation ändern oder in die Qualifikation ihrer Beschäftigten investieren.
Geschäftsmodelle, die bislang im Wesentlichen auf Lohndumping setzten, werden mit der Einführung eines Mindestlohns nicht mehr funktionieren. Nicht jeder Arbeitsplatz und nicht jedes Unternehmen werden erhalten bleiben, aber das ist auch ausdrücklich so gewollt. „Veränderte betriebliche Strategien und verbesserte Arbeitsbedingungen werden aber nur gelingen, wenn die Einhaltung von Mindestlöhnen auch wirkungsvoll kontrolliert wird”, warnen die IAQ-Forscher.
Aus der Sicht des Instituts sind Politik, Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften, Unternehmensberatungen und nicht zuletzt auch die Wissenschaft gefragt, sich aktiv daran zu beteiligen, das gesamtgesellschaftliche Projekt „Mindestlohneinführung” in Deutschland zum Erfolg zu führen. „Letztlich geht es darum, für mehr Fairness auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu sorgen, ohne die Beschäftigung zu verringern.”
Veröffentlichung:
Bosch, Gerhard / Weinkopf, Claudia, 2013: Gut gemachte Mindestlöhne schaden der Beschäftigung nicht. Internet-Dokument. Duisburg: Inst. Arbeit und Qualifikation. IAQ-Report, Nr. 2013-04