Forschungsgruppe Migration und Sozialpolitik: Studien zur Governance, Gestaltung und Nutzung von (lokaler) Sozialpolitik im Zeichen der Flüchtlingsmigration
Das Projekt
Hintergrund
Migrationsbewegungen prägen die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Grenzgänger*innen, Personen, die Ansprüche in verschiedenen nationalen wohlfahrtsstaatlichen Systemen erwerben, EU-Binnen- und Arbeitsmigration verändern gesellschaftliche Selbstbeschreibungen, politische Zielsetzungen, Problemwahrnehmungen und administrative Praxen. Dass grenzüberschreitende Migrationen Reibungen mit den wesentlich national-staatlich verfassten sozialen Sicherungs- und Versorgungssystemen erzeugen, wird bereits langjährig thematisiert.
Mit der Fluchtzuwanderung der vergangenen Jahre treten langjährig bestehende Handlungserfordernisse neuerlich in den Vordergrund. Fragen der Anerkennung von Bildungsabschlüssen und Berufsqualifikationen, Zugangsmöglichkeiten zu Bildungsangeboten und Erwerbsarbeitsmarkt wie auch Gesundheitsleistungen in Abhängigkeit vom jeweiligen Aufenthaltsstatus rücken erneut in den Fokus von Wissenschaft und lokal-politischer Praxis gleichermaßen.
Dabei geraten auch nahräumliche Zusammenhänge und Arrangements in den Blick von Wissenschaft. Vor allem das Feld lokaler Sozial- und Integrationspolitik befindet sich nun in einem anhaltenden Reformmodus: Kommunen gelten als zentrale Akteure, die Teilhabechancen von Migrant*innen ermöglichen (sollen). Waren die Kommunen zunächst vor allem mit Fragen des Wohnens und der Grundversorgung Geflüchteter beschäftigt, verschieben und vervielfältigen sich die Aufgaben nun in Richtung der Organisation und Koordination sozialer Leistungen in verschiedenen Feldern der Sozialpolitik. Dabei entwickelt sich im Zusammenspiel lokaler Akteure gegenwärtig eine schwer zu überblickende Vielfalt pragmatisch einfallsreicher Herangehensweisen, die es zu erfassen, zu systematisieren und zu bewerten gilt.
Programm
Vor diesem Hintergrund untersucht die Forschungsgruppe Migration und Sozialpolitik, wie in lokalen Netzwerken soziale Versorgungen und Dienstleistungen ko-produziert werden. Dabei wollen wir vor allem die Nutzer*innenperspektive, also die subjektiven Perspektiven der Geflüchteten in den Vordergrund rücken. Wie nehmen Geflüchtete die jeweiligen sozialstaatlichen Leistungen wahr, wie bewerten sie ihre Situation und welchen Nutzen oder Nicht-Nutzen ziehen sie aus den verschiedenen Angeboten? Unsere Forschungen über Voraussetzungen, Nutzen und Hoffnungen Geflüchteter Personen zielen nicht nur auf eine Verbesserung sozialstaatlicher Dienstleistungen, sondern wollen einen Beitrag zu der Teilhabe von Geflüchteten an Prozessen der Interpretation und Ausgestaltung lokaler Lebenswirklichkeiten leisten.
Gleichzeitig gehen wir davon aus, dass gegenwärtige Gestalt und Praxis lokaler Sozialpolitik sich nur vor dem Hintergrund der Transformation des Sozialstaates hin zu Politiken der Aktivierung, Sozialinvestition und Eigenverantwortung interpretieren lassen: Fragen der Chancen- und Verteilungsgerechtigkeit, der Verpflichtung zu und Ermöglichung von Bildung und Erwerbsarbeit, des eigenverantwortlichen Umganges mit Gesundheit bzw. Gesundheitsleistungen, der Geschlechtergerechtigkeit wie auch der Zugänge zu Lebens- und Wohnräumen betreffen auch bzw. in spezifischem Maße Geflüchtete.