Forschungsgruppe Migration und Sozialpolitik: Studien zur Governance, Gestaltung und Nutzung von (lokaler) Sozialpolitik im Zeichen der Flüchtlingsmigration
Integration durch Bildung? Kommunale Fallstudien zur Nutzung von Bildungsangeboten bei geflüchteten jungen Erwachsenen aus Subsahara-Afrika
Bearbeitet von: Sandrine Bakoben
Die Themen Flucht und Migration stehen - nicht zuletzt durch den Anstieg der Zahl der Migrant*innen in den Jahren 2014/2015 - wieder im Mittelpunkt der aktuellen politischen Debatte. In Zeiten grenzüberschreitender Wanderungsbewegungen sehen sich Wohlfahrtsstaaten (vgl. Esping-Andersen 1990) wie die Bundesrepublik Deutschland mit der Herausforderung konfrontiert, die schutz- und asylsuchenden Migrant*innen in die bestehenden sozialen Sicherungssysteme einzubinden. Vor allem die Integration in das Bildungssystem wird als Schlüssel für eine erfolgreiche soziale Teilhabe gesehen (Gesemann 2018). Die Kommunen und lokalen Institutionen sind dabei der Ort des Bildungsintegrationsgeschehens. Insbesondere in den Kommunen ist die Integration von Migrant*innen nicht immer problemlos möglich, denn wohlfahrtsstaatliche Angebote werden weiterhin an nationalstaatlichen Grenzen (wie die Staatsbürgerschaft) festgemacht (vgl. Bausch 2015: 22). Besonders geduldeten Geflüchteten mit einer sogenannten »schlechten« Bleibeperspektiven, die beständig mit der Angst leben müssen, abgeschoben zu werden, bleibt der Zugang zu Bildung oftmals verwehrt (Bakoben 2020). Geflüchtete aus Subsahara-Afrika (SSA) sind auf Grund schlechter Bleibeperspektiven sowohl beim Zugang als auch bei der Nutzung von Bildungsangeboten doppelt marginalisiert (vgl. Seukwa 2012: 33). Obwohl die Zahl junger Geflüchteter aus dieser Region in Deutschland stetig steigt (Brücker et al. 2016; Brücker / Schupp 2017), werden der Bildungsbedarf und die Bildungsverläufe geflüchteter junger Erwachsene kaum thematisiert. Unklar ist zudem, welche Auswirkungen das deutsche Migrationsregime (Karakayali / Tsianos 2007; Kleist 2018) in Form von sozial-staatlichen Regelungen (hier v.a. Statuszuweisungen, Zugänge zu Bildungsangeboten, Struktur lokaler Bildungsangebote etc.) auf diese Zielgruppe hat und welche Reaktionen es bei den Betroffenen hervorruft.
Das laufende Promotionsprojekt untersucht die Bildungsverläufe geflüchteter junger Erwachsener aus Subsahara-Afrika. Sie denkt dabei die Institutionen des bundesdeutschen Migrationsregimes mit Nutzungsmustern lokaler Bildungsangebote und Strategien Geflüchteter zusammen. Dabei gilt es nutzungsfördernde und nutzungshemmende Mechanismen aus deren Perspektive zu rekonstruieren.
Auf der Basis von episodischen Interviews (Flick 2011) und in Anlehnung an die sozialpädagogische Nutzer*innenforschung geht das Projekt davon aus, dass geflüchtete Personen als Nutzer*innen von Bildungsangeboten ihre eigenen subjektiven Bildungswünsche und Bildungserfahrungen in das Bildungssystem einbringen. Dieser Ansatz fokussiert »radikal die Perspektive der Nutzer*innen im Dienstleistungsprozess« (Schaarschuch / Oelerich 2005: 10) und hat das Ziel, die Bildungsentscheidungen der Nutzer*innen zu rekonstruieren.
Dazu werden vier lokale Fallstudien angefertigt. Im Sinne einer sozialpädagogischen Nutzer*innenforschung bietet sich ein offen explorativer Feldzugang an, der verschiedene Methoden qualitativer Sozialforschung kombiniert. Neben episodischen Interviews mit Geflüchteten als Expert*innen ihrer Lebenslagen wurden Leitfadeninterviews mit Akteur*innen des Bildungsgeschehens vor Ort durchgeführt. Damit sollen unterschiedliche Perspektiven in der Forschungskonzeption berücksichtigt werden.