Informationen zum Forschungsprojekt
Nachfolge-Untersuchung zur Pilotstudie ARGEn in JobCentern - das Fallbeispiel der ARGE Ost
Ziel und Aufgabenstellung
Im Rahmen des von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Vorläufer-Projektes"Pilotstudie zur Entwicklung von Arbeitsgemeinschaften in JobCentern" wurde derEntstehungsprozess von 3 ARGEn im Herbst 2004 begleitet und die darausresultierenden Chancen und Probleme für die gewerkschafts- undgesellschaftspolitische Diskussion aufbereitet. In allen drei Fällen handelte essich um ARGEn mit unterschiedlichen Rechtsformen (GmbH, AöR angestrebt,"sui generis").
Im Hinblick auf die aktuelle Diskussion um die zukünftige rechtlicheAusgestaltung der Arbeitsgemeinschaften kam einem der Fallbeispiele, der ARGEOst, eine besondere Bedeutung zu, da für diese die damals neue Rechtsform "suigeneris" gewählt und auch beibehalten wurde. Auf der Grundlage der von derHans-Böckler-Stiftung geförderten Nachfolge-Untersuchung zur Fallstudie Ost wurdeder Prozess der Aufbau- und Stabilisierungsphase einer ARGE der Rechtsform "suigeneris" ein Jahr nach Inkrafttreten von "Hartz IV" begleitet und hinsichtlichder daraus resultierenden Konsequenzen für die gewerkschafts- undgesellschaftspolitische Diskussion veranschaulicht. Vordergründige Fragestellungwar, ob und inwiefern die Wahl der Rechtsform "sui generis" Auswirkungen auf dieorganisationale Umsetzung, angebotene Dienstleistungen sowie personal- undpersonalvertretungsrechtliche Entwicklung der ARGE Ost genommen hatte.
Die wichtigsten Ergebnisse unserer Nachfolge-Untersuchung lassen sich wie folgtzusammenfassen:
- Die ARGE Ost entspricht in ihrer Rechtsformals öffentlich-rechtlicheGesellschaft "sui generis" der von den ARGEn bundesweit ganz überwiegend gewähltenRechtsform, unterscheidet sich jedoch in einigen ihrer Entwicklungsbedingungenvon der Mehrheit der ARGEn. Die sehr frühe grundsätzliche Einigung über die Bildungeiner ARGE ermöglichte in diesem Fall einen frühen Start bei der Planung desOrganisationsaufbaus. In Ost sticht der Pragmatismus positiv hervor, mit dem derAufbau der ARGE vorangetrieben wurde. Die Geschäftsführungwurde von Beginn an mitden nötigen Befugnissen zur Führung der beiden großen Beschäftigtengruppen vonBA und Kommune ausgestattet. Bezüglich der Entscheidungsprozessein derTrägerversammlung verständigte man sich von Anfang an auf einen Mechanismus derPattauflösung, der den Vertretern der Kommune die Letztentscheidung überlässt.Insofern hat die Rahmenvereinbarung zwischen dem BMAS, der BA und kommunalenSpitzenverbänden vom August 2005 für die ARGE Ost keine grundlegende Änderungausgelöst, da hier schon im Vorfeld ein gangbarer Weg eingeschlagen werden konnte.
- Zum Zeitpunkt der Nachfolge-Untersuchung hatte die ARGE Ost ihre anfangsgeplante personelle Sollstärkefast erreicht. Die Zunahme der Fallzahlen seitder Planung führt jedoch bei den Kunden über 25 Jahren zu Betreuungsschlüsseln,die deutlich über der Zielgröße von 1:150 lagen - dies entspricht einem bundesweitenTrend bei den meisten SGB II-Trägern. Die Personalübergänge in die ARGE Osterfolgten freiwillig. Da die ARGE jedoch kein eigenes Personal hat, wirkenpersonal-wirtschaftliche Veränderungen bei den beteiligten Trägern als Störgrößenin die ARGE hinein. Zu diesen gehört auch die Differenzierung der Entgelt undArbeitsbedingungen zwischen den beiden Trägern wie auch in der Abfolge vonunterschiedlichen Tarifverträgen der Träger. Tarifvertragliche Änderungen undbefristete Einstellungen bei der Agentur für Tätigkeiten in der ARGE gefährdendas grundsätzlich garantierte "Rückkehr"-Prinzip und erschweren die Möglichkeitenzur qualitativen Personalentwicklung. Ähnliches gilt für die beteiligte Kommune,der nach Auslaufen des derzeitigen Haustarifvertrags aufgrund der angespanntenHaushaltslage Personalabbau droht, was auch zur Entlassung kommunalerARGE-Beschäftigter führen könnte.
- Der Stellenwert des Fallmanagementsist in der ARGE Ost im Sinne einer besonderenDienstleistung für Hilfebedürftige mit multiplen Vermittlungshemmnissen geklärt.Für Arbeitsvermittler ohne Fallmanagerfunktion, die nach dem neuen BA-Tarifvertrageingestellt wurden, führt das zum Verlust des Tätigkeitsmerkmals "Beratung" unddamit zu einer niedrigeren Eingruppierung als für die im SGB III-Bereich tätigenArbeitsvermittler. Die Gefahr besteht, dass diese tarifliche Entwertung derArbeitsvermittlung im Bereich des SGB II sich negativ auf die Motivation dernach dem neuen BA-Tarifvertrag eingestellten Arbeitsvermittler ohne Fallmanagerfunktionauswirken wird und wirft darüber hinaus die Frage auf, ob die von der Hartz-Kommissionangestrebte Intensivierung der Arbeitsvermittlung im SGB-II-Bereich überhaupt nochmöglich sein wird.
- Wie bundesweit bei allen Trägern der neu geschaffenen Grundsicherung fürArbeitsuchende standen im Jahre 2005 die pünktliche und korrekte Auszahlung derneuen Leistungen und die Bewältigung des Aufbaus einer neuen Organisation imVordergrund. Eingliederungsleistungenkamen erst allmählich in Gang, und entsprechendden politischen Vorgaben handelte es sich zunächst vor allem um Arbeitsgelegenheitenmit Mehraufwandsentschädigung. Eine wichtige Rolle zur Förderung der Integrationin den ersten Arbeitsmarkt spielten Eingliederungszuschüsse - insbesondere fürältere Arbeitnehmer. Bei den instrumentellen Innovationenin Form von "Sonstigenweiteren Leistungen" nach § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB II wurden erste Erfahrungen mitInstrumenten für Jugendliche und Ältere - beides Zielgruppen der ARGE Ost -gesammelt, die u.a. Elemente von Arbeitgeberzuschüssen enthielten.
- Besondere Dienstleistungen der Kommune u.a. im psychosozialen Bereich wurden von der Kommune nicht an die ARGE Ost übertragen und werden wie bisher von Dritten erbracht.
Vorgehen
Kern der Nacherhebung war die Durchführung von Expertengesprächen mitFührungskräften und Personalräten der beteiligten Institutionen ARGE, Agenturfür Arbeit und Kommune der Fallstudie Ost. Ergänzend wurden Dokumente analysiert(u.a. aktuelle Gesetzesänderungen, Tarifverträge, Ergebnisse laufender Projekte)und das aktuelle politische Geschehen in Bezug auf die Entwicklung der ARGEnaufgearbeitet.
Publikationen zum Projekt
Czommer, Lars / Knuth, Matthias / Schweer, Oliver, 2006: Ein Jahr "Arbeitsgemeinschaft" aufgrund von "Hartz IV": das Beispiel der ARGE Ost; Abschlussbericht des von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Projekts: "Nachfolge-Untersuchung der Fallstudie Ost aus der Pilotstudie zur Entwicklung von JobCentern". Gelsenkirchen: Inst. Arbeit und Technik | Lesen
Czommer, Lars / Knuth, Matthias / Schweer, Oliver, 2005: Job-Center in Deutschland und Großbritannien. In: Heinz Burghardt und Ruth Enggruber: Soziale Dienstleistungen am Arbeitsmarkt: soziale Arbeit zwischen Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, S. 155–174
Czommer, Lars / Knuth, Matthias / Schweer, Oliver, 2005: ARGE - moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt: eine Baustelle der Bundesrepublik Deutschland. Düsseldorf: Hans-Böckler-Stiftung. Arbeitspapier 104 | Lesen
Czommer, Lars / Schweer, Oliver, 2005: Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt in ARGEn – oder im Argen? In: Institut Arbeit und Technik: Jahrbuch 2005, S. 117–132
Knuth, Matthias, 2005: Reflexionen zum deutschen Reformpfad vor dem Hintergrund der Erfahrungen westeuropäischer Nachbarn. In: Heinz Burghardt und Ruth Enggruber: Soziale Dienstleistungen am Arbeitsmarkt: soziale Arbeit zwischen Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, S. 175–192