Informationen zum Forschungsprojekt

Dezentralisierung und Koordination



Ziel und Aufgabenstellung

Im Zusammenhang mit den Umstrukturierungsprozessen in der Industrie spieltenin den 90er Jahren organisatorische Gestaltungselemente wie Segmentierung, "Fraktale",Gruppenarbeit, oder "Teams" (in diversen Ausprägungen) eine prominenteRolle. Diese werden zusammenfassend als Maßnahmen zur Dezentralisierungbezeichnet. Von ihnen wird erwartet, dass sie zu einer Verbesserung der Leistungsfähigkeitund der Marktchancen der Unternehmen beitragen. Um komplexe Leistungen fürKunden erbringen zu können, müssen diese dezentralen Einheiten aberzielgerichtet kooperieren und koordiniert handeln. Das Verhältnis von Selbststeuerungund Koordination wird deshalb als eine wesentliche Determinante für Arbeitsgestaltung,Arbeitsbedingungen und Unternehmenserfolg deutlich und muss jeweils betriebsspezifischgestaltet werden.

Gegen Ende der 90er Jahre bestanden allerdings Informationsdefizite überder Stand der Verbreitung und Entwicklung dieser Maßnahmen: Neben einerbreiten publizistischen Debatte über vernetzte, "virtuelle Unternehmen"aus dezentralen, autonomen Einheiten gab zunehmend Hinweise darauf, dass ineinigen Branchen dezentrale Organisationsformen, insbesondere Gruppenarbeitmodifiziert bzw. zurückgenommen wurden. Zur Klärung dieses widersprüchlichenBildes wurde im Rahmen dieses Projekts untersucht:

  • wie sich Verbreitung und Reichweite der unterschiedlichen Dezentralisierungsmaßnahmenin der Industrie entwickelt haben
  • wie die Dezentralisierungsmaßnahmen genutzt wurden, also ob etwa Dezentralisierungim ganzen Unternehmen systematisch durchgeführt wurde, ob schwerpunktmäßigaufArbeitsplatzsebene oder auf Unternehmensebene dezentralisiert wurde etc..

Vorgehen

Zur Beantwortung dieser Fragen wurde eine Sekundärauswertung der Datendurchgeführt, die das Fraunhofer Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung(FhG-ISI), Karlsruhe, in zweijährigem Turnus im Rahmen seiner Unternehmensbefragungen"Innovationen in der Produktion" erhebt. Ausgewertet wurden die Datender Jahre 1997 und 1999. Eine vertiefte, multivariate Analyse des Materialswurde 2002 ergänzt. Das Projekt wurde mit Auflösung der AbteilungProduktionssysteme zum Jahresende 2002 beendet.

Ergebnisse

  • Gruppenarbeit stellte zu den Untersuchungszeitpunkten 1997 und 1999 dasin der Investitionsgüterindustrie am weitesten verbreitete Dezentralisierungselementauf operativer Ebene dar. Für andere Dezentralisierungselemente, wieAufgabenintegration oder die Dezentralisierung planender und steuernder Funktionenlässt sich festhalten, dass die überwiegende Mehrheit der Unternehmendiese nicht nutzte.
  • Strategische Dezentralisierungselemente wie Abbau von Hierarchieebenen,Aufgliederung von Zentralbereichen oder Segmentbildung in der Produktion werdenvon den befragten Unternehmen deutlich häufiger als die operativen genutzt.
  • Insgesamt lässt sich der Eindruck dahingehend zusammenfassen, dasses in den letzten Jahren bezogen auf die Organisationsstruktur der befragtenUnternehmen zu einer erkennbaren "Verschlankung" gekommen ist. DerAbbau von Hierarchieebenen und die Aufgliederung von Zentralabteilungen warin den Untersuchungsjahren offenbar in vollem Gange.
  • Die Veränderungen deuten darauf hin, dass die Unternehmen wesentlichstärker versuchten, durch die markt- bzw. produktorientierte Aufgliederungzentraler Bereiche und Aufgaben leistungsfähiger und marktpräsenterzu werden. Demgegenüber sind die Zuwächse bei den operativen Elementen,die stärker personalorientiert ansetzen, vergleichsweise gering. ErsteUntersuchungen der Zusammenhänge zwischen den Dezentralisierungsmusternund ausgewählten Leistungsindikatoren deuten aber an, dass sich eherarbeitsorientierte Maßnahmen positiv (z.B. verkürzend auf Durchlaufzeit)niederschlagen.
  • Eine ganzheitliche Dezentralisierung, die kohärent die verschiedenenDezentralisierungselemente kombiniert und aufeinander bezogen zum Einsatzbringt, stellte in der deutschen Investitionsgüterindustrie 1999 eherdie Ausnahme dar. Lediglich etwa 11% der Unternehmen gingen so vor. Weiterverbreitet sind asymmetrische Dezentralisierungsmuster, die einseitig diestrategischen Aspekte der Dezentralisierung betonen.
  • Engpässe einer umfassenden Dezentralisierung sind damit eindeutigdie Verlagerung der Auftragsplanung und -steuerung an den Ort des Geschehenssowie die Integration dieser Aufgaben in das Tätigkeitsspektrum der Arbeiter.

Publikationen zum Projekt

Brödner, Peter / Latniak, Erich, 2004: Recent findings on organisational changes in German capital goods producing industry. In: Journal of manufacturing technology management 15 (4), pp. 360-368

Latniak, Erich, 2003: Schlank schon, aber auch fit? Dezentralisierung in der deutschen Investitionsgüterindustrie. Gelsenkirchen: Inst. Arbeit und Technik. IAT-Report Nr. 2003-03

Brödner, Peter / Latniak, Erich, 2002: Will they ever take the "high road"? Recent findings on organisational changes in German industry. In: Riitta Smeds: Continuous innovation in business processes and networks; proceedings of the 4th International CINet Conference, september 15-18, 2002, Helsinki University of Technology, Espoo, Finland, pp. 119–130

Latniak, Erich, 2002: Dezentralisierung in der deutschen Investitionsgüterindustrie. In: 18. und 19. April 2002 1. Tagung "Innovative Arbeitsgestaltung - Zukunft der Arbeit" für eine menschengerechte Arbeitswelt: 1. Tagung "Innovative Arbeitsgestaltung - Zukunft der Arbeit" für eine menschengerechte Arbeitswelt, 18. und 19. April 2002, Berlin, Forum 10, S. 3 S.

Latniak, Erich / Kinkel, Steffen / Lay, Gunter, 2002: Dezentralisierung in der deutschen Investitionsgüterindustrie: Verbreitung und Effekte ausgewählter organisatorischer Elemente. In: Arbeit : Zeitschrift für Arbeitsforschung, Arbeitsgestaltung und Arbeitspolitik 11 (2), S. 143-160

Projektdaten

Laufzeit des Projektes
01.09.1999 - 31.12.2002

Forschungsabteilung

Bearbeitung:
Dr. Erich Latniak