Informationen zum Forschungsprojekt

Die Insolvenzsicherung von Arbeitszeitguthaben: Formen der Regulierung und ihre Wirksamkeit - Promotionsstipendium der Hans-Böckler-Stiftung



Ziel und Aufgabenstellung

Arbeitszeitkonten sind zu einem der wichtigsten Mittel der Arbeitszeitflexibilisierung in Deutschland geworden und haben in Betrieben inzwischen eine weite Verbreitung. Trotz der vielen Vorteile, die Arbeitszeitkonten für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber aufweisen, gibt es ein wichtiges Problem: Die teilweise erheblichen Arbeitszeitguthaben der Beschäftigten drohen im Insolvenzfall des Unternehmens verloren zu gehen.
Obwohl es inzwischen gesetzliche und tarifliche Grundlagen sowie verschiedene Möglichkeiten der Absicherung von Arbeitszeitguthaben gibt, scheint die Insolvenzsicherung immer noch eine Ausnahmeerscheinung in der betrieblichen Realität zu sein. Die Folge davon ist, dass es zur Zeit einen erheblichen Anteil an Beschäftigten gibt, deren Arbeitszeitguthaben ungeschützt sind und die damit den Großteil des finanziellen Risikos der Arbeitszeitflexibilisierung alleine tragen müssen. Zudem gibt es Hinweise, dass die Flexibilisierung der Arbeitszeiten von Arbeitnehmerseite gebremst wird, solange Unsicherheiten über Rahmenbedingungen und Absicherungsmöglichkeiten bei den Arbeitszeitkonten bestehen.
Aus diesen Entwicklungen ergeben sich die Fragestellungen des Promotionsvorhabens. Ausgangspunkt sind Tendenzen in der Flexibilisierung der Arbeitszeiten, der Entwicklung von Unternehmensinsolvenzen sowie die derzeit vorhandenen Rahmenbedingungen und Möglichkeiten der Insolvenzsicherung. Im Mittelpunkt der Arbeit stehen die Schwierigkeiten bei der betrieblichen Verbreitung der Insolvenzsicherung. Die Kernfragestellungen sind dabei:

  1. Wie verbreitet ist die Insolvenzsicherung in Betrieben mit Arbeitszeitkonten tatsächlich?

    Bislang fehlten aussagekräftige quantitative Erhebungen, die aufzeigen konnten, wie hoch der Anteil der Firmen mit insolvenzgeschützten Arbeitszeitkonten ist. Daher wurde durch eine Zusammenarbeit mit dem Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut in der Hans-Böckler-Stiftung (WSI) drei Fragen zur Insolvenzsicherung in einer bundesweit durchgeführten Betriebsrätebefragung aufgenommen. So konnte nicht nur nachgewiesen werden, dass nur eine Minderheit der Betriebe trotz rechtlicher und tariflicher Grundlagen entsprechende Sicherungsmodelle eingeführt haben, sondern dass diese häufig auch gar nicht insolvenzsicher sind und damit keinen echten Schutz bei einer Unternehmensinsolvenz darstellen.

  2. Wodurch wird die Insolvenzsicherung von Arbeitszeitkonten erschwert?

    In einer Analyse der Regulierungsebenen Gesetz, Tarifvertrag und Betrieb wurden Hemmnisse bei der Ausbreitung der Insolvenzsicherung identifiziert und Hinweise für eine Weiterentwicklung herausgearbeitet. Dabei hat sich gezeigt, dass die gesetzlichen Grundlagen der Insolvenzsicherung zu unverbindlich sind, um betrieblichen und tariflichen Akteuren wirksame Instrumente bei der betrieblichen Durchsetzung einer Insolvenzsicherung zur Hand zugeben. Auch in Tarifverträgen ist es den Tarifparteien nur in Ausnahmefällen gelungen substantielle Regelungen zu treffen, die eine betriebliche Verbreitung maßgeblich unterstützen können. Von daher kamen von den Tarifpartnern bislang nicht die erhofften Impulse für die Weiterentwicklung und Verbreitung der Insolvenzsicherung.

  3. Wie könnte eine flächendeckende Verbreitung der Insolvenzsicherung gefördert werden?

    Auf Basis der vorangegangenen Analysen werden Vorschläge für eine Weiterentwicklung des Systems der Insolvenzsicherung abgeleitet. Dies betrifft sowohl Anforderungen an gesetzliche Rahmenbedingungen, als auch an Tarifverträge, Informationspolitik etc.. Dabei wird ein Vergleich mit dem Pensionssicherungsverein bei den Betriebsrenten durchgeführt und festgestellt, dass eine Pflichtsicherung bei einer zentralen Institution mit einer Umlagefinanzierung auch bei der Insolvenzsicherung von Arbeitszeitguthaben möglich ist und der Pensionssicherungsverein bei der betrieblichen Altersvorsorge durchaus als ein gutes Vorbild für die Insolvenzsicherung von Arbeitszeitkonten herangezogen werden kann.

Vorgehen

Für das Promotionsvorhaben wurde ein Mix aus quantitativen und qualitativen Methoden angewendet. Während für die Fragestellung der empirischen Verbreitung der Insolvenzsicherung eine standardisierte schriftliche Befragung eingesetzt wurde (WSI-Betriebsrätebefragung), wird bei der Analyse der Regulierungsebenen auf überwiegend qualitative Methoden zurückgegriffen. Wichtigstes Mittel dabei sind sechs Unternehmensfallstudien, in Unternehmen, die bereits eine Insolvenzsicherung eingeführt haben. Zudem wurden Experteninterviews mit Akteuren aus Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden und Ministerien durchgeführt. Unterstützt werden die qualitativen Methoden durch die Analyse einschlägiger Dokumente wie z.B. Tarifverträge.

Publikationen zum Projekt

Schietinger, Marc, 2008: Die Insolvenzsicherung von Arbeitszeitguthaben: Formen der Regulierung und ihre Wirksamkeit. Zugl.: Univ. Duisburg-Essen, Diss., 2008. München: Hampp, ISBN: 978-3-86618-271-4

Schietinger, Marc, 2007: Warum sichern so wenige Betriebe die Arbeitszeitguthaben ihrer Beschäftigten gegen die Insolvenz? Duisburg: Inst. Arbeit und Qualifikation. IAQ-Report 2007-01 | DOI-Link| Info | Lesen

Bosch, Gerhard / Schief, Sebastian / Schietinger, Marc, 2005: Trends in der Arbeitszeitpolitik: zur Diskussion um Dauer und Flexibilisierung der Arbeitszeit sowie der Insolvenzsicherung von Arbeitszeitguthaben. Bonn: Wirtschafts- und Sozialpolitisches Forschungs- und Beratungszentrum der Friedrich-Ebert-Stiftung Abt. Gesprächskreis Arbeit und Qualifizierung, ISBN: 3-89892-306-1

Schietinger, Marc, 2005: Insolvenzsicherung von Arbeitszeitguthaben: wer trägt das Risiko der Arbeitszeitflexibilisierung? In: WSI-Mitteilungen 58 (6), S. 339-345 | Lesen

Schietinger, Marc, 2004: Aktuelle Entwicklungen bei der Insolvenzsicherung von Arbeitszeitguthaben: Beiheft zur Informationsbroschüre "Praxis in NRW. Insolvenzsicherung von Arbeitszeitguthaben". Düsseldorf: Ministerium für Wirtschaft und Arbeit des Landes Nordrhein-Westfalen

Schietinger, Marc, 2004: Die Insolvenzsicherung von Arbeitszeitguthaben: Arbeitsmaterialien für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren aus Arbeitszeitberatung, Verbänden und Gewerkschaften. Düsseldorf: Ministerium für Wirtschaft und Arbeit des Landes Nordrhein-Westfalen

Schietinger, Marc, 2003: Insolvenzsicherung von Arbeitszeitguthaben: Rahmenbedingungen, Absicherungsmodelle, Entscheidungskriterien. Düsseldorf: Ministerium für Wirtschaft und Arbeit des Landes Nordrhein-Westfalen. Praxis in NRW

Schietinger, Marc, 2003: Wie kann man Arbeitszeitkonten gegen Insolvenz sichern? In: Tempora: Journal für moderne Arbeitszeiten Februar 2003, S. 2

Schietinger, Marc, 2003: Arbeitszeitkonten. In: Karriereführer Hochschulen 17 (1), S. 92-94

Vorträge zum Projekt

Dr. Marc Schietinger: Langzeit- und Lebensarbeitszeitkonten: Chancen, Grenzen, Gestaltungsmöglichkeiten. Klausurtagung der Arbeitsgemeinschaft "Engere MitarbeiterInnen der ArbeitsdirektorInnen ver.di". Gelsenkirchen, Hans-Böckler-Stiftung, 24.10.2007

Projektdaten

Laufzeit des Projektes
01.11.2003 - 31.12.2006

Forschungsabteilung

Bearbeitung:
Dr. Marc Schietinger

Finanzierung:
Hans-Böckler-Stiftung