Informationen zum Forschungsprojekt

Qualifikationsentwicklung im Bankgewerbe (Vorstudie)



Ziel und Aufgabenstellung

Das Projekt hat die aktuellen Entwicklungstrends der Erstausbildung im Bankgewerbe untersucht. Die wachsende Bedeutung der internationalen Kapitalmärkte und eine strategische Reorientierung der Kreditinstitute in allen Sparten des Bankgewerbes haben die lange gültigen Grundlagen der dualen Ausbildung verändert. Die in den neunziger Jahren mit der Einführung des Lean Banking in vielen Banken eingeläutete Reorganisation der Banken hat Prozesse wie die Segmentierung von Geschäftsfeldern und Kundengruppen, die Automatisierung von Bankdienstleistungen, die Entstehung neuer Vertriebswege, die Erschließung neuer Geschäftsfelder wie des Investment-Banking und die Ausdünnung der Personalressourcen im Angesicht gestiegener Renditeansprüche ausgelöst.

Wenig eindeutig sind die Analysen der Auswirkungen dieser tektonischen Verschiebungen für die Erstausbildung zum/zur Bankkaufmann/-kauffrau. Dies gilt sowohl für den strategischen Stellenwert der Erstausbildung als Qualifikationsressource als auch für den Wandel der Ausbildungsinhalte und den möglichen Reformbedarf der Ausbildungsordnung. Umstritten ist insbesondere die Frage, ob das Berufsbild weiterhin dem traditionellen Zuschnitt als breite Qualifizierungsressource für Universalbanken gerecht wird.

Das Projekt wurde als Vorstudie vom Bundesinstitut für Berufsbildung finanziert.

Vorgehen

Die Projektanalyse stützte sich auf drei methodische Pfeiler. Der erste Pfeiler war eine Auswertung der verfügbaren Statistiken und Sekundärliteratur zur Entwicklung der Beschäftigung und der Erstausbildung im Bankgewerbe. Den zweiten Pfeiler stellten Interviews mit ExpertInnen der Bundesanstalt für Arbeit dar. Im Rahmen dieser Interviews sollten Aufschlüsse über die Motivlagen der BewerberInnen, die Wertschätzung des Bankkaufmanns/-kauffrau als Ausbildungsberuf und über die Einstellungskriterien der Kreditinstitute gewonnen werden. Den dritten Pfeiler schließlich bildeten Fallstudien in neun Unternehmen der unterschiedlichen Sparten des Bankgewerbes (Privatbanken, Sparkassen, Genossenschaftsbanken) auf der Grundlage leitfadengestützter Interviews mit Experten und Beschäftigten. Eine Fallstudie bestand aus Experteninterviews mit je einem Vertreter von Personalleitung und Ausbildungsleitung sowie einem Betriebsrat und aus Interviews mit zwei Auszubildenden. In den Fallstudien wurde die Entwicklungslinie der Ausbildungspraxis in den Betrieben und der strategische Stellenwert der Erstausbildung in den Personalstrategien der Kreditinstitute untersucht.

Ergebnisse

Die Reorganisationsbestrebungen der Unternehmen haben sich in der Analyse als zentrale Variable für die Erklärung der Veränderungsdynamik herausgestellt, der sich die Erstausbildung im Bankgewerbe ausgesetzt sieht.

Die drei entscheidenden Veränderungen der Organisationsstrukturen für die Erstausbildung lauten Finanzialisierung, Divisionalisierung und Segmentierung. Die Finanzialisierung der Unternehmensentscheidungen führt dazu, dass die Ressourcen für die Ausbildung verringert werden und die Ausbildung zunehmend als Kostenfaktor betrachtet wird. Auch ist damit eine Neuordnung der Geschäftsfelder verbunden, die gerade für die marktfernen Abwicklungsfunktionen zu umfassenden Auslagerungen geführt hat, so dass diese Funktionen in einigen Banken nicht mehr in der praktischen Ausbildung abgebildet werden können. Die Divisionalisierung von Geschäftsfeldern wie dem Investment Banking, dem Wealth Management wohlhabender Privatkunden, dem Firmenkundengeschäft oder dem Privatkundengeschäft zieht in den Banken aller Bankengruppen eine Spezialisierung der Qualifikationen nach sich. Die Erstausbildung ist die zentrale Qualifikationsressource des Privatkundengeschäftes. Die anderen Divisionen rekrutieren vorwiegend höhere Qualifikationen der Hochschulen oder der Berufsakademien. Erstausbildung findet dort kaum noch statt. Und die Segmentierung von Kundengruppen schließlich führt auch in den Privatkundenbereichen eine qualifikationsrelevante Schnittstelle ein, denn in den höherwertigen Kundensegmenten werden ebenfalls höhere Qualifikationszertifikate bevorzugt.

Die beschriebenen Entwicklungen haben zwei zentrale Folgewirkungen für die Erstausbildung. Erstens nehmen die Zahlen der Einstellungen sowie der Übernahmen teilweise signifikant ab. Und zweitens bildet die Erstausbildung sowohl in den Ausbildungsinhalten als auch in den späteren Einsatzbereichen in der Mehrzahl der Banken nicht mehr die Breite des Universalbankgeschäftes ab. Sie wird in Inhalt und Nutzung zu einer Spezialqualifizierung für den stationären Vertrieb von Standardprodukten auf der Grundlage vorgegebener Verkaufsziele. Dies gilt verstärkt für die Privatbanken, ist als Tendenz aber auch in den anderen Bankengruppen unverkennbar.

Publikationen zum Projekt

Haipeter, Thomas / Wagner, Karin, 2007: From stability to chance: the German banking industry in transition. In: Roger Blainpain: Globalization and employment relation in retail banking. Bulletin of Comparative Labour Relations , pp. 63

Brötz, Rainer / Dorsch-Schweizer, Marlies / Haipeter, Thomas, 2006: Die Bankausbildung im Spiegel von Wissenschaft und Praxis. In: BWP : Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis 35 (4), S. 25-28 | Lesen

Brötz, Rainer / Dorsch-Schweizer, Marlies / Haipeter, Thomas, 2006: Berufsausbildung in der Bankbranche vor neuen Herausforderungen. Bielefeld: Bertelsmann. Schriftenreihe des Bundesinstituts für Berufsbildung, Bonn. Schriftenreihe des Bundesinstituts für Berufsbildung Bonn, ISBN: 3-7639-1074-3

Brötz, Rainer / Haipeter, Thomas, 2006: Berufsausbildung in der Kreditwirtschaft: Fakten und Tendenzen. In: Jürgen Backhaus: Aus- und Weiterbildung lohnen sich, S. 101–112

Haipeter, Thomas, 2006: Bankkaufleute in der Reorganisation: zur Lage der Erstausbildung im Bankgewerbe. In: Zeitschrift für Soziologie 35 (1), S. 57-76

Vorträge zum Projekt

Prof. Dr. Thomas Haipeter: Neue berufliche Schwerpunkte: der Bankkaufmann als Vertriebler. Zukunft berufliche Bildung: Potenziale mobilisieren - Veränderungen gestalten: 5. Fachkongress des Bundesinstitut für Berufsbildung . Düsseldorf, Congress Center, Bundesinstitut für Berufsbildung BIBB, 12.09.2007

Projektdaten

Laufzeit des Projektes
01.10.2003 - 30.09.2004

Forschungsabteilung

Leitung:
Prof. Dr. Thomas Haipeter

Finanzierung:
BIBB, Bonn