Informationen zum Forschungsprojekt

Beschäftigtentransfer Plus in NRW

Ziel und Aufgabenstellung

Der Begriff „Beschäftigtentransfer” bezeichnet Maßnahmen, die gezielt Arbeitnehmer/innen, welche aus betrieblichen Gründen ihren Arbeitsplatz verlieren, bei der beruflichen Neuorientierung unterstützen, um nach Möglichkeit unter Vermeidung von Arbeitslosigkeit in eine neue möglichst gleichwertige Erwerbstätigkeit zu gelangen. Der Beschäftigtentransfer soll zugleich - abgesehen von Fällen einer Betriebsschließung - dazu dienen, die Neupositionierung des Betriebs personalpolitisch zu flankieren. Aufgrund der starken Bezogenheit auf den entlassenden Betrieb hängt der Erfolg des Beschäftigtentransfers in hohem Maße davon ab, wie der die Entlassungen flankierende Sozialplan von den Betriebsparteien ausgestaltet wird und welche Mittel sie darin für den Transfer zur Verfügung stellen. Beim Beschäftigtentransfer handelt es um ein Instrument, dessen Umsetzung sich in einem komplexen Zusammenwirken verschiedener Rechtsmaterien (Kündigungsschutz, Betriebsverfassung, Arbeitsförderung) und unterschiedlicher Akteursgruppen (Arbeitgeber, Betriebsräte, Gewerkschaften, Arbeitsagenturen, Maßnahmeträger, entlassene ArbeitnehmerInnen) vollzieht.
Vor dem Hintergrund eines zu erwartenden weiteren wirtschaftlichen Strukturwandels – der stets mit einem Verlust an Jobs, an anderer Stelle aber auch mit einem Zuwachs an Arbeitsplätzen verbunden ist – und einem parallel dazu zurückgehenden Erwerbspersonenpotenzial wird mit dem Beschäftigtentransfer auch zukünftig ein Instrument dringend benötigt, das bei Umstrukturierungen dem Verlust von Humanressourcen sowie den negativen sozialen Folgen von Arbeitsplatzverlust vorbeugt. Das komplexe Modell des Beschäftigtentransfers, das sich in Deutschland historisch herausgebildet hat, ist jedoch von Unzulänglichkeiten geprägt und bedarf deshalb einer – auch durch ausländische Beispiele inspirierten – Weiterentwicklung. Hier sollen nur zwei Problembereiche exemplarisch angeführt werden:

  • Aufgrund der Vielzahl der in die praktische Ausgestaltung von Transferprojekten einbezogenen Akteure und ihrer unterschiedlichen Sichtweisen und Interessen besteht stets das Risiko von Kooperationshemmnissen und Handlungsblockaden; diese führen in nicht wenigen Fällen betrieblicher Umstrukturierung dazu, dass die verfügbaren Transferinstrumente in defizitärer Weise oder gar nicht in Anspruch genommen werden.
  • Obwohl die Instrumente des Beschäftigtentransfers de jure Unternehmen jeder Größe zur Verfügung stehen, konzentriert sich die Inanspruchnahme de facto auf Großunternehmen; der Beschäftigtentransfer ist für kleine und mittlere Betriebe (KMU) – die nicht minder vom Strukturwandel betroffen sind – offensichtlich nicht in gleicher Weise zugänglich. Das bei Umstrukturierungen von KMU grundsätzlich gegebene Potenzial zum Erhalt von Humankapital und zur regionalen Fachkräftesicherung wird hierdurch nur sehr unzureichend ausgeschöpft.

Vor diesem Hintergrund zielte das Projekt „Beschäftigtentransfer Plus in NRW” auf eine Revitalisierung des Beschäftigtentransfers und die Erhöhung seiner Wirksamkeit. Durch die Erstellung einer dialogisch fundierten Konzeptstudie wurde in dem Projekt ein Beitrag zur Weiterentwicklung des Transferinstrumentariums geleistet. Die dialogische Vorgehensweise fußt auf der Überlegung, dass sich zu einer Reform des Beschäftigtentransfers notwendigerweise alle beteiligten Akteure bewegen müssen und folglich auch in das Projekt einzubeziehen sind. Das Projekt stellte sich drei aufeinander aufbauende Aufgaben:

  • Handlungsorientierte Stärken-Schwächen-Analyse des Ist-Standes des Beschäftigtentransfers unter den in Deutschland geltenden Rahmenbedingungen auf der Grundlage von Expertengesprächen, neueren wissenschaftlichen Studien und einem Vergleich mit ausgewählten Transferregimes anderer europäischer Länder (s.u.).
  • Entwicklung eines Leitbilds „Beschäftigtentransfer Plus in NRW” (Soll-Stand) und die Ableitung von Vorschlägen für zukünftige NRW-Modellvorhaben und Projekte, um dem Beschäftigtentransfer neue Impulse zu geben.
  • Diskussion des Leitbilds und der Handlungsvorschläge mit den einschlägigen arbeitsmarktpolitischen Akteuren, um sie hinsichtlich ihrer Praxistauglichkeit zu schärfen.

Vorgehen

In Expertengesprächen (in Form von schwach vorstrukturierten Leitfadeninterviews) wurden die Erfahrungen der Akteure mit den aktuellen Rahmenbedingungen des Beschäftigtentransfers und die Problemwahrnehmungen zu den Handlungsstrukturen aufgenommen, Ideen des Projektteams zur Weiterentwicklung und Veränderungen der Strukturen angesprochen und im Hinblick auf ihre Diskutierbarkeit in Workshops geprüft.

Parallel zu den Expertengesprächen wurden die einschlägigen Handlungsstrukturen des Beschäftigtentransfers und die einschlägigen Erfahrungen in anderen europäischen Ländern aufgearbeitet. Auf der Basis des in früheren Projekten gewonnenen Kenntnisstandes wurden hierzu Österreich, Schweden und die Wallonische Region Belgiens ausgewählt.
Auf der Grundlage der Ergebnisse der Expertengespräche und der Aufarbeitung der ausländischen Beispiele wurden in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Innovative Beschäftigungsförderung - G.I.B. (Bottrop), die aufgrund ihrer reichhaltigen Aktivitäten und Erfahrungen zum Beschäftigtentransfer eng mit dem Projekt kooperierte, drei Workshops durchgeführt. Der erste Workshop erbrachte eine dialogische Bestandsaufnahme der strukturellen „Knackpunkte” des Beschäftigtentransfers. Der zweite Workshop diente dem Kennenlernen und der Diskussion des wallonischen Beispiels und wurde in Zusammenarbeit mit wallonischen Kooperationspartnern in Lüttich (Belgien) durchgeführt. Im dritten Workshop wurden Innovationen und Zukunftsszenarien für den Beschäftigtentransfer erarbeitet, und zwar sowohl solche, die innerhalb des gegebenen rechtlichen Rahmens umsetzbar sind, als auch solche, die darüber hinaus weisen.

Publikationen zum Projekt

Knuth, Matthias / Kirsch, Johannes / Mühge, Gernot, 2013: Der Beschäftigtentransfer in Deutschland und seine Entwicklungsperspektiven im internationalen Vergleich. In: Voest-Alpine-Stahlstiftung: Umstiege: 25 Jahre Stahlstiftung , S. 1987–2012

Knuth, Matthias / Kirsch, Johannes / Schwarzkopf, Manuela, 2012: Beschäftigtentransfer Plus in NRW. Abschlussbericht. Duisburg: Inst. Arbeit und Qualifikation

Knuth, Matthias / Kirsch, Johannes / Mühge, Gernot, 2011: Restructuring and occupational mobility: support for job transitions in European comparison. In: Unikate 40, S. 108-118

Knuth, Matthias, 2010: Antizipation und Bewältigung von Restrukturierung in Deutschland. Nationales Hintergrundpapier 27, Nationale Seminare – Deutschland. Turin: ILO International Training Centre

Knuth, Matthias, 2010: Neue Chancen für Beschäftigung – oder für Bürokratie? Die Gesetzesänderungen bei den Transferleistungen. In: Soziale Sicherheit 58 (9), S. 300-306 | Lesen

Knuth, Matthias, 2009: Entwicklungslinien des Beschäftigungstransfers. In: Siegfried Backes: Transfergesellschaften: Grundlagen, Instrumente, Praxis, S. 9–37

Knuth, Matthias / Mühge, Gernot, 2009: Von der Kurz-Arbeit zur langfristigen Sicherung von Erwerbsverläufen: Weiterentwicklung der Instrumente des Beschäftigtentransfers. Düsseldorf: Hans-Böckler-Stiftung. Edition der Hans-Böckler-Stiftung Arbeit und Soziales, ISBN: 978-3-86593-137-5

Vorträge zum Projekt

Prof. Dr. Matthias Knuth: Ideen und Vorschläge zur Weiterentwicklung des Beschäftigtentransfers. Beschäftigtentransfer in der Chemischen Industrie. Wiesbaden, Bundesarbeitgeberverband der Chemischen Industrie / Industriegewerkschaft Bergbau Chemie Energie, 12.06.2013

Prof. Dr. Matthias Knuth: Neue Wege denken - Ideen und Vorschläge zur Weiterentwicklung des Beschäftigtentransfers. Am Wandel wachsen - Mit Beschäftigtentransfer Verantwortung für Mensch und Region. Bochum, Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes NRW, 25.10.2012

Prof. Dr. Matthias Knuth: Die Instrumente des Beschäftigtentransfers und ihre institutionell-rechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland. Workshop "Beschäftigtentransfer im internationalen Instrumentenvergleich: Belgien (Wallonie) und Deutschland". Lüttich, Le Forem, 26.06.2012

Projektdaten

Laufzeit des Projektes
01.11.2011 - 30.09.2012

Forschungsabteilung
Arbeitsmarkt – Integration – Mobilität

Leitung:
Prof. Dr. Matthias Knuth

Bearbeitung:
Johannes Kirsch, Manuela Schwarzkopf

Finanzierung:
Europäischer Sozialfonds, Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes NRW