Informationen zum Forschungsprojekt

Evaluation bestehender gesetzlicher Mindestlohnregelungen - Branche: Gebäudereiniger

Ziel und Aufgabenstellung

Gegenstand des Forschungsprojektes war die Evaluierung der Auswirkungen der Mindestlohnregelungen in der Gebäudereinigung. Anhand der drei Kategorien "Beschäftigung", "Schutz der Arbeitnehmer/innen" und "Wettbewerbsfähigkeit" sowie ggf. weiterer Aspekte sollten Erkenntnisse über die Auswirkungen der Mindestlohnreglung und über dahinter liegende Wirkmechanismen gewonnen werden.

Das Projekt war Teil der Evaluierung der bestehenden branchenbezogenen Mindestlohnregelungen im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS).

Vorgehensweise

Die Wirkungen der Einführung von Mindestlöhnen in der Gebäudereinigung auf Beschäftigung, Arbeitnehmerschutz und Wettbewerb wurden mit einem breiten Set unterschiedlicher methodischer Instrumente untersucht. Diese umfassten neben der Erstellung eines Branchenbildes deskriptive und kausalanalytische Auswertungen mit verschiedenen Datensätzen, Expertengespräche bei den Sozialpartnern der Branche und beim Zoll, eine bundesweite Befragung von Gebäudereinigungsbetrieben, Betriebsfallstudien sowie eine Befragung von Betriebsräten.

Mikroökonometrische Analysen zu den Beschäftigungswirkungen der Mindestlöhne nach der Differenz-von-Differenzen-Methode wurden mit unterschiedlichen Kontrollgruppen für zwei Zeiträume durchgeführt, in denen markante Veränderungen der Tarif- bzw. Mindestlöhne aufgetreten sind. So wurden zum einen die im Oktober 2003 vereinbarten regional unterschiedlichen tariflichen Lohnerhöhungen bzw. Lohnsenkungen ab April 2004 für Schätzungen der Beschäftigungswirkungen genutzt. Zum anderen wurden die Wirkungen der Aufnahme des Gebäudereiniger-Handwerks in das AEntG im Juli 2007 und die im März 2008 folgende Erhöhung der Mindestlöhne auf die Beschäftigung untersucht.

Ergebnisse

Für die Gebäudereinigungsbranche sind Mindestlöhne nichts Neues, weil sie bereits vor der Aufnahme in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz zum 1. Juli 2007 eine lange Tradition allgemeinverbindlicher Tariflöhne hatte. Die Sozialpartner sind sich seit langem einig, dass dies aufgrund der hohen Personalintensität von Reinigungsdienstleistungen und des starken Wettbewerbs um Aufträge und Marktanteile unabdingbar ist. Auch in der im Rahmen der Evaluation durchgeführten Betriebsbefragung wurden die Wirkungen der Aufnahme der Branche in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz von einer deutlichen Mehrheit als überwiegend positiv oder neutral eingeschätzt. Als positive Wirkungen wurden am häufigsten die bessere Durchsetzung der Mindestlöhne durch die Zollkontrollen und eine Imageverbesserung der Branche genannt. Die Betriebsbefragung hat auch die Einschätzung der Sozialpartner der Branche bestätigt, dass die unteren Mindestlöhne die übliche Bezahlung für viele Reinigungskräfte sind.

Auf der deskriptiven Ebene sind keinerlei Anzeichen für Beschäftigungsrückgänge erkennbar. Mit Ausnahme der beiden Krisenjahre 2004 und 2009 sind die Umsätze der Gebäudereinigungsbranche in den letzten Jahren fast kontinuierlich gestiegen. Während im Jahr 2004 der Umsatzrückgang um 1,1% zu einem Beschäftigungsrückgang um 2,6% führte, ist es der Branche im Jahr 2009 gelungen, trotz eines deutlich höheren Umsatzrückgangs um 4,7% die Beschäftigtenzahl stabil zu halten. Im Jahr 2010 ist die Beschäftigtenzahl sogar wieder um 3,5% gestiegen. Auch in der Betriebsbefragung berichteten jeweils deutlich mehr als die Hälfte der Betriebe, dass die Beschäftigung, das Arbeitsvolumen und der Umsatz in den letzten Jahren gestiegen seien. Der Anteil der Betriebe mit Rückgängen lag hier zwischen knapp 14% und gut 18%.

Analysen auf der Basis des Mikrozensus haben auch keine Hinweise auf eine gegenläufige Entwicklung des Arbeitsvolumens erbracht. Obwohl die durchschnittliche Wochenarbeitszeit der Reinigungskräfte in der Gebäudereinigung zwischen 2000 und 2008 um 1,9 Stunden bzw. 9,3% gesunken ist, konnten keine Anzeichen dafür gefunden werden, dass es in den letzten Jahren zu einer (Rück-)Verlagerung von Reinigungstätigkeiten in andere Branchen gekommen ist. Das Arbeitsvolumen der Reinigungskräfte in der Gebäudereinigungsbranche ist zwischen 2000 und 2008 um rund 25% gestiegen, während es bei Reinigungskräften in anderen Branchen im selben Zeitraum um 3,6% zurückgegangen ist.

Für die mikroökonometrischen Schätzungen zu den Beschäftigungswirkungen der regional unterschiedlichen tariflichen Erhöhungen bzw. Absenkungen der untersten Lohngruppe 1 ab April 2004 wurden die Bundesländer je nach Ausmaß der Tariflohnveränderungen in fünf Bundesländergruppen eingeteilt. Die Bundesländergruppe mit den geringsten tariflichen Änderungen wurde als Referenzgruppe verwendet. Nach traditionellen mikroökonomischen Annahmen wäre zu erwarten gewesen, dass Tariflohnsenkungen die Beschäftigung eher erhöhen und Tariflohnerhöhungen die Beschäftigung eher verringern. Unsere Ergebnisse zeigen demgegenüber, dass die Beschäftigungswirkungen der Tariflohnvariationen im Jahr 2004 uneinheitlich und mit wenigen Ausnahmen nicht signifikant waren.

Die mikroökonometrischen Analysen zu den Beschäftigungswirkungen der Aufnahme der Branche in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz ab Juli 2007 und der anschließenden Erhöhung der Mindestlöhne im März 2008 wurden mit drei Kontrollgruppen durchgeführt. Sie haben ergeben, dass die Aufnahme in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz die Beschäftigungschancen von Innenreiniger/innen im Vergleich zu zwei der drei Kontrollgruppen verringert hat, während sich die anschließende Tarif- und Mindestlohnerhöhung wiederum im Vergleich zu zwei der drei Kontrollgruppen positiv ausgewirkt hat. Die Berechnung der Marginaleffekte hat gezeigt, dass die positiven Wirkungen deutlich überwogen. Differenziert nach Arbeitszeitformen sprechen die Schätzergebnisse für eine Substitution von Minijobs durch sozialversicherungspflichtige Teilzeitbeschäftigung.

Bezogen auf den Arbeitnehmerschutz haben die Befragungen von Betrieben und Betriebsräten sowie die Betriebsfallstudien ergeben, dass sich die Durchsetzung und Einhaltung der Mindestlohnregelungen seit der Aufnahme der Branche in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz weiter verbessert haben, was vor allem auf die effektiveren Kontrollen zurückgeführt wird. Angesichts des hohen Teilzeitanteils in der Branche und mangels geeigneter Daten konnten Wirkungen auf die tatsächliche Entlohnung allerdings nicht untersucht werden.

Die Wettbewerbswirkungen der Mindestlohnregelungen wurden in der Betriebsbefragung von den meisten Betrieben positiv oder neutral eingeschätzt. Von den Sozialpartnern und auch in manchen Betriebsfallstudien wurde darauf verwiesen, dass die Mithaftung der Auftraggeber ein wichtiger Faktor sei, der die Einhaltung der Mindestlöhne nach Aufnahme in das AEntG deutlich verbessert habe. In der Betriebsbefragung wurde demgegenüber deutlich, dass mehr als die Hälfte der Betriebe meinten, dass die Stundenverrechnungssätze nicht angemessen gesteigert werden konnten. Dies könnte darauf verweisen, dass weiterhin Bedarf besteht, Kunden darüber zu informieren, wie hoch realistische Verrechnungssätze für Reinigungsdienstleistungen unter Berücksichtigung der Mindestlöhne sein müssen.

Publikationen zum Projekt

Bosch, Gerhard / Kalina, Thorsten / Weinkopf, Claudia, 2012: Wirkungen der Mindestlohnregelungen in der Gebäudereinigung. In: Journal for Labour Market Research 45 (3-4), S. 209-231

Bosch, Gerhard / Weinkopf, Claudia, 2012: Wirkungen der Mindestlohnregelungen in acht Branchen. Expertise im Auftrag der Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung. Bonn: Friedrich-Ebert-Stiftung Abt. Wirtschafts- und Sozialpolitik. Gesprächskreis Arbeit und Qualifizierung, ISBN: 978-3-86498-349-8 | Lesen

Bosch, Gerhard / Kalina, Thorsten / Kern, Christoph / Neuffer, Stefanie / Schwarzkopf, Manuela / Weinkopf, Claudia, 2011: Evaluation bestehender gesetzlicher Mindestlohnregelungen – Branche: Gebäudereinigung. Abschlussbericht. [Forschungsauftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales]. Duisburg: Inst. Arbeit und Qualifikation | Lesen

Vorträge zum Projekt

Prof. Dr. Gerhard Bosch, Dr. Claudia Weinkopf: Minimum wages, collectively negotiated wages and wage inequality. CRIMT International Conference. Montreal, Canada, Interuniversity Research Centre on Globalization and Work (CRIMT), 25.10.2012

Prof. Dr. Gerhard Bosch, Dr. Claudia Weinkopf: Minimum wages, collective agreements and wage inequality. Stream 1: Labour market and working conditions. Pathways to recovery: an agenda for another Europe. 33rd annual conference of the International Working Party on Labour Market Segmentation. Italy, Rome, IWPLMS, 14.09.2012

Prof. Dr. Gerhard Bosch, Dr. Claudia Weinkopf: The impact of industry-specific minimum wages in Germany. Stream 2: Pathways to recovery. Pathways to recovery: an agenda for another Europe. 33rd annual conference of the International Working Party on Labour Market Segmentation. Italy, Rome, IWPLMS, 13.09.2012

Dr. Thorsten Kalina: Evaluation bestehender gesetzlicher Mindestlohnregelungen – Branche: Gebäudereinigung. Evaluation der Mindestlohnregelungen in verschiedenen deutschen Branchen. Mannheim, Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), 06.03.2012

Projektdaten

Laufzeit des Projektes
20.12.2010 - 31.08.2011

Forschungsabteilung
Flexibilität und Sicherheit

Leitung:
Prof. Dr. Gerhard Bosch, Dr. Claudia Weinkopf

Bearbeitung:
Manuela Schwarzkopf, Dr. Thorsten Kalina, Stefanie Neuffer, Christoph Kern

Finanzierung:
Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS)