Informationen zum Forschungsprojekt

Neue Tarifakteure im Betrieb? Die Mitbestimmung der Betriebsräte und die Dezentralisierung der Flächentarifverträge

Ziel und Aufgabenstellung

Das von der Hans-Böckler-Stiftung finanziell unterstützte Projekt untersucht die Veränderungen, denen die Mitbestimmung der Betriebsräte im Zusammenhang mit der Öffnung der Flächentarifverträge unterliegt. Mit der Öffnung der Flächen- oder Verbandstarifverträge sind tarifliche Öffnungsklauseln gemeint, die betriebsbezogene Abweichungen im Sinne von Unterschreitungen der Tarifvertragsnormen - sei es hinsichtlich Arbeitszeiten, Löhnen oder anderen Regelungsgegenständen - ermöglichen. Im Forschungsprojekt wird untersucht, welche Rolle Betriebsräte in den Verhandlungen über betriebliche Abweichungen spielen, welche Auswirkungen damit auf das Zusammenspiel zwischen Betriebsrat und Gewerkschaft verbunden sind, ob sich die Beziehungen zwischen Betriebsrat und Beschäftigten verändern, inwieweit sich die Kultur der betrieblichen Austauschbeziehungen zwischen Betriebsrat und Management wandelt und ob die Betriebsräte ihre traditionelle Rolle als Controller der Umsetzung von Tarifverträgen im Betrieb auch bei Abweichungen spielen können. Wer verhandelt eigentlich Tarifabweichungen? Werden Betriebsräte zu neuen Tarifakteuren im Betrieb? Entwickeln sie in diesem Zusammenhang neue Beteiligungsformen für die Beschäftigten? Und trägt die Tariföffnung neuartige Konflikte in die betrieblichen Austauschbeziehungen hinein?

Vorgehen

Das Forschungsprojekt stützt sich methodisch vor allem auf insgesamt 12 Fallstudien. Diese Fallstudien sollen in zwei Branchen durchgeführt werden, der Metall- und Elektroindustrie sowie der Chemischen Industrie. Beide Branchen sind Vorreiterbranchen der Öffnung der Flächentarifverträge, die allerdings unterschiedliche Formen der Öffnung praktizieren. Während in der Chemischen Industrie tariflich Bandbreiten für betriebliche Verhandlungen über Abweichungen (mit Zustimmungspflicht der Tarifparteien) bestimmt wurden, sind in der Metallindustrie alle Abweichungen als Ergänzungstarifverträge zwischen den Tarifparteien zu verhandeln. In dem einen Fall handelt es sich also um eine Öffnung mit Zustimmungsvorbehalt der Tarifparteien, in dem anderen Fall um eine Öffnung durch die Tarifvertragsparteien selbst. Die vergleichende Analyse kann mögliche Unterschiede in den Auswirkungen beider Formen auf die Mitbestimmung der Betriebsräte analysieren. In beiden Branchen sollen jeweils 6 Fallstudien durchgeführt werden, die neben Experteninterviews mit mehreren Vertretern von Betriebsrat und Management auch jeweils ein Interview mit der zuständigen Verwaltungsstelle resp. Bezirksleitung vorsehen, das weiteren Aufschluss über die Beziehungen zwischen Betriebsrat und Gewerkschaft geben soll. Die Methoden werden abgerundet durch Experteninterviews auf der Spitzenebene der Tarifverbände, die Informationen über Verbreitung und Entwicklung der Tariföffnung in den Branchen erhoffen lassen.

Publikationen zum Projekt

Haipeter, Thomas, 2010: Betriebsräte als Tarifakteure: Tarifabweichungen und ihre Konsequenzen für die betriebliche Mitbestimmung - Erfahrungen aus der Chemischen Industrie und der Metallindustrie. Duisburg: Inst. Arbeit und Qualifikation. IAQ-Report 2010-01 | DOI-Link| Info | Lesen

Haipeter, Thomas, 2010: Erneuerung aus der Defensive? Gewerkschaftliche Perspektiven der Tarifabweichung. In: WSI-Mitteilungen 63 (6), S. 283-290 | Lesen

Haipeter, Thomas, 2010: Tarifauseinandersetzungen im Betrieb: neue Herausforderungen für Gewerkschaften und Betriebsräte. In: Herrmann Groß und Hartmut Seifert: Zeitkonflikte. Renaissance der Arbeitszeitpolitik. Forschung aus der Hans-Böckler-Stiftung , S. 115

Haipeter, Thomas, 2009: Tarifregulierung zwischen Fläche und Betrieb: Koordinierung und Praxis in der Chemie- und der Metallindustrie. In: WSI-Mitteilungen 62 (4), S. 185-192 | Lesen

Lehndorff, Steffen / Bosch, Gerhard / Haipeter, Thomas / Latniak, Erich, 2009: From the 'Sick Man' to the 'Overhauled Engine' of Europe? Upheaval in the German Model. In: European employment models in flux: European employment models in flux: a comparison of instituional change in nine European countries, pp. 105-131

Vorträge zum Projekt

Prof. Dr. Thomas Haipeter: Derogations from collective bargaining agreements in the German metalworking industry: erosion or renewal of the collective bargaining system? 15th World Congress of the International Industrial Relations Association . Australia, Sydney, IIRA, 24.08.2009

Dr. Steffen Lehndorff: Negotiating employment security . Negotiating Decent Work. Genf, ILO (International Labour Organisation), 30.03.2009

Projektdaten

Laufzeit des Projektes
01.06.2007 - 31.07.2009

Forschungsabteilung
Arbeitszeit und Arbeitsorganisation

Leitung und Bearbeitung:
Prof. Dr. Thomas Haipeter

Finanzierung:
Hans-Böckler-Stiftung