Informationen zum Forschungsprojekt
Quality of Jobs and Innovation Generated Employment Outcomes
Das Projekt QuInnE, an dem neben dem IAQ Teams aus Frankreich, Großbritannien, Niederlande, Schweden, Spanien und Ungarn beteiligt waren, hat das Zusammenspiel von Innovation, Arbeitsqualität und Beschäftigung in den Blick genommen. In der Lesart der ‚Varieties of Capitalism‘-Schule galt es eine Zeit lang als gesichert, dass der institutionellen Rahmen in koordinierten Marktwirtschaften wie Deutschland ein komplementäres Verhältnis zwischen inklusivem Beschäftigungssystem und inkrementeller Innovationstätigkeit fördere. Nicht zuletzt die Erosion der institutionellen Voraussetzungen, wie Tarifvereinbarungen, oder ‚geduldiges Kapital‘, haben allerdings Zweifel an der Existenz eines solchen ‚Tugendkreises‘ geweckt. Zwar wird diese institutionelle Erosion von Teilen der Wirtschaftsverbände als Voraussetzung begriffen, um den Betrieben die notwendigen Freiräume für jene radikalen Innovationen zu verschaffen, die unter den Schlagworten ‚Digitalisierung‘ oder ‚Industrie 4.0‘ derzeit im Zentrum der öffentlichen Debatte stehen. Konträr dazu hat sich allerdings über verschiedene wissenschaftliche Disziplinen hinweg ein gewisser Grundkonsens herausgebildet, dass die Innovationskapazität von Betrieben in hohem Maße von bestimmten organisatorischen Strukturen profitiert, die individuelles und kollektives Lernen, Problemlösen und Wissensaustausch unterstützen. In dieser Lesart gedeihen inkrementelle wie radikale Innovationen also nicht in einem Umfeld, in dem Restriktionen zum Schutz von Beschäftigteninteressen so weit wie möglich abgebaut werden, sondern in einem Umfeld, in dem die Ausgestaltung von Arbeitsplätzen die Bereitschaft und Fähigkeit von Beschäftigten zur Mitwirkung an Innovationen fördert.
Es stellt sich allerdings die Frage, ob und wie dieser Grundkonsens im realen Wirtschaftsleben praktisch bedeutsam wird; ob er auch unter den Bedingungen der gegenwärtigen technologischen Umwälzung greift; welche Beschäftigtengruppen davon profitieren; und welche Faktoren dies begünstigen. Mit diesen Fragen hat sich das Forschungsprojekt QUINNE beschäftigt. Dabei wurden sowohl quantitative Auswertungen auf Basis von Betriebsbefragungen als auch qualitative Betriebsfallstudien im produzierenden Sektor und im Dienstleistungsgewerbe durchgeführt.
Ausgewählte Ergebnisse
Innovative Betriebe schaffen mehr und stabilere Arbeitsplätze als ihre weniger innovativen Mitbewerber, so das Ergebnis der IAQ-Auswertung aus dem IAB-Betriebspanel. Dabei wurde mithilfe einer multivariaten Analyse untersucht, wie sich Beschäftigungsumfang und -bedingungen in Firmen entwickelt haben, die zwischen 2010 und 2012 eine Innovation durchgeführt hatten, und dies mit der Entwicklung in nicht-innovativen Firmen verglichen. Von dem Beschäftigungswachstum in innovativen Firmen profitieren allerdings vor allem qualifizierte Arbeitskräfte, während die Zahl gering qualifizierter Beschäftigter dort zurückgeht (vgl. Jaehrling et al. 2018; ausführlich Duhautois et al. 2018). Was die Beschäftigungsbedingungen anbelangt, geht die Einführung von Produkt- und Prozessinnovationen zumindest im Durchschnitt mit niedrigerer Mitarbeiterfluktuation und höheren durchschnittlichen monatlichen Bruttoverdienste einher. Ein differenzierter Blick auf die Art der Beschäftigungsverhältnisse zeigt aber auch, dass neben unbefristeten Jobs in den innovativeren Firmen auch befristete Jobs und Minijobs stärker zunehmen als bei Wettbewerbern ohne Produktinnovationen. Insofern gehen Innovationen offenbar nicht per se mit grundlegend veränderten Beschäftigungsstrategien der Betriebe einher; in Bezug auf atypische Beschäftigungsformen setzen sie jedenfalls keine Impulse in Richtung einer deutlich verringerten Nutzung.
Die acht qualitativen Branchenstudien auf Basis von Expert_innen-Interviews und Betriebsfallstudien präzisieren, dass und wie zahlreiche Faktoren die Beschäftigungs- und Innovationsstrategien von Betrieben prägen (vgl. Jaehrling et al. 2018; ausführlich die Branchenstudien in Jaehrling 2018). Neben institutionellen Rahmenbedingungen zählen dazu auch soziale Trends wie der demographische Wandel sowie Marktstrukturen. Die Betriebsfallstudien erhellen unter anderem die widersprüchlichen Dynamiken, die sich aus dem Zusammenspiel der verschiedenen Faktoren ergeben. So kann eine alternde Belegschaft Unternehmen in der Handelslogistik darin bestärken, Job-Rotation auch als Mittel zur Verringerung der physischen Belastung einzuführen. Aber vor dem Hintergrund der zugespitzten Taylorisierung der Arbeitsplätze sorgt Job-Rotation dafür, dass Beschäftigte lediglich zwischen stark repetitiven Aufgaben in Automatisierungslücken wechseln. In der Computerspielbranche eröffnen die wachsende Sparte der ‚Serious Games‘ sowie neue digitale Vertriebswege Möglichkeiten für diversifizierte Geschäftsmodelle, die die Einkommenssituation insbesondere kleinerer Firmen stabilisieren und Experimentierräume in Richtung einer Reduzierung von Flexibilitätsanforderungen an Beschäftigte eröffnen. Zugleich drückt der Mangel an ‚geduldigem Risikokapital‘ auf das Lohnniveau; und auch das Fehlen jeglicher Strukturen kollektiven Interessenausgleichs begünstigt, dass Beschäftigte eher mit ‚exit‘ als mit ‚voice‘ auf wenig nachhaltige Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen reagieren.
Vielfach ist in der Debatte zu den gegenwärtigen technologischen Umwälzungen betont worden, dass deren Auswirkungen auf die Arbeitswelt prinzipiell gestaltbar sind. Dem widersprechen auch die vorstehenden Befunde nicht. Sie verdeutlichen aber vor allem, dass die reale Arbeitswelt gegenwärtig in hohem Maße durch teilweise länger zurückreichende wirtschaftsstrukturelle Transformationen geprägt ist, die die personalpolitischen Strategien der Betriebe zu Ungunsten von Beschäftigungsbedingungen geprägt haben. Bei der Suche nach Lösungen, die der Entwicklung eine andere Richtung geben, sollte sich der Blick daher nicht zu eng auf einzelbetriebliche Experimentierräume sowie eine Anpassung der sozialen Sicherungssysteme an flexibilisierte Erwerbsformen richten. Sie bedürfen der Ergänzung durch Maßnahmen, die Einfluss auf jene strukturellen Rahmenbedingungen zu nehmen versuchen, welche die Ausrichtung von Unternehmensstrategien auf kurzfristige Planungshorizonte und -ziele zulasten einer nachhaltigen Arbeitsplatzgestaltung fördern.
Weitere Ergebnisse und Publikationen aus dem Forschungskonsortium finden Sie unter dem Link http://www.quinne.eu
Publikationen zum Projekt
Gautié, Jérôme / Jaehrling, Karen / Perez, Coralie, 2020: Neo-Taylorism in the Digital Age: Workplace Transformations in French and German Retail Warehouses. In: Relations industrielles / Industrial Relations 75 (4), pp. 774–795
Duhautois, Richard / Erhel, Christine / Guergoat-Larivière, Mathilde / Mofakhami, Malo / Obersneider, Monika / Postels, Dominik / Anton, José Ignacio / Muñoz de Bustillo, Rafael / Pinto, Fernando, 2018: The employment and job quality effects of innovation in France, Germany and Spain: Evidence from firm-level data. European Commission Horizon 2020 project “Quality of Jobs and Innovation Generated Employment Outcomes” (QuInnE). QuInnE Working Paper WP5-3 | Lesen
Jaehrling, Karen, 2018: Introduction: Prospects for Virtuous Circles? The institutional and economic embeddedness of companies’ contemporary innovation strategies in Europe. In: Karen Jaehrling: Virtuous circles between innovations, job quality and employment in Europe? Case study evidence from the manufacturing sector, private and public service sector. QuInnE Working Paper WP6-3. European Commission Horizon 2020 project “Quality of Jobs and Innovation Generated Employment Outcomes” (QuInnE), pp. 1–34 | Lesen
Jaehrling, Karen (ed.), 2018: Virtuous circles between innovations, job quality and employment in Europe? Case study evidence from the manufacturing sector, private and public service sector. European Commission Horizon 2020 project “Quality of Jobs and Innovation Generated Employment Outcomes” (QuInnE) | DOI-Link | Lesen
Jaehrling, Karen / Gautié, Jérome / Keune, Maarten / Koene, Bas / Perez, Coralie , 2018: The digitisation of warehousing work. Innovations, employment and job quality in French, German and Dutch retail logistics companies. In: Karen Jaehrling: Virtuous circles between innovations, job quality and employment in Europe? Case study evidence from the manufacturing sector, private and public service sector. QuInnE Working Paper WP6-3. European Commission Horizon 2020 project “Quality of Jobs and Innovation Generated Employment Outcomes” (QuInnE), pp. 280–332
Jaehrling, Karen / Obersneider, Monika / Postels, Dominik, 2018: Digitalisierung und Wandel von Arbeit im Kontext aktueller Marktdynamiken. Empirische Befunde zum Zusammenspiel von Innovationen, Beschäftigung und Arbeitsqualität. Duisburg: Inst. Arbeit und Qualifikation. IAQ-Report 2018-03 | DOI-Link| Info | Lesen
Makó, Csaba / Illéssy, Miklós / Latniak, Erich (with the support of Bórbely, András / Kümmerling, Angelika / Losónci, David / Tóth, Anna F. / Szentesi, Ibolya), 2018: The relationship between employment, job quality and innovation in the automotive Industry: a nexus of changing dynamics along the value chain. Evidence from Hungary and Germany. In: Karen Jaehrling: Virtuous circles between innovations, job quality and employment in Europe? Case study evidence from the manufacturing sector, private and public service sector. QuInnE Working Paper WP6-3. European Commission Horizon 2020 project “Quality of Jobs and Innovation Generated Employment Outcomes” (QuInnE), S. 88–130
Vorträge zum Projekt
Dr. Erich Latniak, Csaba Makó, Miklós Illessy, Bálazs Heidrich, Niela Kleinsmith, Chris Mathieu: Smart use of manual work: Opportunities and limts of automation (lessons from the german and hungarian automotive industry). ILERA European Congress 2019: Perspectives of Employment Relations in Europe. In Kooperation mit: International Industrial Relations Association – Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V., Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, 05.09.2019
Dr. Karen Jaehrling: Implementing high performance work practices in non-liberal market economies: Some lessons from three industries in France, Germany and Sweden. Fathomless Futures: Algorithmic and Imagined. SASE's 31st Annual meeting, New York/USA, The New School, 27.06.2019 Weitere Informationen
Dr. Karen Jaehrling: Amazon is not a pioneer of ‚Digital Taylorism‘. Digging into the deep structures of the current workplace transformation and the scope for collective bargaining in Germany. International Labour Process Conference, Wien, Österreich, Universität Wien, 26.04.2019 Weitere Informationen
Dr. Karen Jaehrling: ‘Digital Taylorism’: What scope for collective bargaining at company level ? . Work and Equality Institute Seminar. UK, Manchester, University of Manchester, 26.09.2018
Dr. Karen Jaehrling: Digitalisation in ‘old’ industries. The search for security under disruptive technologies and deconstructed labour markets. 40th International Working Party on Labour Market Segmentation (IWPLMS). In Kooperation mit: Forschungsinstitut für gesellschaftliche Weiterbildung (FGW) und Netzwerk Arbeitsforschung NRW, Düsseldorf, 07.09.2018 Weitere Informationen
Dr. Karen Jaehrling: The link between job quality and innovation: virtuous or vicious circles? ETUC/ETUI conference: The World(s) of Work in Transition. ETUC/ETUI, Brüssel, 28.06.2018 Weitere Informationen
Dr. Karen Jaehrling: The institutional and economic embeddedness of companies’ workplace-related innovation strategies in Europe. Situating Human Resource Management Practices in Their Political and Economic Contex. Leeds, CERIC (Center for Employment Relations, Innovations and Change), University of Leeds, 09.03.2018 Weitere Informationen
Dr. Karen Jaehrling: La digitalisation du travail dans les entrepôts : innovations et qualité de l’emploi dans des entreprises de la logistique du commerce en Allemagne, en France et aux Pays-Bas. Innovation et qualité de l’emploi : résultats du projet QuInnE. CEPREMAP, Paris, 19.01.2018
Dr. Karen Jaehrling: How does labour market segmentation affect innovation dynamics – and vice versa? . 38th Annual Conference of the International Working Party on Labour Market Segmentation (IWPLMS 2017) . Manchester, European Work and Employment Research Centre, Manchester Business School of The University of Manchester, 14.09.2017
Dr. Karen Jaehrling: Moving to an e-World: New virtuous circles in retail logistics? Results from qualitative case studies. SASE 29th Annual Meeting. Lyon, Frankreich, Society for the Advancement of Socio-Economics, 30.06.2017
Dr. Karen Jaehrling: Innovations and job quality: Farewell to the virtuous circle? Introduction to the session. SASE 29th Annual Meeting. Lyon, Frankreich, Society for the Advancement of Socio-Economics, 30.06.2017