Informationen zum Forschungsprojekt
Öffentliche Auftragsvergabe als neue Arena industrieller Beziehungen
Ziel und Aufgabenstellung
Die Verlagerung öffentlicher Aufgaben auf private Unternehmen geht laut zahlreichen Studien mit einer Verschlechterung von Arbeitsbedingungen einher. Dies wird vielfach mit dem Gefälle zwischen öffentlichem und gewerblichem Sektor in Hinblick auf die Strukturen des bilateralen kollektiven Interessenausgleichs erklärt. Allerdings ist in den vergangenen Jahren auf politischer Ebene zunehmend in den Blick geraten, dass auch der Staat über Möglichkeiten verfügt, auf die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten bei den beauftragten Firmen Einfluss zu nehmen – etwa über die Berücksichtigung sozialer Kriterien bei der Auftragsvergabe. Solche Formen der Einflussnahme erweitern den üblicherweise bilateralen Interessenausgleich zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten in den privatwirtschaftlichen Unternehmen um einen dritten Akteur, die öffentliche Verwaltung, die mehr oder weniger direkt steuernd in die dort geltenden Arbeitsbeziehungen eingreifen kann. Mit dem Wandel vom ‚Leistungsstaat‘ zum ‚Gewährleistungsstaat‘ gewinnen also trilaterale Formen des Interessensausgleichs an Bedeutung. Das Forschungsvorhaben zielt auf eine Bestandsaufnahme und Erklärung der verschiedenen Erscheinungsformen und Resultate dieses trilateralen Interessenausgleichs. Im Zentrum der Untersuchung steht die Frage, wie das Spannungsverhältnis zwischen knappen öffentlichen Budgets, normativen Erwartungen an die Vorbildrolle des Staates, Gewinninteressen des privatwirtschaftlichen Arbeitgebers und Arbeitnehmerbelangen austariert wird.
Vorgehen
Den Kern der empirischen Erhebung stellen qualitative Intensiv-Fallstudien zu den Entscheidungsprozessen in der öffentlichen Auftragsvergabe in ausgewählten Kommunen dar. Die Untersuchung geht dabei von der Annahme aus, dass die Nutzung des Vergabeinstrumentariums zugunsten marktkorrigierender Eingriffe in hohem Maße von institutionellen Rahmenbedingungen abhängig ist, insbesondere von den national und sektoral unterschiedlichen Systemen der industriellen Beziehungen. Im Zentrum der Untersuchung steht daher ein Vergleich der Auftragsvergabe in zwei Branchen (Abfallwirtschaft, Catering), die sich in Hinblick auf diese Rahmenbedingungen deutlich unterscheiden. Darüber hinaus wird ein internationaler Vergleich durch Zusammenarbeit mit zwei Kooperationspartner in Dänemark und Großbritannien angestrebt.
Publikationen zum Projekt
Refslund, Bjarke / Jaehrling, Karen / Johnson, Mathew / Koukiadaki, Aristea / Larsen, Trine Pernille / Stiehm, Christin, 2020: Moving in and out of the Shadow of European Case Law – The dynamics of public procurement in the post‐post‐Rüffert era. In: JCMS Journal of Common Market Studies 58 (5), pp. 1165–1181 | DOI-Link
Jaehrling, Karen / Johnson, Mathew / Larsen, Trine P. / Refslund, Bjarke / Grimshaw, Damian, 2018: Tackling precarious work in public supply chains: A comparison of local government procurement policies in Denmark, Germany and the UK. In: Work, Employment and Society 32 (3), pp. 546-563 | DOI-Link| Info
Jaehrling, Karen, 2015: Öffentliche Auftragsvergabe – eine neue Arena der industriellen Beziehungen? Konzeptionelle Überlegungen und erste empirische Befunde. In: Industrielle Beziehungen 22 (3-4), S. 325-344
Jaehrling, Karen, 2015: The state as a ‘socially responsible customer’? Public procurement between market-making and market-embedding. In: European Journal of Industrial Relations 21 (2), pp. 149-164
Vorträge zum Projekt
Dr. Karen Jaehrling: Variegated de-marketization': manifestations and dynamics of extra-neoliberal politics and practices. Industrial relations and the Green Transition; towards inclusive and sustainable growth. 13th European Regional Congress of the International Labour and Employment Relations Association (ILERA), Barcelona, 8–10 September 2022, 10.09.2022 Weitere Informationen
Dr. Karen Jaehrling, Ian Greer: Two books about marketization in Europe: an author-meets-author session. Fractious Connections: Anarchy, Activism, Coordination, and Control. SASE's 34th Annual Meeting, 9–11 July 2022, Amsterdam, 09.07.2022 Weitere Informationen
Dr. Karen Jaehrling: Organisational and institutional experimentation in public supply chains: The case of Germany. Making and Breaking Boundaries in Work and Employment Relations. 19th ILERA World Congress, 21-24 June 2021 (Virtual Conference) , 22.06.2021 Weitere Informationen
Dr. Karen Jaehrling: Vergabemindestlöhne - die zweite Generation. DGB-Workshop zum Thema 'Tarifbindung stärken' (Virtueller Workshop), 12.05.2021
Dr. Karen Jaehrling: ‘Street level market making’. How local authorities use public procurement as a lever to promote decent work in Germany. Seminar, King’s Business School, King’s College London, 23.10.2019
Dr. Karen Jaehrling: German public procurement regulation and its interplay with European regulation and case law: obedient anticipation, implementation ‘one-to-one’ or testing the waters? ILERA European Congress 2019: Perspectives of Employment Relations in Europe. In Kooperation mit: International Industrial Relations Association – Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V., Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, 05.09.2019 Weitere Informationen
Dr. Karen Jaehrling: Leaving the Laval quartet behind? The judicialisation and politicisation of public procurement in Germany. 6th Regulating for Decent Work Conference (RDW) 2019, Genf/Schweiz, ILO, 08.07.2019 Weitere Informationen
Dr. Karen Jaehrling: The public ethos of outsourcing: Exploring the changing role and professional norms of procurement managers . Fathomless Futures: Algorithmic and Imagined, SASE 31st Annual meeting, New York/USA, The New School, 27.06.2019 Weitere Informationen
Dr. Karen Jaehrling, Christin Stiehm: Öffentliche Auftragsvergabe als neue Arena industrieller Beziehungen – Ein ‚Paradigmenwechsel‘ zugunsten besserer Arbeitsbedingungen? GIRA-Jahrestagung 2018. German Industrial Relations Association (GIRA), Hochschule Darmstadt, 12.10.2018 Weitere Informationen
Dr. Karen Jaehrling: German public procurement regulation and its interplay with European regulation and case law: obedient anticipation, implementation one-to-one or testing the waters? MANREG Research Seminar. School of Law, University of Manchester, Manchester Centre for Regulation, Governance and Public Law (MANREG) , 27.09.2018
Dr. Karen Jaehrling, Christin Stiehm: Governance structures in public procurement: A ‘paradigm shift’ without consequences? (mit A. Koukiadaki, M. Johnson, M. Mustchin, L. Watt). The WEI Fourth Biennial Fairness at Work Conference. 'Justice at Work: Challenges and Possibilities'. University of Manchester, WEI, Manchester, UK, 10.09.2018 Weitere Informationen