Bauen im Bestand
Verstärken
Sowohl sich ändernde Beanspruchungszustände (Einwirkungsseite) als auch Veränderungen der Struktur (Widerstandsseite) können Verstärkungen eines Bauwerks erforderlich machen. Auf der Einwirkungsseite sind erhöhte Belastungen infolge von Umnutzungen (Hochbau) oder durch gestiegenes Verkehrsaufkommen (Brückenbau) als Beispiele zu nennen. Widerstandsseitig kommt eine Vielzahl von Strukturveränderungen in Betracht: Umbauten im Hochbau können beispielsweise mit der Entfernung von vertikal lastabtragenden Bauteilen und daraus resultierenden Veränderungen für das statische System oder die Randbedingungen von horizontal lastabtragenden Bauteilen einhergehen. Im Ingenieurbau stellt die Alterung der Bauwerke und die damit einhergehende Verschlechterung der Bausubstanz ein großes Problem dar. Die Carbonatisierung von Beton, Chlorideinwirkung, unzulässige Rissbildung durch Konstruktions- und Bemessungsfehler oder außerplanmäßige Beanspruchungen können zu Einschränkungen der Tragfähigkeit führen. Weitere tragfähigkeitsrelevante Probleme resultieren daraus, dass der zum Zeitpunkt der Bauwerkserstellung gültige Stand der Technik nicht ausgereift war. So wurden in der Vergangenheit beispielsweise Spannstähle verwendet, die aus heutiger Sicht ungeeignet sind, weil sie anfällig für Spannungsrisskorrosion sind. Aus diesem Grund muss eine große Anzahl von Brückenbauwerken nach der „Richtlinie zur Nachrechnung von Straßenbrücken im Bestand“ nachgerechnet werden. Für den Einsatz messwertgestützter Berechnungsverfahren oder wissenschaftlicher Methoden im Rahmen einer Nachrechnung sind genaue Kenntnisse der Struktur erforderlich, die durch den Einsatz von Monitoringsystemen gewonnen werden können. Wenn die in der Nachrechnungsrichtlinie geforderten Nachweise nicht erbracht werden können, ist ein Ersatzneubau oder eine Verstärkung des Bauwerks erforderlich. Letztere zielt darauf ab, den ursprünglichen Zustand auf der Widerstandsseite wiederherzustellen (Instandsetzung) oder eine über diesen Zustand hinausgehende Verbesserung zu erreichen (Ertüchtigung), um die Aufnahme erhöhter Beanspruchungen zu ermöglichen.
Am Institut für Massivbau stellt die Untersuchung und Entwicklung von Verstärkungstechniken seit vielen Jahren einen wichtigen Forschungszweig dar. Schwerpunktmäßig sind hier die Verstärkung von Betonbauteilen mittels aufgeklebter oder in Schlitze verklebter CFK-Lamellen, zusätzlicher Bewehrung in Nuten oder zusätzlicher (externer) Vorspannung Gegenstand der Untersuchungen.
Die für die Untersuchungen erforderliche experimentelle Ausstattung einschließlich Klimaraum und Hydropulsanlage ist vorhanden, moderne Hard- und Software steht zur Verfügung.
Literatur
Schnellenbach-Held, M., Welsch, T., Fickler, S., Hegger, J., Reißen, K.: Verstärkungen älterer Beton- und Spannbetonbrücken. Erfahrungssammlung. Dokumentation 2016. Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Abteilung Straßenbau, Bonn, 2016.
Welsch, T., Reißen, K., Schnellenbach-Held, M., Hegger, J., von Weschpfennig, D., Haardt, P.: Praxiserfahrungen zum Verstärken von Betonbrücken. Beton- und Stahlbetonbau 111 (2016), Heft 4, S. 241–252.
Schnellenbach-Held, M., Peeters, M.: Wirksamkeit vorhandener Stahllaschen im Rahmen einer Brückenverstärkung mit externer Vorspannung. In: Tagungshandbuch 2. Brückenkolloquium „Beurteilung, Ertüchtigung und Instandsetzung von Brücken“, Technische Akademie Esslingen, 21. und 22. Juni 2016, Ostfildern.
Schnellenbach-Held, M., von Weschpfennig, D., Welsch, T., Peeters, M.: Verstärken von Betonbrücken im Bestand – Verstärkungsverfahren, Überwachungskonzepte und Praxiserfahrungen. In: Tagungshandbuch 1. Brückenkolloquium „Beurteilung, Ertüchtigung und Instandsetzung von Brücken“, Technische Akademie Esslingen, 24. und 25. Juni 2014, Ostfildern.
Schnellenbach-Held, M., Peeters, M., Scherbaum, F.: Sachstand Verstärkungsverfahren – Verstärken von Betonbrücken im Bestand. Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Brücken- und Ingenieurbau, Heft B 75, 2010.