Forschung & Projekte - Kommunikation in der Katastrophen-Medizin
06/2017 - 12/2022Kommunikation und "professional vision" in der Katastrophen-Medizin. Veränderung der Rolle des Notarztes im Krisenfall.
In (Übungen von) Großschadenslagen - wie z.B. bei einem Busunglück, Anschlag oder der Duisburger Loveparade 2010 - bedürfen eine Vielzahl an Menschen gleichzeitig medizinischer Versorgung. Um einen solchen 'Massenanfall von Verletzten' (MANV) zu bewältigen, arbeiten verschiedene Rettungskräfte mit unterschiedlichem professionellen und institutionellem Hintergrund (Feuerwehr, Ärzte, Rettungssanitäter, Hilfsorganisationen, Polizei ...) in enger Kooperation miteinander. Es entsteht ein hochgradig komplexes und mobiles Interaktionsgefüge mit häufig mehr als 100 beteiligten Akteuren, verschiedenster dynamischer Beteiligungskonstellationen und einer Vielzahl paralleler Aktivitäten. Hinzu kommt das Nebeneinander je spezifischer 'professional visions' (Goodwin 1994) z.B. im für die Koordinierung der Rettungskräfte verantwortlichen Team 'Organsiationsleiter der Feuerwehr (OrgL) & Leitender Notarzt (LNA)'. Auch verändern sich situationsspezifisch professionelle Rollen. So ist ein Notarzt im MANV angesichts der vorübergehenden Mangel-Versorgung nicht mit der sofortigen Behandlung eines Patienten befasst (Individual-Medizin), sondern führt eine 'Triage' der Verletzten mit Festlegung von Behandlungsprioritäten durch (Kastrophen-Medizin).
Ziel dieses Anschub-Projekts ist die Erhebung eines Corpus von multi-perspektivischen Interaktionsdaten aus authentischen Trainingssituationen verschiedener MANV-Übungen. Um die Komplexität der Interaktion in Ansätzen zu erfassen, werden die Übungen mittels zeitsynchronisierter Aufzeichnungen von multiplen (aktuell bis zu 14) Video-Kameras, mehreren (aktuell bis zu 4) mobilen Eye-Tracking-Brillen, einer Drohnen-Kamera und der Funk-Kommunikation dokumentiert. In interdisziplinärer Kooperation (Prof. Dr. B. Tolg, HAW) werden zudem Bewegungsdaten der Teilnehmer aufgezeichnet. Die Datenerhebung umfasst die Situation am Schadensort, in der Patientenablage sowie die Übergabe von Verletzten in der Notaufnahme.
Publikationen
- Pitsch, K., Bachmann, P., & Dudda, M. (2020). ‚Triage‘ in Mass Casualty as Situated Interaction. Algorithm and Participation. In: ECSCW 2020, Siegen. [DOI]
Gefördert durch:
Anschubfinanzierung zur Datenerhebung - Profilschwerpunkt "Wandel von Gegenwartsgesellschaften", UDE
Team des Projekts
Team der Professur
In Kooperation mit:
Feuerwehr Essen
- Peter Bachmann, Brandschutz/ Rettungsdienst
Universitätsklinikum Essen
- Prof. Dr. Marcel Dudda, Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungsmedizin
- Dr. Stefanie Merse (Co-PI; bei Projektbeginn)
HAW Hamburg
- Prof. Dr. Boris Tolg, Department Medizintechnik; SIMLab