Laufende Forschungsprojekte aus Drittmitteln

Hier haben wir aktuell laufende Forschungsprojekte am Institut für Sozioökonomie zusammengestellt, die mit Drittmitteln gefördert werden.
The Cultural Evolution of Scientific Practice - from Simulation to Experimentation
Projektleitung: Prof. Dr. Jakob Kapeller
Fördergeber: VW Stiftung
Projektpartner: Universität Bonn, Center for Science and Thought; Universität Utrecht, Department of Philosophy and Religious Studies
Laufzeit: 1.1.2024-31.12.2028
Beteiligte Mitarbeiter:innen: Oliver Braganza, Johannes Schultz, Uwe Peters
Beschreibung: The cultural evolution of scientific practice - from simulation to experimentation
SCIENTIFIC ABSTRACT (GERMAN): Studien deuten darauf hin, dass eine signifikante Anzahl von wissenschaftlichen Publikationen nicht reproduzierbar ist. Simulationsstudien legen nahe, dass dies eine Folge von "kulturellen Evolutionsprozessen" sein könnte. Demnach untergräbt die Selektion von Wissenschaftlern aufgrund von "Proxy-Maßen" die Qualität wissenschaftlicher Praxis. Der Grund ist, dass problematische Methoden systematisch ausgewählt werden, wenn sie geringfügige Produktivitätsvorteile bringen. Allerdings wurden die Vorhersagen solcher Simulationsstudien bisher nicht experimentell getestet. Dies ist ungünstig, weil kausale Zusammenhänge nur experimentell etabliert werden können, und weil menschliches Verhalten generell komplexer ist als entsprechende Modellannahmen. Hier schlagen wir ein Paradigma vor, in dem Empirie, Simulation und Experimente systematisch zusammengebracht werden. Dies wird es ermöglichen, die Vorhersagen von Simulationen mit echten menschlichen Probanden in einem kontrollierten Laborumfeld zu testen und die Effektivität von Interventionen systematisch zu erforschen. Wir werden den kulturellen Evolutionsprozess auf der Basis von Proxy-Maßen in drei konkreten Domänen erforschen: 1) die Wahl von Stichprobengrößen, 2) die Verwendung von "generischen" Bezeichnungen und 3) die Auswahl von prestigeträchtigen Kollaborationspartnern.
SCIENTIFIC ABSTRACT (ENGLISH): Science is built upon reliable findings, yet many results fail to replicate. Recent simulation studies have suggested that declining quality of scientific findings is a natural by-product of scientific evaluation and reward systems. Specifically, academic competition based on proxy measures has been proposed to lead to a process of cultural evolution, in which problematic scientific practices are automatically selected, whenever they entail slight advantages in terms of proxy performance. However, to the best of our knowledge, there is to date no experimental test of these predictions. This is problematic because simulations cannot establish causality and because human behavior can defy model predictions, which may hinge on simplifications such as the ‘rational agent’ model. In particular, the design of interventions might benefit from an experimental approach, that takes account of real human behavior. Here, we propose to test the predictions of prominent recent simulation studies experimentally, and to quantify the impacts of potential interventions. Specifically, we will explore how cultural evolution based on proxy measures shapes individual decision-making in three concrete scientific contexts, namely 1) sample size choice, 2) the use of generic terms and 3) the choice of collaborators.
Related Publications:
Kapeller, Jakob / Pühringer, Stephan / Rath, Johanna / Aistleithner, Matthias (2024): Proxy failures in practice: examples from the sociology of science (comment). Behavioral and Brain Sciences , (forthcoming).
Kapeller, Jakob / Aistleitner, Matthias / Kronberger, Dominik (2023): The authors of economic journals revisited: evidence from a large-scale replication of Hodgson and Rothman (1999). Journal of Institutional Economics, Vol. 19: 86-101.
Kapeller, Jakob / Aistleitner, Matthias / Steinerberger, Stefan (2019): Citation Patterns in Economics and Beyond: Assessing the Peculiarities of Economics from Two Scientometric Perspectives. Science in Context, Vol. 32(4): 361-380
Die Finanzmarktverlierer*innen. Untersuchung zur Benachteiligung finanzschwächerer Haushalte beim Vermögensaufbau und privaten Geldgeschäften
Projektleitung: Prof. Miriam Rehm, Ph.D.
Fördergeber: Hans Böckler Stiftung
Projektpartner: Finanzwende GmbH
Laufzeit: 1.8.2023-31.7.2025
Beteiligte Mitarbeiter:innen: Theresa Lagemann
Kontext
Viele Menschen sorgen sich angesichts andauernder Rentendiskussionen und Wirtschaftskrisen um ihre finanzielle Absicherung. Das gilt insbesondere für Finanzschwächere, denn niedrige Einkommen korrelieren häufig auch mit niedrigen Vermögen. Eine wichtige Rolle beim Vermögensaufbau und bei Geldgeschäften spielt die Funktionsweise des Finanzmarkts, der aus Sicht der Verbraucher*innen vielfach von Informationsasymmetrie, Produktkomplexität und Interessenkonflikten geprägt ist. Zusätzliche Hürden für finanzschwächere Menschen könnten deren Möglichkeiten zur finanziellen Absicherung einschränken und Ungleichheiten manifestieren. Der Sozialstaat trägt Verantwortung für eine faire Teilhabe aller Gesellschaftsschichten an der privaten Daseinsvorsorge. Dazu zählt auch eine faire Chance, privates Vermögen aufzubauen und sich abzusichern. Etwaige Befunde, die auf systematische Benachteiligungen Finanzschwächerer hinweisen, lassen einen Erkenntnisgewinn zu bestehenden Ungleichheiten erwarten.
Fragestellung
Das Projekt legt den Schwerpunkt auf die Chancengleichheit von Finanzschwächeren am Finanzmarkt. Die Forschungsfrage lautet: „Sind finanzschwache Haushalte in Deutschland beim Vermögensaufbau und bei privaten Geldgeschäften systematisch benachteiligt, weil sie gegenüber Besserverdienenden geringere Renditen erwirtschaften und ihnen nur weniger oder teurere Optionen zur Verfügung stehen?“
Die Untersuchung lenkt den Fokus auf die sonst wenig beachteten finanzschwächeren Gruppen. Sie analysiert, wie sich geringe finanzielle Mittel auf die Chancengleichheit am Finanzmarkt auswirken. Insbesondere will das Projekt strukturelle Barrieren erforschen, denen sich Einkommens- bzw. Vermögensschwächere bei alltäglichen Geldgeschäften ausgesetzt sehen. Ziel ist es, ein breiteres öffentliches Bewusstsein für die Probleme Finanzschwächerer zu schaffen und eine gesellschaftliche Diskussion auszulösen. Zudem werden Lösungsvorschläge entwickelt, um etwaige Ungleichheiten abzumildern.
Untersuchungsmethoden
Das Projekt führt Renditemöglichkeiten am Finanzmarkt für unterschiedliche Einkommens- bzw. Vermögensgruppen mit Produktanalysen zusammen.
Dazu wird die durchschnittliche Rendite nach Vermögens- bzw. Einkommensgruppen ermittelt, indem Portfolios einzelner Haushalte mit Daten zur langfristigen Renditeentwicklung bestimmter Anlageklassen zusammengeführt werden.
Zudem erfolgt eine produktbezogene Analyse, die Kosten und Zugangsmöglichkeiten verschiedener Finanzprodukte betrachtet und nach Einkommens- bzw. Vermögensgruppen vergleicht. Beide Analysen werden zusammengeführt, und – wenn möglich – zu einem Armutsaufschlag verdichtet. Integraler Bestandteil ist die Frage, ob Benachteiligungen bestimmte sozioökonomische Gruppen besonders betreffen (z.B. Frauen). Das Projekt adressiert eine relevante Forschungslücke. Bisher konzentriert sich die Forschung auf die Anlagerenditen unterer Vermögensgruppen – ohne mögliche Zugangs- und Kostennachteile bei Finanzprodukten zu untersuchen.