Zur makroökonomischen und institutionellen Bedeutung von Aktienrückkäufen

Carmen Giovanazzi forscht zur makroökonomischen und institutionellen Bedeutung von Aktienrückkäufen. Ihre Dissertation beschäftigt sich mit den Wechselwirkungen zwischen Aktienrückkäufen und Investitionen, Mitbestimmung und Ungleichheit in den USA und Deutschland und deren wirtschaftspolitischen Implikationen. 

Im Dissertationsprojekt soll zunächst das Verhältnis von Aktienrückkäufen und Investitionen analysiert werden. Unternehmen in den USA schütten Gewinne zunehmend über Aktienrückkäufe aus (Bhargava 2013, Chen et al. 2017, Europäische Zentralbank 2007, Lazonick 2014), während Unternehmen in Deutschland ihre zunehmenden Ersparnisse insbesondere für die Hortung von Bargeld und liquiden Mitteln nutzen (Deutsche Bundesbank, 2019). Beides könnte zulasten von Investitionen gehen. Forschungsfragen hierzu sind: Zu welchem Ausmaß bedingen Aktienrückkaufe in den USA und Deutschland verminderte Investitionsausgaben? In welchem Verhältnis stehen einbehaltene Gewinne, Aktienrückkäufe und Investitionsausgaben? Zur empirischen Analyse bieten sich kausale Schätzverfahren und die Nutzung von Unternehmensdaten an, welche Jahresabschlüsse von amerikanischen und deutschen börsennotierten Unternehmen enthalten.

Der zweite Teil widmet sich dem Einfluss von Mitbestimmung auf Aktienrückkäufe. Laut Redeker (2020) kumulieren Unternehmen mit paritätischer Mitbestimmung weniger an Bargeld und kurzfristigen Anlagen als ähnliche Unternehmen ohne Mitbestimmung. Lazonick (2014) vermutet, dass der in den USA stärkere Trend zu Aktienrückkäufen auf die fehlende Mitbestimmung zurückzuführen ist. Forschungsfragen hierzu lauten: In welchem Maße geht ein negativer Effekt von der Mitbestimmung in Aktiengesellschaften auf den Wert von Aktienrückkäufen aus? Ist dieser Zusammenhang in gewissen Branchen, bei gewissen Unternehmen und Formen der Mitbestimmung besonders ausgeprägt? Auch hier bieten sich kausale Schätzverfahren an. Ergänzend ist ein qualitativer Ansatz vorgesehen, wo durch Interviews Erkenntnisse über unternehmerische Entscheidungen in Bezug auf Aktienrückkäufe erlangt werden sollen.

Drittens sollen die Effekte von Aktienrückkäufen auf die Einkommens- und Vermögensungleichheit sowie gesamtwirtschaftliche Nachfrage analysiert werden. Aktienrückkäufe können als funktionales Äquivalent zu Dividendenzahlungen begriffen werden; auch profitieren Anteilseigner*innen, wenn durch Rückkäufe Aktienkurse steigen (Europäische Zentralbank, 2007). In der Summe sind für Aktionär*innen und Führungskräfte positive Effekte auf Einkommen (und Vermögen) durch Aktienrückkäufe zu erwarten, während die Arbeiterschaft nicht profitiert. Möglicherweise wird also durch Aktienrückkäufe die Einkommensungleichheit erhöht. Je nachdem, ob statusgetriebener Konsum eine Rolle spielt, führt dies zu einer gedämpften, konstanten oder steigenden gesamtwirtschaftlichen Nachfrage. Methodisch lässt sich der Zusammenhang zwischen Aktienrückkäufen, ökonomischer Ungleichheit und gesamtwirtschaftlicher Nachfrage in einem kaleckianischen nachfrageorientierten Wachstumsmodell zeigen. Je nach Stärke der Effekte lassen sich darin verschiedene Ergebnisse für das gesamtwirtschaftliche Produktionsniveau und Wachstum festhalten, die wertvolle Rückschlüsse über die realen Wirkmechanismen moderner Volkswirtschaften zulassen.

 

On the Macroeconomic and Institutional Effects of Share Buybacks

Carmen Giovanazzi conducts research on the macroeconomic and institutional effects of share buybacks. Her dissertation focuses on the interactions between share buybacks and investment, codetermination and inequality in the U.S. and Germany and their implications for economic policy.

The dissertation project first analyzes the relationship between share buybacks and investment. Companies in the U.S. increasingly distribute profits via share buybacks (Bhargava 2013, Chen et al. 2017, European Central Bank 2007, Lazonick 2014), while companies in Germany use their increasing savings especially to hoard cash and liquid assets (Deutsche Bundesbank, 2019). Both could come at the expense of investment. Research questions in this regard are: To what extent do share buybacks in the U.S. and Germany condition reduced investment spending? What is the relationship between retained earnings, share buybacks and investment spending? For the empirical analysis, she uses causal estimation methods and company data containing annual financial statements of U.S. and German listed companies.

The second part is devoted to the influence of codetermination on share buybacks. According to Redeker (2020), firms with equal codetermination accumulate less in cash and short-term investments than similar firms without codetermination. Lazonick (2014) suggests that the stronger trend of share buybacks in the U.S. is due to the lack of codetermination. Research questions in this regard are: To what extent does a negative effect emanate from codetermination in public companies on the value of share buybacks? Is this relationship particularly pronounced in certain industries, for certain companies and forms of codetermination? Here, too, causal estimation methods are used. In addition, a qualitative approach is considered, where interviews will be conducted  to obtain insights into corporate decisionmaking regarding share buybacks.

Third, the effects of share buybacks on income and wealth inequality, and aggregate demand will be analyzed. Share buybacks can be seen as a functional equivalent to dividend payments; shareholders also benefit when share prices rise due to buybacks (European Central Bank, 2007). In sum, share buybacks are expected to have positive effects on income (and wealth) for shareholders and executives, while workers do not benefit. It is therefore possible that share buybacks increase income inequality. Depending on whether status-driven consumption plays a role, this leads to subdued, constant or rising aggregate demand. Methodologically, the relationship between share buybacks, economic inequality and aggregate demand can be shown in a Kaleckian demand-led growth model. Depending on the strength of the effects, different results for the aggregate level of output and growth can be obtained, which allow valuable conclusions on the functioning of modern economies.

Literatur

  • Bhargava, A. (2013). Executive compensation, share repurchases and investment expenditures: econometric evidence from US firms, Review of Quantitative Finance and Accounting, 40, S. 403-422.
  • Chen, P., Karabarbounis, L. & Neiman, B. (2017). The global rise of corporate saving, Journal of Monetary Economics, 89, S. 1-19.
  • Deutsche Bundesbank (2019). Monatsbericht März, Zur Entwicklung der Ausschüttungsquote der Unternehmen in Deutschland, S. 24-27, verfügbar unter: https://www.bundesbank.de/resource/blob/781628/0fefdf90d8ad4f9695bc9a454bac595c/mL/2019-03-monatsbericht-data.pdf.
  • Europäische Zentralbank (2007). Monatsbericht Mai, Aktienrückkäufe im Euro-Währungsgebiet, S. 111-120, verfügbar unter https://www.bundesbank.de/resource/blob/689782/2e0c5beed341d022fa7cc36db4c53b7e/mL/2007-05-ezb-mb-data.pdf.
  • Lazonick, W. (2014). Profits without prosperity, Harvard Business Review, September Issue, verfügbar unter: https://hbr.org/2014/09/profits-without-prosperity.
  • Redeker, N. (2020). The Politics of Stashing Wealth, The demise of labor power and the global rise of corporate savings, University of Zurich, verfügbar unter: http://www.nilsredeker.com/assets/Redeker_Savings_Glut.pdf.