Vermögensdynamiken in Afrika: Eine Sommerschule in Kampala
RückblickVermögensdynamiken in Afrika: Eine Sommerschule in Kampala
Auch in afrikanischen Ländern geht die Schere zwischen arm und reich stetig weiter auseinander. Schon jetzt sind die Vermögensungleichheiten im globalen Vergleich auffallend hoch. Um die Dynamik dahinter besser zu analysieren, traf sich im September 2024 eine Gruppe von etwa siebzig ambitionierten Wissenschaftler*innen zu einer Sommerschule zum Thema „Wealth Inequality Studies in Africa“ in Kampala, Uganda. Möglich gemacht wurde das durch die gemeinsame Organisation von Resty Naiga (Makerere University), Jakob Kapeller (Universität Duisburg-Essen) und Howard Stein (University of Michigan) sowie durch finanzielle Mittel der Volkswagen Stiftung.
Das inhaltliche Fundament bildete eine Reihe von Vorträgen sachkundiger Speaker*innen. Jakob Kapeller und Howard Stein machten selbst den Anfang mit einer Einführung in die Bedeutung heterodoxer Ökonomik im Kontext ostafrikanischer Vermögensungleichheiten. In den darauffolgenden Tagen berichteten etwa Theresa Auma Eilu (Land and Equity Movement Uganda), Aroop Chatterjee (University Witwatersrand) und Faustin Maganga (St. John’s University) von ihren Erfahrungen aus Forschungsprojekten in Uganda, Südafrika und Tansania. Schnell zeigte sich, wie zentral Landkonflikte für Vermögensungleichheiten in diesen Regionen sind, was William John Walwa (University of Dar es Salaam) und Emmanuel Sulle (Aga Khan University) in ihren Vorträgen noch einmal gesondert einordneten.
Besonders lebhaft wurde die Diskussion, als Doreen Kobusingye (National Land Coalition Uganda) die besondere Belastung von Frauen in Fragen zu Vermögensungleichheiten herausarbeitete. Hier offenbarten sich unterschiedliche (kulturelle) Verständnisse „normaler“ wirtschaftlicher Tätigkeit unter den Teilnehmenden. Doch auch der Blick für die politökonomischen Hintergründe dieser Themen kam nicht zu kurz. So sensibilisierten etwa Jörg Wiegratz (University of Leeds) und Godfrey Asiimwe (Makerere University) für Klassenfragen und die Einflüsse neoliberaler Politik in Ostafrika.
Nachdem die Teilnehmenden diesen Vorträgen aufmerksam gelauscht und deren Thesen leidenschaftlich diskutiert hatten, waren sie an der Reihe, eigene Forschungsentwürfe zu erarbeiten. Auch hier stach wieder ein Thema hervor, das die Wahrnehmung von Vermögensungleichheiten in Ostafrika grundlegend zu prägen schien: der Besitz und die Nutzung von Land als zentrale Determinante individuellen Wohlstands.
Zu diesem Thema wurden die bestehenden politischen, ökonomischen und sozialen Verhältnisse am energischsten hinterfragt. Im Zuge mehrerer, überaus lehrreicher Debatten offenbarten die Teilnehmenden ein beeindruckend tiefes Verständnis der Konflikte zwischen arm und reich, zwischen Regierungen und Bürger*innen, zwischen lokalen und internationalen Unternehmen, sowie zwischen dem globalen Norden und dem globalen Süden.
Das verdeutlichte insbesondere der kleinen Gruppe von Studierenden der Universität Duisburg-Essen, die an der Sommerschule teilnahmen, dass Fragen der Vermögensverteilung im afrikanischen Kontext aufgrund der oftmals engen Kopplung zwischen Subsistenzbedürfnissen und Vermögensbeständen andere ökonomische Wege entfalten als im globalen Norden und daher kontextspezifisch zu bewerten sind. Während die Formalisierung von Eigentumsrechten etwa aus der traditionellen Sicht ökonomischer Lehrbücher stets zu befürworten ist, zeigen die praktischen Erfahrungen in Ostafrika, dass die Formalisierung von Landrechten oftmals mit Kosten verbunden ist, die die effektive Nutzung von Land erschweren und so mit den Bedürfnissen der betroffenen Haushalte kollidieren.
Für die deutschen Studierenden wurde die Sommerschule so nicht zuletzt auch zu einer kulturellen Erfahrung. Bereits am ersten Tag leitete eine eindrucksvolle Vorstellung von traditionellem Tanz aus dem Buganda-Königreich in den Abend über. Sie lernten die ostafrikanische Küche kennen, bestehend etwa aus Matoke, Luwombo und ostafrikanischem Gewürztee (google it!). Und sie bekamen Gelegenheit, ihre eigenen Studieninhalte aus ostafrikanischer Perspektive kennenzulernen und zu hinterfragen.
Dazu trugen nicht zuletzt auch Gespräche mit Uber- und Boda Boda-Fahrern bei, die mit ihren exzellenten Analysen der wirtschaftlichen Lage in Uganda glänzten. Verwunderlich? Nicht wirklich. Denn viele von ihnen haben studiert. Dass sie nun als Taxifahrer arbeiten, ist ein Teil der ökonomischen Realität in Uganda, die nicht den Prämissen der Humankapitaltheorie folgt und für viele, gut ausbildete junge Menschen keine adäquaten Beschäftigungsperspektiven bietet. Welche Prozesse dahinter stecken, werden die Teilnehmenden hoffentlich in Zukunft genauer erforschen. Die Sommerschule hat dazu einen ersten Schritt getan. Wir verlassen sie inspiriert, vernetzt und voller Tatendrang.
Paul Friedemann Kliesch und Jakob Kapeller