Drei Fragen an...
Achim Truger | Jakob Kapeller | Miriam Rehm | Paul Marx | Till van Treeck
Achim, Was sind aus Deiner Sicht die großen Herausforderungen im Bereich Staatstätigkeit und Staatsfinanzen?
Achim Truger: Mein Interesse am Thema Staatstätigkeit und Staatsfinanzen leitet sich aus konkreten, gesellschaftlich relevanten Fragestellungen ab. Ganz zentral ist für mich die Handlungsfähigkeit des Staates, was aus meiner Sicht mittlerweile auch sehr eng mit der Stärkung und dem Erhalt der Demokratie verbunden ist. Handlungsfähigkeit drückt sich darin aus, dass der Staat die Aufgaben, die er übernommen hat und die ihm die BürgerInnen übertragen haben, erfüllen kann. Das heißt, dass er entsprechende Einnahmen und Mittel haben muss. Darüber hinaus muss er bestimmte Regulierungen erlassen können, um gesellschaftlich erwünschte Zielsetzungen durchzusetzen. Das betrifft die Gestaltung der Globalisierung und der Digitalisierung, die Wohnungspolitik, die Arbeitsmarktpolitik, die Geschlechtergerechtigkeit, die Klimapolitik, die Bekämpfung ökonomischer Ungleichheit und Unsicherheit, die Bildungspolitik, da kommt viel zusammen.
Wir müssen die Wirkungsweise
der Schuldenbremse noch besser
verstehen.
Herausforderungen für die Forschung leiten sich daraus unmittelbar ab. Zum einen sehe ich die Schuldenbremse als zentrales Forschungsfeld: Wir müssen die Wirkungsweise der Schuldenbremse noch besser verstehen. Das heißt insbesondere zweierlei: ein klares Verständnis ihrer makroökonomischen Einbettung unter unterschiedlichen konjunkturellen Vorzeichen gewinnen und ihre Relevanz für staatliche Handlungsfähigkeit untersuchen. Auch möchte ich die Auswirkungen der Schuldenbremse und anderer fiskalischer Restriktionen auf kommunale Finanzen näher erforschen, insbesondere von Kommunen, die tief im Strukturwandel stecken, etwa hier in NRW. Darüber hinaus möchte ich Reformoptionen für die Finanzpolitik in der Europäischen Währungsunion näher untersuchen.
Was bedeutet ein sozioökonomischer Ansatz für Dich und Deine Schwerpunkte?
Mir geht es zentral darum, Sozioökonomie als Ermöglichungswissenschaft zu begreifen. Die Wirtschaftswissenschaften haben sich viel zu häufig als Verhinderungswissenschaft in wirtschafts- und sozialpolitische Debatten eingebracht. Ob nun eine gleichmäßigere Einkommensverteilung und gerechtere Bildungspolitik, Umweltpolitik, Arbeitsmarktregulierungen, Stärkung von Mitbestimmung, all solche Fragen wurden in weiten Teilen der Wirtschaftswissenschaften extrem kritisch beäugt und im Grunde genommen immer irgendwie abgelehnt, weil es den Marktkräften zuwider sei und dann am Ende nur zu weniger Wohlstand führe. Man sollte meines Erachtens im Diskurs und in der Analyse normative Zielsetzungen klarer benennen und transparenter machen, und man sollte auch sehr unterschiedliche Reformoptionen nicht a priori ausschließen.
Wir sollten Fragen in Forschung
und Lehre immer von den
konkreten gesellschaftlichen
Herausforderungen her denken
Darüber hinaus steht die Sozioökonomie für mich für einen primär gegenstandsbezogenenAnsatz. Das heißt für mich, Fragen in Forschung und Lehre immer von den konkreten gesellschaftlichen Herausforderungen her zu denken. Wenn man so vorgeht, stellen sich Interdisziplinarität und Pluralismus dann fast automatisch ein. Man sucht ja schließlich nach Lösungen, und dabei ist es nicht vernünftig sich vorab schon auf nur eine Methode zu beschränken.
Was ist Dir in der Lehre wichtig?
Mir ist in der Lehre vor allem wichtig, dass die Studierenden immer erkennen, wozu die Inhalte relevant sind. Wir betreiben Gesellschafts- und Wirtschaftswissenschaft nicht als Selbstzweck, sondern um Fragen gesellschaftlichen Zusammenlebens besser zu verstehen und damit auf einer empirisch fundierten Grundlage Entscheidungsoptionen besser diskutieren zu können.
Studierende sollten immer
erkennen können, wozu die
Inhalte relevant sind
Wenn Studierende dies verinnerlichen und sich auf dieser Basis methodisch und in ihrem theoretischen, institutionellen und historischen Wissen weiterentwickeln können, dann kann die Zeit des Studiums für die Studierenden zu einer unglaublich erfüllenden und bereichernden Phase des Lebens werden.
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