Drei Fragen an...
Achim Truger | Jakob Kapeller | Miriam Rehm | Paul Marx | Till van Treeck
Paul, was sind aus Deiner Sicht die großen Herausforderungen für die Politische Ökonomie?
Paul Marx: Wo soll ich anfangen? Das ist ein ziemlich fragmentiertes Forschungsfeld mit diffusen Grenzen. Eine Herausforderung, die viele (aber nicht alle) Arbeiten in diesem Bereich teilen, ist seinen traditionellen Sturkturalismus zu überwinden. Politökonomische Forschung arbeitet sich noch auf eine häufig unproduktive Weise an der Annahme ab, menschliches Handeln sei letztlich durch materielles Eigeninteresse motiviert. Am Ende kommen dann leider meistens einseitige, triviale oder schlichtweg falsche Argumente raus. Das ist schade, weil es in unseren Nachbardisziplinen spannende und wichtige Erkenntnisse gibt, zum Beispiel wie Präferenzen sozial konstruiert werden oder wie Emotionen und Kultur unsere Entscheidungsprozesse beeinflussen.
Eine zentrale Herausforderung ist es,
politökonomische Mikroforschung in
eine gesellschaftliche relevante
Makroperspektive einzubetten.
Eine daran anknüpfende Frage ist, ob wir uns nicht überhaupt zu viel mit der Mikroebene befassen. Die zentrale Erkenntnis ist ja zum Beispiel, dass es institutionell stabilisierte Spielarten des Kapitalismus gibt und dass sie wichtige makroökonomische Konsequenzen haben. Ihre Mikrofundierung, auf die viel Zeit und Mühe verwendet wurde, kann uns für viele gesellschaftliche Fragen eigentlich egal sein. Das heißt nicht, dass wir keine politökonomische Mikroforschung bräuchten. Aber in vielen Fällen ist die Herausforderung, diese dann auch in eine gesellschaftlich relevante Makroperspektive einzubetten.
Was bedeutet ein sozioökonomischer Ansatz für Dich und deine Schwerpunkte?
Sozioökonomie ist streng genommen ein „weißer Schimmel“. Wirtschaftliches Handeln ist natürlich immer sozial. Bei genauer Betrachtung sind ökonomische Transaktionen komplexe psychologische Beziehungen, die in Organisationen, kulturelle Sphären und Machtverhältnisse eingebettet sind. Für mich bedeutet Sozioökonomie, künstliche Trennungen zwischen Disziplinen, Ansätzen und Perspektiven zu vergessen. Es geht darum, ökonomische Probleme zu identifizieren und sie pragmatisch mit dem geeignetsten theoretischen und empirischen Rüstzeug anzugehen. Das kann aus der Soziologie kommen, den Geschichtswissenschaften, der Biologie oder jeder anderen Richtung. Meistens sind es aber Kombinationen. Daran sieht man schon, dass Sozioökonomie harte Arbeit ist.
Ökonomische Transaktionen sind komplexe
psychologische Beziehungen, die in
Organisationen, kulturelle Sphären und
Machtverhältnisse eingebettet sind.
Viele Menschen assoziieren wahrscheinlich mit dem Begriff Sozioökonomie eine „engagiertere“ ökonomische Forschung, die sich stärker an gesellschaftlichen Problemen als an akademischen Konventionen orientiert. Das sollte sie auch sein. Das lässt sich aber nicht von theoretischer Grundlagenforschung trennen, zu der eine sozioökonomische Perspektive auch beitragen kann. Materielle Ungleichheit sollte zum Beispiel anders auf atomistische Akteure wirken, als auf Menschen, die in emotional aufgeladenen Statusbeziehungen leben. Diesen Brückenschlag wollen wir am Institut für Sozioökonomie versuchen.
Was ist Dir in der Lehre wichtig?
Habe ich erwähnt, dass Sozioökonomie harte Arbeit ist? Ich würde mich wahnsinnig über Studierende freuen, die diese Aufgabe motiviert und mit Begeisterung angehen. Dann kann es auch viel Spaß machen.
Lernen geht nicht ohne zähe und mühsame
Phasen. Aber die Begeisterung für die
Sozioökonomie darf nicht durch langweilige
Lehrformate erstickt werden.
Mir ist dann vor allem wichtig, diese Begeisterung für die Sozioökonomie nicht durch langweilige Lehrformate zu ersticken (obwohl ich leider nicht glaube, dass sich der Lernprozess ganz ohne zähe und mühsame Phasen gestalten lässt). Am besten schaffen wir das, wenn wir in den Veranstaltungen ins Diskutieren kommen. Darauf freue ich mich schon.