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Sterberate in Deutschland während erster COVID-19-Pandemiewelle geringer als erwartet
[09.10.2020] Forschende der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen haben die Gefährlichkeit des aktuellen Coronavirus untersucht. Sie analysierten die jährlichen Sterberaten in Deutschland seit 2016 und zeigten, dass während der ersten COVID-19-Welle weniger Menschen gestorben sind, als bisher vermutet wurde. Auch ohne eine Pandemie hätten Statistiker dieses Jahr aufgrund des demographischen Wandels eine höhere Sterberate erwartet als in den Jahren zuvor. Die Ergebnisse des Essener Forschungsteams sind im Journal of Infection* publiziert. Diese greift auch die Nachrichtenagentur dpa in einem aktuellen Faktencheck** auf.
Ohne Berücksichtigung von Grippe-Verläufen und demographischem Wandel ergibt sich zunächst ein anderes Bild. In diesem Szenario sind zwischen März und Mai dieses Jahres bundesweit 8.071 Menschen mehr gestorben, als gemäß wissenschaftlicher Prognosen vor der COVID-19-Pandemie zu erwarten war. Die Wissenschaft spricht hier von Übersterblichkeit. Zugrunde liegt ein Vergleich der Sterberate von bestimmten Bevölkerungsgruppen mit der des Bevölkerungsdurchschnitts.
„Zu einer erhöhten Sterberate kommt es im Messzeitraum vor allem bei 60- bis 69-Jährigen, 80- bis 89-Jährigen und bei mehr als 90 Jahre alten Menschen“, sagt Prof. Dr. Andreas Stang, Direktor des Instituts für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (IMIBE) am Universitätsklinikum Essen.
Selbst ohne eine COVID-19-Welle hätte man eine höhere Sterberate erwartet, denn der Anteil der mehr als 80 Jahre alten Menschen in Deutschland ist massiv gestiegen. Wird dies berücksichtigt, kann sogar von einer Untersterblichkeit gesprochen werden. Ihre Analyse ergibt ein Defizit von 4.926 Todesfällen.
Den im Vergleich zu anderen Ländern milderen Verlauf der ersten Krankheitswelle in Deutschland erklärt das Forschungsteam damit, dass zu Beginn das durchschnittliche Alter der Erkrankten niedriger war. Es wird zudem vermutet, dass das Krisenmanagement von Bund und Ländern die Entwicklung positiv beeinflusst hat. Indem zwischenmenschliche Kontakte eingeschränkt und viele Operationen verschoben wurden, sank auch die Wahrscheinlichkeit, sich mit anderen Krankheiten anzustecken und daran zu sterben.
Als Epidemiologen beschäftigen sich Prof. Stang und sein IMIBE-Kollege Prof. Dr. Karl-Heinz Jöckel von Haus aus mit den Folgen von Epidemien für eine Gesellschaft. Bei der Analyse arbeitete er u. a. mit Prof. Dr. Ulf Dittmer (Institut für Virologie) und Forschenden der Boston University zusammen sowie mit der Leiterin des Essener Gesundheitsamts, Juliane Böttcher.
* Link zur Fachpublikation:
http://www.doi.org/10.1016/j.jinf.2020.09.012
("Excess mortality due to COVID-19 in Germany", Journal of Infection)
** Link zum dpa-Faktencheck:
http://www.dpa-factchecking.com/germany/201022-99-37661/
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