Meldungen aus der Medizinischen Fakultät
Willkommen in unserem Pressebereich. Kontaktdaten finden Sie am Ende dieser Seite.
Corona-Labortests allein ungeeignet als Entscheidungsgrundlage für Pandemie-Maßnahmen
[18.06.2021] Forschende der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen (UDE) weisen im renommierten Journal of Infection darauf hin, dass die Ergebnisse von RT-PCR-Tests allein eine zu geringe Aussagekraft haben, um damit Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung zu begründen. Gemäß ihrer Untersuchung beweisen positive Testergebnisse nicht hinreichend, dass mit SARS-CoV-2 Infizierte andere Personen mit dem Coronavirus anstecken können. Zusammen mit Wissenschaftler:innen der Universität Münster und dem MVZ Labor Münster hatten sie zuvor etwa 190.000 Ergebnisse von mehr als 160.000 Menschen dahingehend ausgewertet.
Die RT-PCR-Test-Technik gilt als Goldstandard, wenn es um den Nachweis einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 geht. Sie kann nur in spezialisierten Einrichtungen durchgeführt werden. Während der Pandemie wurden und werden die Ergebnisse von Corona-Tests mittels RT-PCR-Technik verwendet, um die Zahl der bundesweiten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner:innen (Inzidenz) zu ermitteln.
Dieser Inzidenzwert bildet für Bund und Länder wiederum eine wichtige Basis, um Anti-Corona-Maßnahmen zu begründen, zum Beispiel Kontaktbeschränkungen bzw. Ausgangssperren. Dies stellen die Forschungsteams aus Essen und Münster jedoch aufgrund ihrer Datenauswertung infrage. „Ein positiver RT-PCR-Test allein ist nach unser Studie kein hinreichender Beweis dafür, dass Getestete das Coronavirus auf Mitmenschen auch übertragen können“, sagt Erstautor Prof. Dr. Andreas Stang, Direktor des Instituts für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (IMIBE) des Universitätsklinikums Essen. „Die am Ende errechnete Zahl von SARS-CoV-2 positiv Getesteten sollte daher nicht als Grundlage für Pandemiebekämpfungsmaßnahmen, wie Quarantäne, Isolation oder Lockdown, benutzt werden.“
Die Autor:innen raten deshalb, Daten aus anderen Bereichen zur Bewertung der Pandemie-Lage zu erheben bzw. zu nutzen. „Geeigneter wären zum Beispiel verlässliche Angaben zur Intensivbetten-Belegung sowie zur Mortalität, also zu der jeweiligen Zahl der Todesfälle in Zusammenhang mit COVID-19“, schlägt Epidemiologe Prof. Stang vor. In seinem Fachgebiet werden die Folgen von Epidemien auf Gesellschaften untersucht.
Das Forschungsteam spricht aber auch über die Möglichkeit, die Aussagekraft des RT-PCR-Wertes bei künftigen Bewertungen der Pandemielage zu verbessern, indem der sog. Cycle-threshold-Wert (Ct-Wert) einbezogen wird. Durch die auch als Schwellen-Zyklus-Wert bekannte Zahl können Aussagen über die Ansteckungsgefahr durch positiv getestete Personen gemacht werden. Liegt der Ct-Wert bei positiv Getesteten bei 25 oder höher, geht man derzeit davon aus, dass diese nicht mehr ansteckend sind, weil die Viruslast zu gering ist. „Bei durchschnittlich etwa 60 % der Getesteten mit COVID-19-Symptomen wurden solch hohe CT-Werte nachgewiesen; In den Wochen 10 bis 19 waren es sogar 78 %, die sehr wahrscheinlich nicht mehr ansteckend waren“, betont Prof. Stang. „Auch das Abfragen von COVID-19-Symptomen bei Getesteten würde helfen, die Ergebnisse von RT-PCR-Tests besser bewerten zu können.“
Über die Auswertung
Es wurden 193.253 RT-PCR-Tests von 162.457 Personen aus der Region Münster ausgewertet. Das entspricht einem Anteil von rund 80 % aller in der Region Münster 2020 durchgeführten RT-PCR-Tests. Die dort lebenden Menschen sind im Hinblick auf Soziodemographie und Lebenserwartung der Gesamtbevölkerung Deutschlands sehr ähnlich. Die Testergebnisse umfassen einen Zeitraum von rund 8 Monaten (26.03.-06.12.2020), in denen die nationale Teststrategie mehrfach wechselte. Einzigartig an der Auswertung: Alle RT-PCR-Tests wurden standardisiert in einem Labor und auf demselben Gerät durchgeführt. Zudem konnte bei fast allen Tests der jeweilige Ct-Wert ermittelt werden.
Über die Testmethoden PCR und RT-PCR
PCR steht für Polymerase Chain Reaction (Polymerase-Ketten-Reaktion), eine molekularbiologische Standardmethode, mit der man auch Virusinfektionen nachweisen kann. Bei der PCR werden bestimmte DNA-Sequenzen außerhalb eines lebenden Organismus vermehrt bzw. kopiert. Genutzt werden Enzyme und Bausteine, die in Körperzellen für die Verdopplung von DNA zuständig sind. Um Menschen auf das Coronavirus zu testen, wird jedoch eine PCR-Variante verwendet, die RT-PCR, wobei RT für Reverse Transkriptase steht. Grund ist das Erbgut des Coronavirus, das nicht als DNA vorliegt, sondern als RNA. Dank der RT-PCR kann RNA über den Umweg der DNA vervielfältigt werden.
Link zum Letter to the Editor im Journal of Infection:
http://doi.org/10.1016/j.jinf.2021.05.022
„The performance of the SARS-CoV-2 RT-PCR test as a tool for detecting SARS-CoV-2 infection in the population“
Pressekontakt
Sie möchten zukünftig über Neuigkeiten aus der Medizinischen Fakultät informiert werden? Dann abonnieren Sie unseren regelmäßigen Newsletter.
Martin Rolshoven, Dipl.-Medienwirt, Wissenschaftsredakteur, Tel.: +49 (0)201/723-6274, martin.rolshoven@uk-essen.de
Dr. Milena Hänisch, Wissenschaftsredakteurin, Tel.: +49 (0)201/723-1615, milena.haenisch@uk-essen.de