Hendrik Schemann
GeiWi/Hist. Inst.
45141 Essen
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Doktorand/in, Geschichte
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Projektskizze Ausbrechen aus der Nation – Aufbrechen in die Welt: Der Kampf des Central-Vereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens um die deutsch-jüdische Zukunft 1929-1938
Der Central-Verein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens (C.V.) entwickelte sich von seiner Gründung 1893 bis hin zu seiner Zwangsauflösung 1938 zeitweise zur größten jüdischen Organisation Deutschlands. Die akkulturierten deutschen Juden fanden sich in diesem Verein zusammen und kämpften gemeinsam für den Erhalt der jüdischen Emanzipation, ihrer deutsch-jüdischen Identität und gegen jegliche Formen des Antisemitismus. Bereits ab dem Jahr 1929 wurde der zunehmende Einfluss der Nationalsozialisten als größte Bedrohung für die Emanzipation der deutschen Juden erkannt. Der politische Umbruch 1933 wurde sowohl von den Führer/-innen des C.V., als auch von seinen Mitgliedern als tiefgreifende Zäsur wahrgenommen, die sich in einer systematischen Eingrenzung jeglicher Lebens- und Handlungsspielräume äußerte. Die Jahre 1933 bis 1935 führten zunächst zur Desorientierung der Vereinsmitglieder und zu einer Neubewertung, sowie Erforschung möglicher Handlungsoptionen. Als maßgebliche Strategie zur Kontingenzbewältigung kristallisierte sich bereits seit 1929 die Verflechtung mit jüdischen Organisationen im In- und Ausland heraus. Das Ziel dieser Verbindungen war stets die Bewältigung von Kontingenz und dadurch die Sicherung einer deutsch-jüdischen Zukunft in Deutschland. Ab dem Jahr 1933 wurden diese Versuche unter neue Vorzeichen gestellt und die Verflechtungsbestrebungen aus dem C.V. heraus intensiviert. Zunächst mit einem Schwerpunkt im Deutschen Reich im Modus der Selbsthilfe und alsbald mit Organisationen außerhalb des Dritten Reichs. Diese Kontakte wurden für den C.V. mit zunehmendem Maße lebensnotwendig. Dies gilt insbesondere für die Verbindungen zum American Jewish Joint Distribution Committee, dem American Jewish Committee, der Jewish Colonization Association und dem Central British Fund, die der C.V. nur zögerlich als neue Partner anerkannte. Es entstand ein neues Beziehungsgeflecht, welches auch die Koordinaten des zuvor als selbsterklärend gedachten ’deutschen Judentums’ grundlegend verschob. Das Ergebnis war eine Verortung in der Welt und weniger in der Nation.
Dieser aus Kooperation, Reform und Migration bestehende Prozess zur Kontingenzbewältigung und -generierung in einem für die deutschen Juden existenzbedrohenden politischen Umbruch steht im Zentrum des Forschungsprojekts. Der angesprochene Zeitraum wird in diesem Zusammenhang als ambivalente Erfahrung verstanden. Die Verfolgung und Vertreibung verursachten größtes Leid, das die Betroffenen aufgrund ihres ausgeprägten Bewahrungswillen der ‘deutsch-jüdischen Kultur‘ kreativ nutzten. Diese Geschichte der Zwangsmigration ist damit auch eine Geschichte des Handelns und des Gestaltens. Damit steht im Kern des Interesses die Geschichte eines wachsenden jüdischen Kontingenzbewusstseins, dem durch die Verflechtung des C.V. mit anderen nationalen und internationalen Organisationen zum Zweck der Kontingenzbewältigung und -generierung als Kategorie menschlichen Handelns begegnet wird. Das Projekt bietet deshalb die Möglichkeit, nach Zukunftshandeln im Judentum der Moderne und dessen Wandel in Zeiten größter Umbrüche und Bedrängnis zu fragen.
Die wichtigste Quelle bildet das wiederentdeckte C.V.-Archiv. Aus diesem wird ein Beziehungsgeflecht extrahiert werden. Da sich die C.V.-Führer, um einen möglichen Verbot des Vereins zu entgehen, einer Selbstzensur unterwarfen, ist es zwangsläufig notwendig, auch die Gegenseite des transnationalen Beziehungsnetzwerks in den Blick zu nehmen, was in einem zweiten Arbeitsschritt geschehen wird.
Curriculum Vitae Lebenslauf
Seit 11/2019: Wissenschaftlicher Mitarbeiter am DFG-Graduiertenkolleg „Vorsorge, Voraussicht, Vorhersage. Kontingenzbewältigung durch Zukunftshandeln“ an der Universität Duisburg-Essen.
10/2017-11/2019: Master of Arts in Holocaust-Studies an der Universität Haifa, Israel
10/2015-11/2017: Master of Education (Geschichte / Evg. Religion) an der Universität Osnabrück. Abschlussarbeit: „Eric Isenburger – Ein Künstler im Zeitalter der Extreme“, Betreuer Prof. Dr. Christoph Rass / Jürgen Kaumkötter
10/2011-09/2015: Bachelor of Arts (Geschichte / Evg. Religion) an der Universität Osnabrück. Abschlussarbeit: „Der Central-Verein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens und seine juristisch-wirtschaftliche Beratungsstelle im Jahr 1933“, Betreuer Prof. Dr. Jochen Oltmer / Dr. Frank Wolff
Studentische Hilfstätigkeiten und Praktika
10/2018-10/2019: Wissenschaftliche Hilfskraft an der Deutschen Hochschule der Polizei im Fachbereich Einsatzmanagement der Schwerkriminalität
01/2018-08/2018: Wissenschaftliches Volontariat in den Central Archives for the History of the Jewish People, Jerusalem im Rahmen des Masterstudiengangs in Holocaust Studies an der Universität Haifa
10/2015-10/2017: Wissenschaftliche Hilfskraft am Lehrstuhl für Neueste Geschichte und dem Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück
04-09/2016: Mitarbeit im digitalen Publikationsprojekt Emanuel Hirsch (www.emanuel-hirsch.net) am Lehrstuhl für evangelische Theologie der Universität Osnabrück
10/2014-03/2015: Studentischer Tutor für das Seminar „Emigrieren oder Erdulden? Jüdische Überlebensstrategien im Dritten Reich 1933–1939“ an der Universität Osnabrück
01/2013-09/2015: Studentische Hilfskraft am Lehrstuhl für Neueste Geschichte und dem Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück
Publikationen
Der C.V. als Teil jüdischer Selbsthilfe im April 1933 – eine Momentaufnahme, in: Medaon Journal for Jewish Life in Research and Education, 13 (2019), Nr. 25, online verfügbar hier.