Projektskizze Vergangenheit als Zukunft? Geschichtskultur als Feld von Zukunftshandeln zur Bewältigung strukturellen Wandels

 Das Ruhrgebiet ist als ehemals größte Industrieregion Europas seit der Kohlekrise Ende der 1950er Jahre und der Stahlkrise Ende der 1970er Jahre einem enormen wirtschaftlichen und sozialen Wandel unterworfen. Der Strukturwandel ließ nicht nur die soziale und wirtschaftliche Zukunft des Ruhrgebiets ungewiss werden, sondern er stellte die Region als solche in Frage, da sich ihr regionaler Charakter nicht durch naturräumliche, politische oder administrative Gegebenheiten definierte, sondern über die wirtschaftliche Prägung durch Kohle und Stahl. Der Niedergang dieser Schlüsselindustrien führte so zur grundlegenden Erschütterung des regionalen Selbstbewusstseins und der kollektiven Identität der Ruhrgebietsbewohner und warf die Frage auf, ob das Ruhrgebiet als Region überhaupt noch existiere und in Zukunft als solche definiert werden könne.

Zur Bewältigung der durch diesen grundlegenden Wandel als unsicher erfahrenen Zukunftsperspektive entwickelten die regionalen Akteure und Akteurinnen abhängig von ihren sozialen Positionen und Identitäten sehr unterschiedliche Haltungen und Handlungsoptionen. Sind politische, wirtschaftliche und soziale Handlungsstrategien, wie etwa Arbeitskämpfe oder Strukturprogramme, noch recht eindeutig als Reaktion auf die Krisenerfahrung des Strukturwandels zu verstehen, ist zu fragen, ob nicht auch die regionale Kulturpolitik als Zukunftshandeln gedeutet werden muss. Die Dissertation untersucht, inwiefern die geschichtskulturellen Maßnahmen, die mit der wertschätzenden Erhaltung schwerindustrieller Produktionsstandorte als Zeugnisse der Industriekultur begannen und im Kulturhauptstadtjahr 2010 gipfelten, als Reaktion auf die unsicher gewordene Zukunft einer regionalen Ruhrgebietsidentität verstanden werden können.

Neben der Erweiterung der von sozial- und politikwissenschaftlichen Ansätzen dominierten Forschung zum Phänomen des Strukturwandels im Ruhrgebiet werden auch weiterführende Fragen der Geschichts- und Erinnerungskultur aufgegriffen. Die Analyse von Geschichtskultur als Feld von Zukunftshandeln am Beispiel des Ruhrgebiets soll einen Beitrag zur Erklärung des Erinnerungs-, Museums- und Geschichtsbooms der letzten dreißig Jahre leisten.

Curriculum Vitae Lebenslauf

  • 2008 – 2011 Bachelorstudium der Fächer Geschichte und Philosophie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster mit der Abschlussarbeit: „Gegen Cuno und Poincaré an der Ruhr und an der Spree". Zu Strategie und Symbolik kommunistischer Politik während der Ruhrbesetzung Studentische Hilfskraft am Philosophischen Seminar (Leitung eines Tutoriums, Sommersemester 2011)
  • 2011 – 2012 Praktika und anschließend freie Mitarbeit für das Ruhr Museum (bis 2014), Haus der Essener Geschichte und Radio Essen
  • 2012 – 2015 Masterstudium im Fach Public History an der Freien Universität Berlin mit der Abschlussarbeit: Der Klang des Strukturwandels. Ruhrgebietsgeräusche in Archiv und Museum (2018 im Rahmen des Wettbewerbs „HAU REIN! Bergbau im Ruhrgebiet. Alltag, Wissen, Wandel“ veranstaltet durch das Forum Geschichtskultur an Ruhr und Emscher e. V. mit einem Preis in der Kategorie „Hauptamtliche Arbeit mit Geschichte“ ausgezeichnet)
    Studentische Hilfskraft am Arbeitsbereich Zeitgeschichte im Projekt „Die Klanglandschaft der Großstadt“ von Dr. Daniel Morat (2013-2015)
  • Wintersemester 2014/15 ERAMUS-Stipendium für ein Auslandsemester an der Universiteit van Amsterdam
  • Seit November 2015 Wissenschaftliche Mitarbeiterin im DFG-GK 1919 „Vorsorge, Voraussicht, Vorhersage. Kontingenzbewältigung durch Zukunftshandeln“ an der Universität Duisburg-Essen

Veröffentlichungen

  • Zukunftsmusik aus vergangenen Klängen. Geschichtskultur als Feld von Zukunftshandeln im Ruhrgebiet, in: Zeitschrift für Geschichtsdidaktik 16 (2017), S. 67-81.
  • "Reisst die Mauern ein! Kein Stein bleib' auf dem Andern". Schillers Wilhelm Tell als Zeitstück zur Friedlichen Revolution 1989, in: Braun, Jutta / Schäbitz, Michael (Hg.): Von der Bühne auf die Straße. Theater und Friedliche Revolution in der DDR, Berlin, 2015, S. 153–160.
  • Heinrich Theodor Grütter (Hg.): Wanderführer durch die Kulturlandschaft Deilbachtal, unter Mitarbeit von Achim Mikuscheit und Helen Wagner, (= Kleine Schriften des Ruhr Museums, Bd. 1.), Essen, 2013.

Vorträge

  • From the "driving force of Germany" to the "City of Cities". Self-descriptions of a changing industrial area (Transformations of the Urban. Global Perspectives on the History of Industrial Cities, 18.-21.04.2018, DHI Moskau)

  • „Dieser Ort beherbergt den ‚Mythos der Vergangenheit‘ und ist Schaufenster für Zukunftsbewältigung.“ Zur Etablierung von Geschichtskultur als Feld von Zukunftshandeln (Kolloquium Neuere und Neueste Geschichte/ Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 06.11.2017, Universität Duisburg-Essen)

  • „Landschaft der Rostalgie“. Zur Kartierung des Ruhrgebiets als erinnerungskulturellem Raum (6. Kartengeschichtliches Kolloquium, 16.-17.06.2017, Universität Zürich)

  • „Authentische Symbole der Region“. Zur Transformation des Ruhrgebiets von einer Industrielandschaft zur industriellen Kulturlandschaft anhand der Route der Industriekultur (Authentizität und industriekulturelles Erbe. Identitäten, Grenzen, Objekte und Räume, 27.-29.04.2017, Freiberg)
  • Zukunftsmusik aus vergangenen Klängen. Geschichtskultur als Feld von Zukunftshandeln im Ruhrgebiet (Doktorandenkolloquium des Arbeitsbereichs Geschichtsdidaktik der UDE, 21.02.2017, Braunschweig)
  • Vergangenheit als Zukunft? Geschichtskultur als Feld von Zukunftshandeln zur Bewältigung strukturellen Wandels (Auftaktworkshop des DFG-GK 1919, 17.-18.02.2017, KWI Essen)
  • Past as Future? Nostalgia as a way of building a future (Popnostalgia. The Uses of the Past in Popular Culture, 10.-11.11.2016, DHI London)
  • „Von der »Industrielandschaft« zur »Kulturlandschaft«“. Zum struktur- und kulturpolitischen Potenzial eines Konzepts im Kontext der Bewältigung strukturellen Wandels im Ruhrgebiet (Die Transformation »hochschulleerer Räume« zur »Hochschullandschaft«, 13.10.2016, Universität Duisburg-Essen)
  • Werkstattgespräch mit Ulrich Borsdorf (Möglichkeitshorizonte. Abschlusstagung des DFG-GK 1919, 06.-08.10.2016, KWI Essen)
  • Vergangenheit als Zukunft? Geschichtskultur als Feld von Zukunftshandeln (Doktorandenkolloquium des Arbeitsbereichs Geschichtsdidaktik der UDE, 23.02.2016, Nideggen)
  • Vergangenheit als Zukunft? Geschichtskultur als Feld von Zukunftshandeln zur Bewältigung strukturellen Wandels (Kolloquium des DFG-GK 1919, 20.01.2016, Universität Duisburg-Essen)
  • The Noise of Structural Change. Collecting and Representing Sounds of the Ruhr Region (Work with Sounds Conference, 19.-21.8.2015, Dortmund)

Mitgliedschaften

  • Verband der Historikerinnen und Historiker Deutschlands
  • Deutscher Museumsbund
  • International Federation for Public History
  • Mitglied in der AG Angewandte Geschichte/Public History im VHD, Sprecherin des Interessenverbunds „Studierende und Young Professionals“ innerhalb der AG (seit Sept. 2016)

 

Glückwünsche zur erfolgreichen Disputation

Frau Helen Wagner hat am 16. April 2021 ihre Arbeit erfolgreich verteidigt, wozu ihr alle Mitglieder des Graduiertenkollegs 1919 herzlich gratulieren.

Betreuende Forscher

1. Betreuer

Prof. Dr. Markus Bernhardt

2. Betreuer

Prof. Dr. Ute Schneider

Wechsel nach Erlangen

Nach Ablauf ihrer Vertragslaufzeit im Graduiertenkolleg hat Frau Wagner eine Stelle am Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte und Zeitgeschichte (Prof. Dr. Derix) der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg angetreten.

Weitere Angaben sowie ihre neuen Kontaktdaten finden Sie hier.